Neue Kreditregeln: Banken schimpfen, Verbraucherschützer loben

Berlin · Es könnte am Freitag heiße Debatten geben im Bundesrat. Mehrere Länder wollen gegen die EU-Richtlinie zu Immobilienkrediten kämpfen. Sind die Bedenken der Kritiker berechtigt? Der Volksfreund beantwortet Fragen zum Thema.

Worum geht es in der Wohnimmobilienkreditrichtlinie?
Die EU-Richtlinie soll dafür sorgen, dass sich Menschen beim Kauf eines Eigenheims nicht übermäßig verschulden. Im März hat die Bundesregierung die Vorgaben in ein Gesetz gegossen. Banken sind nun verpflichtet, die Kreditwürdigkeit genauer zu prüfen. Verstößt eine Bank dagegen, kann der Kunde den Kreditvertrag sogar kündigen.

Warum setzt die EU auf das Instrument einer Richtlinie?
Die Europäische Union will eine Immobilienblase wie in anderen Ländern vermeiden. Die Krise in den USA hat bekanntlich das weltweite Finanzsystem im Jahr 2007 in ein gewaltiges Chaos gestürzt. In den Vereinigten Staaten waren die Preise für Häuser lange Zeit gestiegen. Bürger verkauften Immobilien mit Gewinn weiter. Banken gaben Kredite, zuletzt sogar ohne jede Sicherheit. Die Blase platzte. Wie auch in Spanien, wo Wohnungen nach Jahren eines Baubooms mit steigenden Preisen von 2008 an keine Käufer mehr fanden. Baufirmen und Immobiliengesellschaften gingen pleite. Banken blieben auf Krediten sitzen und brauchten staatliche Hilfen, um sich aus der Klemme zu befreien.

Braucht Deutschland diese Richtlinie?
Der deutsche Immobilienmarkt boomt - dabei wird aber auch das Risiko einer gefährlichen Überhitzung nach Einschätzung von Experten größer. In Ballungsräumen klettern die Preise, die Auftragsbücher der Baufirmen quellen auch in der Region Trier über. Josephine Holzhäuser von der rheinland-pfälzischen Verbraucherzentrale sagt: "Es ist sinnvoll, die Kreditvergabe so zu gestalten, dass sie Menschen nicht überfordert - und es nicht zu einer Krise wie in anderen Ländern kommt." Vergleiche wie mit den USA lässt Alfons Jochem von der Volksbank Trier dagegen nicht gelten. In Amerika sei auf Immobilien spekuliert worden. In Deutschland bauten die Menschen ihr Eigenheim, weil es zur Kultur gehöre, darin zu wohnen und alt zu werden. Und die Banken guckten hierzulande genauer hin. "Wenn wir in der Vergangenheit nicht seriös geprüft hätten, hätte es von unserem Haus lauter Zwangsversteigerungen gegeben. Das war aber nicht der Fall." Axel Bettendorf von der Handwerkskammer Trier sagt, Menschen investierten besonders wegen der niedrigen Zinsen in Immobilien, um sich abzusichern. Er warnt davor, dass diese Chance den Menschen womöglich unnötig erschwert werde - und die Wirtschaft so Aufträge verliere.

Welche Probleme sehen Kritiker in der Richtlinie?
In einer Bundesratsinitiative kritisieren die Länder Baden-Württemberg, Hessen und Bayern, dass die Richtlinie die Kreditvergabe insbesondere an Rentner und junge Familien schwieriger mache.

Warum würde die Richtlinie gerade Rentner treffen?
Ältere Menschen bekämen nur noch Kredit, wenn sie diesen innerhalb ihrer statistischen Lebenserwartung zurückzahlen könnten, heißt es von der Volksbank Trier. Das Problem: Dabei dürften Immobilien nicht mehr als Sicherheit dienen, selbst wenn ihr Wert die Kreditsumme sogar übersteige - zum Beispiel, wenn das Geld für einen altersgerechten Umbau oder eine Renovierung genutzt werden soll. Die rheinland-pfälzischen Sparkassen kritisieren die neue Rechtslage als "unklar". Sie seien sich nicht sicher, ob ein Kredit vergeben werden dürfte, wenn das Darlehen durch den Wert der Immobilie abgedeckt wäre.

Wieso würde die Richtlinie jungen Familien schaden?
Mit dem Wert einer Immobilie alleine können sich auch junge Familien nicht mehr einen Kredit sichern. Die Banken müssen bei ihnen stärker auf Einkommen achten. Unsicherheiten spielen da eine Rolle. Bekommt ein Paar Kinder? Bleibt ein Elternteil zu Hause oder geht einer in Teilzeit? Gibt es einen befristeten Arbeitsvertrag? All diese Fragen müssen abgeklärt werden - und gelten als Risiko. "Da sind wir schnell bei Fragen der Spekulation", ärgert sich Jochem. "Wer weiß schon, was in ein paar Jahren ist?"

Gibt es Belege für die Kritik?
Das Bundesjustizministerium teilt dem TV mit, die Kreditwirtschaft habe bislang keine aussagekräftigen Zahlen über Problemfälle vorgelegt. Das fordert auch der Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz. "Uns liegen bislang keine Fälle vor, in denen sich Rentner oder junge Familien benachteiligt fühlen", sagt Josephine Holzhäuser. Sie ruft Betroffene aber auf, den Verbraucherschutz anzurufen - dieser könne dann die Politik einschalten. Die rheinland-pfälzischen Sparkassen teilen mit, das Geschäft mit Kreditzusagen im Bereich der Wohnungsbaufinanzierung sei im zweiten Quartal 2016 mit Blick auf das Vorjahr spürbar zurückgegangen. Der rheinisch-westfälische Genossenschaftsverband, zu dem die Volksbanken der Region Trier gehören, hat mehrere Banken befragt. Bei ihnen sei die Kreditbewilligung im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent zurückgegangen. Jede dritte Anfrage von Senioren sei abgelehnt worden - und jede vierte von Familien.

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