Corona Nicht jeder, der will, wird auch getestet

Trier · Krankenkassen wollen Kosten für Corona-Untersuchung der gesamten Bevölkerung nicht übernehmen. Trierer Experte hält nichts von Massentests.

Während in Bayern und Luxemburg flächendeckend getestet wird, lehnen die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Bundesgesundheitsminsiter Jens Spahn Massentests ab.

Während in Bayern und Luxemburg flächendeckend getestet wird, lehnen die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler und Bundesgesundheitsminsiter Jens Spahn Massentests ab.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Es ist eine Frage des Geldes. Wer soll die Corona-Tests der gesamten Bevölkerung bezahlen? Zwischen 50 und 60 Euro kostet die Auswertung eines Abstrichs aus dem Mund-Rachen-Raum. Die Krankenkassen zahlen den Test aber nur bei Menschen, deren Symptome auf eine Infektion hindeuten. Nur unter bestimmten Umständen werden die Kosten übernommen, wenn die Person keine Symptome hat. Etwa dann, wenn einem die Corona-Warn­app anzeigt, dass ein Risiko bestehen könnte. Oder wenn es zum Beispiel in einer Schule, einer Kita oder einem Pflegeheim, das man besucht hat, eine Infektion gegeben hat. In solchen Fällen kann das zuständige Gesundheitsamt Tests in den Einrichtungen veranlassen. Die Kosten dafür müssen dann die jeweiligen Kommunen übernehmen.

Die Krankenkassen machen klar, dass sie nicht bereit sind, die Kosten für die von einigen Virologen empfohlenen Massentests der Bevölkerung zu übernehmen. Er lehne die Finanzierung dieser Tests einseitig zulasten der Beitragszahler der Gesetzlichen Krankenkassen entschieden ab, sagt der derzeitige Verwaltungsratsvorsitzende der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland und Landeschef des Gewerkschaftsbundes DGB, Dietmar Muscheid. „Infektionsschutz und Seuchenbekämpfung gehören zur Gefahrenabwehr, für die grundsätzlich der Staat die Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung trägt.“ Daher müssten Bund und Länder die Kosten für die Tests übernehmen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist genau wie seine rheinland-pfälzische Kollegin Sabine Bätzing-Lichtenthäler gegen solche Massentests. Beide sind für gezielte Testungen. Konkret sollen vor allem Corona-Brennpunkte ins Visier rücken – zum Beispiel grundsätzlich alle, die in Kliniken aufgenommen werden, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Spahn stellt sich damit gegen den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Der will die gesamte Bevölkerung des Freistaates auf Kosten des Landes testen lassen.

In Luxemburg laufen seit Ende Mai solche Massentests. Es ist das erste europäische Land, dass Tests auf Covid-19 derart umfassend anbiete, sagt der Direktor des Luxemburger Gesundheitsinstituts, Ulf Nehrbass. Bis Ende Juli sollen alle 600 000 Einwohner plus 300 000 Grenzgänger auf freiwilliger Basis getestet werden. Mitarbeiter in sogenannten systemrelevanten Berufen wie etwa im Gesundheitswesen sollen alle zwei Wochen getestet werden. Rund 30 Millionen Euro stellt die Regierung des Nachbarlands dafür bereit.

Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger befürwortet solche kostenlosen Corona-Tests für alle. In einer repräsentativen Umfrage sprachen sich 60 Prozent dafür aus, dass jeder Bürger unabhängig von Symptomen und Risiko einen vom Staat bezahlten Corona-Test in Anspruch nehmen können sollte. 31 Prozent lehnten das ab.

Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin hat im Gesundheitsausschuss des Landtags deutlich gemacht, dass nicht jeder, der es wünscht, sich auf Kosten der Gesetzlichen Krankenkassen testen lassen könne. Nur wenn die Tests angeordnet oder medizinisch notwendig seien, dann würden laut der Corona-Test-Verordnung die Kassen die Kosten dafür übernehmen. Konkret sprach die Ministerin von Kontaktpersonen von Infizierten, wenn diese länger als 15 Minuten engen Kontakt hatten, oder Personen, die im gleichen Haushalt leben.

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sollten sich alle, die Erkältungssymptome oder andere typische Anzeichen für Covid-19 hätten, wie etwa Geruchsverlust, testen lassen. Wichtig sei es vorher beim Hausarzt, beim ärztlichen Bereitschaftsdienst (Rufnummer 116 117) oder dem zuständigen Gesundheitsamt anzurufen.

Der Trierer Mikrobiologe Ernst Kühnen hält aus fachlicher Sicht nichts von Massentests. Bei niedrigen Infektionszahlen müsse sich nicht jeder ständig testen lassen. Anders sei die Situation bei klinisch auffälligen Patienten, Personen, die also Symptome zeigen. Diese müssten schnellstmöglich getestet und dann gegebenenfalls isoliert werden. Bei Verdachtsmomenten auf einen Hot-Spot müsse über das zuständige Gesundheitsamt sofort reagiert werden, sagt Kühnen. Anders sei die Situation in der Pflege, in bestimmten Branchen wie etwa der Fleischindustrie oder nach Massenveranstaltungen: „Dort muss deutlich öfter getestet werden, unabhängig vom Vorliegen der Erkrankung.“

Aus Sicht des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums sind Massentest bei dem derzeitigen niedrigen Infektionsgeschehen im Land ineffektiv. „Aufgrund dessen müssten derzeit bis zu 4000 zufällige Testungen durchgeführt werden, um eine infizierte Person in der Allgemeinbevölkerung aufzuspüren“, heißt es in der Teststrategie des Landes. Es gebe momentan keine Hinweise auf eine Ausbreitung des Coronavirus außerhalb bekannter Ausbruchsherde, sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage unserer Zeitung.

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