Nur noch ein winziges Schlupfloch

TRIER. Die Staatsanwaltschaft hat im Prozess gegen den 34-jährigen Michael R. neuneinhalb Jahre Haft und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Die Verteidigung plädierte auf eine "angemessene Haftstrafe" und eine allenfalls vorbehaltliche Verhängung der Sicherungsverwahrung.

Eigentlich sollte diese Woche der Urteilsspruch in dem spektakulären Revisionsverfahren vor dem Trierer Landgericht ergehen. Doch das überraschende Geständnis des Angeklagten am vorletzten Verhandlungstag sorgte dafür, dass noch einmal tiefer in die Beweisaufnahme eingestiegen werden musste. Auch wenn Michael R. die Vergewaltigung seiner Lebensgefährtin ebenso eingeräumt hatte wie den Vorfall, als er das eineinhalbjährige Kind seiner Freundin aus dem Fenster hielt, um sie zu nötigen: Es blieb Klärungsbedarf im Detail. Eine Tortur, vor allem für das Opfer. "Verknackt ihn oder sprecht ihn frei, es ist mir egal, ich will nur nicht mehr darüber reden müssen", sagte die 27-Jährige, sichtlich am Ende ihrer Kräfte. Angesichts des Geständnisses stand letztlich weniger der Sachverhalt im Mittelpunkt des Interesses als das Gutachten der Fachärztin Silvia Leupold. Fast eineinhalb Stunden setzte sie sich vor den abschließenden Plädoyers mit der Psyche des Angeklagten auseinander. Ein entscheidender Moment des Verfahrens, ging es doch nicht nur um die zu erwartende Strafe für die Taten, sondern auch um die Frage, ob Michael R. nach Verbüßung dauerhaft in Sicherungsverwahrung genommen wird. Sehr viel Hoffnungsvolles konnte die Gutachterin nicht vermelden. R. sei "im Verhalten abnorm, aber nicht psychisch gestört". Trotz Alkoholkonsums gebe es im Umfeld der Tat "keine Hinweise auf eine erhebliche Verminderung der Zurechnungsfähigkeit". Der Angeklagte sei gekennzeichnet durch einen "völligen Mangel in der Fähigkeit, die Folgen seines Verhaltens für andere zu empfinden". Misstrauen, Neid, Frauenfeindlichkeit, dazu die Tendenz, sich selbst für ein Opfer zu halten und die Schuld für Probleme bei den anderen zu suchen: Die Gutachterin kam zu dem Schluss, eine Wiederholung von Aggressionstaten sei "mit bestimmter Wahrscheinlichkeit zu erwarten". Ein winziges Schlupfloch ließ sie dennoch: Das Geständnis sei "vielleicht ein erster Schritt" zu einer Verhaltensänderung. Ohne vorbehaltlose Bereitschaft zum Mitwirken an einer Therapie, ohne klaren Trennungsstrich zur unsozialen Knast-Hierarchie sei aber keine Besserung zu erwarten. Die Initiative müsse dabei von R. selbst ausgehen. Während Staatsanwaltschaft und Nebenklage dieser Perspektive keine Chance einräumten, beschwor der Verteidiger das Gericht, den durch das Geständnis gezeigten Ansatz "nicht durch eine Sicherungsverwahrung zu verbauen". Das Gericht bat sich längere Beratungszeit aus, "angesichts der nicht leichten Entscheidung", wie es die Vorsitzende Richterin Irmtrud Finkelgruen formulierte. Die Urteilsverkündung ist für Dienstag geplant.

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