Neuer Bauernschreck

TRIER. Die Landwirtschaft hat ein neues Feindbild. Der Name des jüngsten Bauern- und Winzer-Schrecks: Hochwasserschutzgesetz. Tritt das in der vorgesehen Form in Kraft, kommen auf einigeBetriebe erhebliche Einschränkungen zu.

Beim Thema Hochwasserschutzgesetz gerät Hubertus Klein so richtig in Rage. "Was hier abgeht, ist reine Ideologie", schimpft der Winzer aus Kröv. "Unter dem Deckmantel der Ökologie wird Unsinn verkauft!" Kleins These würden die meisten seiner Kollegen aus Weinbau und Landwirtschaft ohne Zögern unterschreiben. Ihr Unmut entzündet sich zunächst einmal an einigen Bestimmungen des diesen Monat vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes. Das sieht unter anderem vor, dass bei landwirtschaftlichen Flächen in Überschwemmungsgebieten der Boden künftig das ganze Jahr über mit Pflanzen bedeckt sein soll, weil das die Erosion, also die Abtragung von Erde, verringert. Den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln will die Bundesregierung einschränken, um zu verhindern, dass Schadstoffe durch Hochwasser in Gewässer gelangen. Und "in besonders erosionsgefährdeten Abflussbereichen" soll der Ackerbau bis Ende 2012 komplett eingestellt werden. "De facto eine Enteignung!", findet Klein. Weinberge, in denen nicht mehr "gespritzt" werden dürfe, lägen quasi brach. Und auch eine Düngung mit Stickstoff sei oft unerlässlich: "Sonst hat man Weine, die nicht richtig vergären, weil im Most nicht genug Stickstoff ist." Was diese Einschränkungen aus Sicht der Landwirte noch schlimmer macht, ist, dass sie ihrer Meinung nach überflüssig, ja realitätsfern sind. Leo Blum, Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, bemüht zum Beweis die Alten Ägypter: "Im Nil-Delta konnte nur deshalb Ackerbau betrieben werden, weil es dort Überschwemmungen gab!" Man dürfe nicht, wie es die Bundesregierung vorsehe, alle Überschwemmungsgebiete über einen Kamm scheren. Nicht überall werde Boden abgetragen - dort, wo das Wasser langsam abfließe, komme es im Gegenteil zu oft sehr fruchtbaren Ablagerungen. "Die Landwirtsfamilien, die seit Generationen ihre Flächen bewirtschaften, wissen selbst am besten, ob sie einen Acker oder eine Wiese anlegen sollen", sagt Blum. "Die Bauern wären ja mit dem Klammersack gepudert, wenn sie Ackerbau betreiben würden, obwohl sie wissen, dass es dann in zwei Jahren dort keinen Boden mehr gibt!"Bundesrat kann Einspruch erheben

Mitstreiter finden Klein, Blum & Co. bei der Landesregierung: Die Ausweisung der Überschwemmungsgebiete solle sich an so genannten "100-jährigen Hochwassern" orientieren, erklärt Wolfgang Raber, Pressereferent im Mainzer Umweltministerium. "Das würde bedeuten, dass eine Fläche, auf der es statistisch gesehen einmal in 100 Jahren Hochwasser gibt, ganzjährig Einschränkungen unterliegt. Das halten wir für überzogen." Auch, dass das neue Gesetz selbst Gewässer dritter Ordnung, also kleine Bäche, umfassen soll, passt der Landesregierung nicht. Ulrike Höfken, Eifeler Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, verteidigt das Gesetz dagegen als "Meilenstein" und "richtige Antwort auf die Hochwasserkatastrophe des Sommers 2002". Ein verbesserter Hochwasserschutz richte sich nicht gegen die Landwirte, er diene ihnen. Wie viele der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Rheinland-Pfalz sind tangiert? Zunächst standen Zahlen im Raum von 31 000 Hektar bis hin zum Dreifachen dieses Areals, inzwischen halten sich Umweltministerium und Bauernverband bedeckt. "Fakt ist: Den einen oder anderen Landwirt und Winzer könnte das Hochwasserschutzgesetz ruinieren", sagt Bauernpräsident Blum. In Hubertus Kleins Vier-Hektar-Betrieb wäre immerhin ein Viertel der Anbaufläche von den "Teufeleien", wie der streitbare Winzer schimpft, betroffen. Die Gegner der neuen Regelungen setzen nun auf den Bundesrat. Das Hochwasserschutzgesetz ist zwar nicht zustimmungspflichtig, doch wie bei allen neuen Gesetzen kann die Länderkammer Einspruch erheben und den Vermittlungsausschuss anrufen. Voraussichtlich Ende September wird sich der Bundesrat mit der Vorlage beschäftigen. Hubertus Klein macht sich jedoch keine allzu großen Hoffnungen: "Die Erfahrungen der letzten Zeit zeigen, dass Gesetze meistens genauso schlimm kommen, wie sie geplant werden."

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