Nürburgring zu verkaufen

Mainz · Unabhängig vom Ausgang des Streites zwischen dem Land und den privaten Pächtern des Nürburgrings steht bereits fest: Sobald die Landesregierung wieder die Verfügungsgewalt hat, sollen die Anlagen ausgeschrieben und verkauft werden. Offen ist nur noch, ob das auch die Rennstrecke und die Nordschleife betrifft.

Mainz. Der Nürburgring war viele Jahre lang vor allem aufgrund der verlustreichen Formel-1-Rennen ein finanzieller Problemfall für das Land und seine Nürburgring GmbH. Seit im Juli 2009 das 330 Millionen Euro teure Freizeit- und Geschäftszentrum eröffnet hat, ist die Eifel-Rennstrecke bundesweit zu einem Symbol für Misswirtschaft und verfehlte Strukturpolitik geworden.
Die Aufräumarbeiten an der politischen Dauerbaustelle dauern an und können erst richtig beginnen, wenn die privaten Betreiber Jörg Lindner und Kai Richter das Feld geräumt haben. Noch wird verhandelt mit dem Ziel, vor der Sommerpause zu einem Ergebnis zu kommen.
Zeitplan: Wird man sich einig, verlassen die Pächter den Ring zum 31. Oktober. Alle ihre materiellen Ansprüche werden in einem außergerichtlichen Schiedsverfahren geklärt. Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagt klipp und klar: "Wir lassen nur Ansprüche gelten, die sich aus den Verträgen ergeben." Gibt es keine Verständigung, wird das Landgericht Koblenz aktiv. Das kann dann eineinhalb Jahre dauern.
Planspiele: Für den Tag X laufen schon lange die Planspiele. Sobald die Pächter weg sind, übernimmt wieder die Nürburgring GmbH die Geschäfte. Etliche zur privaten Nürburgring Automotive GmbH gewechselte Mitarbeiter werden dann wohl wieder zurückkehren. Aber die Nürburgring GmbH hat ein Problem: Sie hat kein Geld. Das Land hat deshalb bei der EU-Kommission "Rettungsbeihilfen" beantragt. Wie viele Steuermittel benötigt werden, lässt sich laut Finanzminister Carsten Kühl (SPD) schwer abschätzen. Es werden wohl etliche Millionen Euro sein.
Was kommt danach? Was danach kommt, beschreibt Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler so: "Wir wollen ein beihilferechtlich sauberes Verfahren hinbekommen und dabei das Heft des Handelns mit dem Ziel einer kompletten Neustrukturierung in der Hand behalten."
Hintergrund: Die streng marktwirtschaftlich denkenden Brüsseler Wettbewerbshüter haben mehr als eine halbe Milliarde Euro, die in der Vergangenheit vom Land in die Eifel flossen, vorläufig als verbotene Beihilfen eingestuft. Die EU will dem Vernehmen nach alles privatisieren und pocht auf einen kompletten Verkauf der Immobilien.
Innerhalb der Landesregierung sind für die Neustrukturierung verschiedene Optionen durchgesprochen worden. Teile des Kabinetts, darunter Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) und Finanzminister Carsten Kühl (SPD), würden nach TV-Informationen eine geordnete Insolvenz für die Nürburgring GmbH bevorzugen. Ministerpräsident Kurt Beck und Innenminister Roger Lewentz sowie die Fraktionschefs Hendrik Hering (SPD) und Daniel Köbler (Grüne) sind offenbar (noch) dagegen.
Vorteile: Ein vom Land bestellter Insolvenzverwalter übernähme das Ruder und würde versuchen, so viel Geld wie möglich mit dem Verkauf der Immobilien zu erzielen. Die EU-Problematik wäre mit einem Schlag erledigt. Und das Thema würde aus den Ausschüssen des Landtags und dem Plenum verschwinden.
Nachteile: Die Insolvenz einer Landesgesellschaft wäre wohl bundesweit einmalig und als politischer Offenbarungseid zu verstehen. Dieser Schritt könnte auch höhere Zinsen und ein schlechteres Rating des bisher mit der höchsten Bonitätsstufe ausgestatteten Landes bedeuten. Und das Land hätte kaum noch Einflussmöglichkeiten am Ring.
Eben deshalb ist die offizielle Regierungslinie noch eine andere. "Das Land wird die Nürburgring GmbH teilweise liquidieren und ihre Immobilien verkaufen, indem man ausschreibt und am Markt Preise ermittelt", sagt ein Insider. Veräußert würden auf jeden Fall die Gastronomie, das Feriendorf in Drees (Vulkaneifelkreis) und die Hotels.
Um das Verfahren abzuwickeln, müsste erneut Steuergeld in Millionenhöhe fließen. Und die EU müsste diese "Umstrukturierungsbeihilfen" genehmigen.
Die Kernfrage lautet, ob dann auch die Rennstrecke und die Nordschleife verkauft werden. Das Kabinett würde offenbar mehrheitlich bevorzugen, beides weiterzubetreiben oder privat von neuen Pächtern betreiben zu lassen, ist jedoch von der Zustimmung der EU abhängig.
Sollte Brüssel auf dem Verkauf beharren, würde das Land dies mit Auflagen verbinden: Ein privater Käufer müsste die Touristenfahrten auf der Nordschleife ebenso garantieren wie die publikumsträchtigen Veranstaltungen Rock am Ring, Oldtimer-Grand-Prix oder 24-Stunden-Rennen.
Wahrscheinlich könnten Interessenten Rennstrecke und/oder Nordschleife auch nur erwerben, wenn sie gleichzeitig Verlustträger wie den Boulevard (Einkaufsmeile) oder die Arena (Veranstaltungshalle) kaufen.
Fazit: Welches Ziel bei allen Überlegungen verfolgt wird, umschreibt man in Regierungskreisen so: "Das ist ein einfaches Rechenspiel: Was ist für den Steuerzahler und die Region am günstigsten?"
Gemeint ist damit, wie sich die Verluste in einigermaßen erträglichem Rahmen halten. Dass die 330-Millionen-Euro-Investition ins Freizeit- und Geschäftszentrum weitgehend abgeschrieben werden muss, ist allen Landespolitikern längst klar.

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