Obamas schwerer Abschied von Mubarak

Die USA setzen ihren außenpolitischen Schlingerkurs fort. Die Amerikaner wollen die Demokratie-Bewegung in Ägypten unterstützen, Präsident Mubarak aber nicht sofort fallenlassen.

Washington. "Stoppt die US-Unterstützung für Mubarak!" In Atlanta und anderen Metropolen gingen am Wochenende Tausende von Demonstranten auf die Straße. Bilder, die wie die Szenen der Unruhen im Land am Nil über die größten US-Fernsehsender liefen - und damit den Handlungsdruck auf das Weiße Haus verstärkten.

Doch dieses sieht sich vor einem Dilemma. Denn sowohl George W. Bush wie auch Barack Obama haben Mubarak mit Milliardenhilfen für das Militär unterstützt. Und Obama, der sich kurz nach Amtsbeginn in seiner Kairoer Rede an die moslemische Welt noch explizit für Bürgerrechte und Demokratie eingesetzt hatte, muss sich nun den Fragen stellen: Wie antwortet er auf den Unmut der ägyptischen Bevölkerung, wie lange hält er an Mubarak - der bisher einen wichtigen Pfeiler der US-Sicherheitsstrategie in Nahost darstellt - fest? Und was geschieht, wenn dieser stürzt?

Auch am Wochenende gab es täglich Lagebesprechungen Obamas mit seinen Sicherheitsberatern, und noch am Freitagabend hatte der US-Präsident persönlich den Kontakt zum wankenden Amtskollegen in Kairo gesucht. Danach folgte ein eilig anberaumter Presseauftritt, der - anders als das vielkritisierte Abwarten und Taktieren bei den Unruhen in Teheran nach dem umstrittenen Wahlsieg Ahmadinedschads - signalisieren sollte: Man nimmt das Thema ernst und hat sich auch eine Meinung gebildet. Doch die wichtigste Frage ließ die Stellungnahme Obamas dann unbeantwortet: Setzt man nun auf die Reformbewegung oder den langjährigen Verbündeten Mubarak?

"Präsident Mubarak hat dem Volk mehr Demokratie und bessere wirtschaftliche Lebensverhältnisse versprochen. Ich habe ihm gesagt, dass er diese Worte mit Leben füllen muss", bilanzierte Obama sein 30-minütiges Telefonat. Dann folgte die Aufforderung, sich jeder Gewalt zu enthalten - ein Appell, der auch auf die Demonstranten zugeschnitten war.

Keine explizite Unterstützung mehr für Mubarak - aber auch keine Distanzierung oder gar ein Ruf nach einem Abschied. Hinter der Unentschlossenheit stehen vor allem zwei Überlegungen: Mubarak gilt aufgrund des Friedensschlusses mit Israel als wichtiger Vermittler in Nahost. Und das Weiße Haus sieht den Diktator immer noch als bessere Alternative zu einer möglichen Machtübernahme der radikal-islamischen Muslimbruderschaft in Ägypten.

Meinung

In der Klemme

Wie halte ich es mit meinem Freund, dem Diktator? Die USA erhalten - wie die Krise in Ägypten zeigt - derzeit wieder einmal die Quittung für die beliebte Tendenz der Supermacht, sich aus geostrategischen Gründen auch mit Regimen gut zu stellen, die es mit Menschenrechten und demokratischen Strukturen nicht so ernst nehmen. "Pragmatisch" wird dieser außenpolitische Ansatz gern abwiegelnd genannt, doch in der Realität ist er nichts anderes als die Resignation mit Blick auf die eigenen Prinzipien. Dass Friedens-Nobelpreisträger Obama der Reformbewegung unter Führung des Nobelpreis-Kollegen El Baradei auch am Wochenende die Unterstützung versagte, weil er - wie Berater zu erkennen gaben - Furcht vor den Folgen eines Abschieds von Mubarak hat, ist kein Ruhmesblatt. Gerade bei jenen, die in der demokratisch wie wirtschaftlich rückständigen arabischen Welt nach positiven Veränderungen rufen, war die Kairoer Rede Obamas am 4. Juni 2009 ein Hoffnungsschimmer. Doch das fragwürdige Kalkül des US-Präsidenten, den langjährigen Partner Mubarak für den weiter auf dem Totenbett liegenden Nahost-Friedensprozess nutzen zu können, überlagert offenbar alle anderen Erwägungen - und offenbart auch Hilflosigkeit und die Erkenntnis, lange auf der falschen Seite gestanden zu haben. nachrichten.red@volksfreund.de

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