Obamas Drahtseilakt gegen die Klima-Skeptiker

Der amerikanische Präsident Barack Obama hat mit einer aufsehenerregenden Erklärung verdeutlicht, dass er einen radikalen Bruch mit der Umweltpolitik seines Vorgängers George W. Bush will. Weltweit gibt es Beifall - und in den USA viel Widerstand.

Washington. Natürlich war es kein Zufall, dass die US-Umweltschutzbehörde EPA ausgerechnet zu Beginn des Kopenhagener Klima-Gipfels mit der Erklärung aufwartete: "Treibhausgase sind gesundheitsschädlich". Denn bereits bei Amtsantritt hatte die vom Obama-Team ausgesuchte EPA-Direktorin Lisa Jackson in einer Hausmitteilung an die Mitarbeiter klar gemacht, dass nach dem Wahlsieg von Barack Obama eine klimapolitische Wende überfällig ist: "Wir sind bereit, bei einer Gesetzgebung zu helfen, die die Visionen des Präsidenten erfüllt", gab sie den Beamten die Marschroute vor. Was übersetzt hieß: Das Abwarten und die Rücksichtnahme auf Industrieinteressen während der Ära Bush sind vorbei.

Nun hat Obama wie erwartet seinen Wunsch erfüllt bekommen, und unter Umweltschützern jubelt man. "Eine großartige Entscheidung", kommentierte beispielsweise der World Wide Fund for Nature (WWF). Denn der US-Präsident hat nun keine Fesseln mehr, wenn er neue Regelungen gegen den CO{-2}-Ausstoß anordnen will - eine Zustimmung des Kongresses ist nicht mehr erforderlich. Auf einem ganz anderen Blatt steht jedoch, ob es Obama tatsächlich wagen wird, die Volksvertreter zu ignorieren. Zum einen hatte er bereits angekündigt, nicht ohne den Kongress neue Umweltschutz-Akzente setzen zu wollen.

Revidiert er jetzt diese Aussage mit Blick auf seine Teilnahme an den Schlussberatungen in Kopenhagen, so wäre dies auch eine klare Absage an das Prinzip des überparteilichen Handelns, mit dem der Wahlsieger ins Weiße Haus eingezogen war. Im Senat blockieren derzeit aber auch einige Demokraten den vorliegenden Gesetzentwurf. Und: Gibt Obama der EPA tatsächlich freie Hand, hätten diese Verordnungen ein klares Verfallsdatum: Ein neuer Präsident könnte diese nämlich umgehend wieder außer Kraft setzen. Zudem muss Barack Obama auch die Stimmung im Land berücksichtigen. Im kommenden Jahr stehen Kongress-Zwischenwahlen an, bei denen der Bürger die Chance hat, die Demokraten und auch einen Präsidenten abzustrafen, dessen Zustimmungsquote erstmals unter 50 Prozent gesackt ist. Jüngste Umfragen zeigen, dass in den USA - dem nach China zweitgrößten Schadstoff-Emittenten - der Klimaschutz nicht unbedingt eine Priorität einnimmt.

US-Bürger haben für Thema Klima nicht viel übrig



Viel wichtigere Themen sind die Arbeitsmarkt-Situation und die Reform der Krankenversicherung. Und gerade einmal die Hälfte aller Bürger glaubt jenen Forschern, die von einem von Menschenhand vorangetriebenen Klimawandel sprechen. Diese Skepsis hat sich unter Republikanern noch verstärkt, seit Hacker Tausende von internen E-Mails von prominenten Klimaforschern bekanntgemacht und diese in Erklärungsnot gebracht haben. Denn in der Korrespondenz finden sich zahlreiche Hinweise darauf, dass Statistiken zur globalen Erwärmung möglicherweise manipuliert wurden und dass Wissenschaftler mit abweichenden Meinungen ausgegrenzt wurden. Die US-Regierung will jedoch eine Debatte zu den daraus resultierenden Grundsatzfragen nicht mehr führen: "Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Erderwärmung sind solide," so Obama-Sprecher Robert Gibbs.

Vor allem Konservative in den USA sprechen mittlerweile allerdings mit Rückblick auf den legendären "Watergate"-Skandal von einem "Climategate" und kündigen erbitterten Widerstand gegen schärfere Umweltbestimmungen an. Sie behaupten, dass die EPA-Feststellung "auf fehlerhaften Daten" beruht, nennen die globale Erwärmung "Betrug" und warnen gemeinsam mit Wirtschaftvertretern, dass neue Regulierungen "das Wachstum abwürgen werden," so US-Handelskammerpräsident Thomas Donohue. Und CNN plante gestern eine Sondersendung zur Frage: "Globale Erwärmung - Wahrheit oder Manipulation?" Barack Obama steht also noch viel Überzeugungsarbeit bevor.

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