Ökolandbau in der Region: Bio ist gut fürs bäuerliche Bankkonto

Trier · In Rheinland-Pfalz boomt der Ökolandbau, denn er bietet in schwierigen Zeiten wirtschaftliche Perspektiven.

Früher war es meist die innere Überzeugung - der Respekt vor der Natur, die Liebe zu Tieren oder der Schock durch Tschernobyl - die Menschen dazu veranlasste, Biobauern zu werden. Heute ist es öfter auch der Blick aufs Bankkonto.

Regino Esch, der auf seinem Hof bei Prüm Bio-Ziegenkäse herstellt und Landesvorsitzender des Bioland-Verbands ist, beobachtet eine Abkehr vom "Weiter so". Statt noch die 140. Kuh anzuschaffen und den Hof weiter zu vergrößern, steigen immer mehr Betriebe auf Bio um. Auch, um der nächsten Generation eine Perspektive zu geben. Denn zum einen ist Bio gefragt. Zum anderen stimmen die Preise. Sind die Verbraucher doch bereit, für Bioqualität mehr zu zahlen. Gerade angesichts der langen Milchkrise klingt das für viele verlockend. Dennoch muss der Schritt gut überlegt sein. "Nur wer bei seinem konventionellen Betrieb alles im Griff hat, kann das ökologisch schaffen", sagt Michael Horper, Präsident des Bauernverbands Rheinland-Nassau. Schließlich hat der Betriebsleiter weniger Hilfsmittel, weil Kunstdünger, Kraftfutter und Pflanzenschutzmittel tabu sind. Die Erntemenge und die Milchleistung der Kühe gehen deutlich zurück. Und vielerorts in der Region sind die Böden nicht allzu fruchtbar. Die höheren Biopreise gibt es allerdings erst zwei Jahre nach der Umstellung. Wer diese Durststrecke durchsteht, hat die Chance auf schwarze Zahlen.

Mehr: Erfolgsgeschichte Ökolandbau: Bauern setzen auf Bio-Boom

Auch, dass es mit der Molkereigenossenschaft Arla, die einer der weltweit größten Hersteller von Bioprodukten ist, in der Eifel einen Abnehmer gibt, hat den Bioboom in Rheinland-Pfalz angekurbelt.

Ein Boom, der sich mit Zahlen des Mainzer Umweltministeriums leicht belegen lässt: Seit 2010 sind die ökologisch bewirtschafteten Flächen im Land von 37.700 Hektar auf 63.500 Hektar im Jahr 2016 gewachsen. Dies entspricht einer Zunahme von 68 Prozent. Auch die Zahl der Biobetriebe hat sich mehr als verdoppelt. Es sind nun 1455. 70 Prozent der rheinland-pfälzischen Ökoflächen sind Grünland, 20 Prozent Äcker und etwa zehn Prozent Weinberge, Obst- und Gemüsefelder. Denn der Öko-Landbau in Rheinland-Pfalz ist vor allem durch extensive Grünlandbewirtschaftung, Milchviehbetriebe und Mutterkuhhaltung geprägt. Als Besonderheit kommt der ökologische Weinbau hinzu. Die Umstellung auf Bio bringt es für Tierhalter oft mit sich, dass Höfe mehr Flächen und neue Ställe brauchen, um den Tieren mehr Platz und Auslauf zu ermöglichen. Die der Fleischerzeugung dienende Mutterkuh-Haltung ist auch deshalb beliebt, weil meist keine so großen Investitionen nötig sind. Die Kühe sind mit ihren Kälbern zumindest im Sommer auf der Weide.

Aktuell steigen laut Ministerium vermehrt tierhaltende Betriebe von der Viehhaltung auf die Öko-Legehennenhaltung zur Eierproduktion um. Im Jahr 2015 gab es rund 30.000 Legehennen für die ökologische Eierproduktion. Deren Zahl werde sich 2017 deutlich steigern. Für Winzer ist das Umsatteln auf Bio einfacher, denn sie müssen nicht umbauen. Eine große Herausforderung ist allerdings der ökologische Pflanzenschutz - insbesondere in warmfeuchten Jahren wie 2016. Denn die Möglichkeiten, Pflanzenkrankheiten wie den Falschen Mehltau zu bekämpfen, sind stark begrenzt. 419 rheinland-pfälzische Betriebe bewirtschaften 5561 Hektar Bio-Weinberge. Das entspricht fast neun Prozent der weinbaulich genutzten Fläche in Rheinland-Pfalz und rund 65 Prozent der Bio-Weinbaufläche in Deutschland.

Öko-Obstbau: In Rheinland-Pfalz werden etwa 590 Hektar Land mit den Schwerpunkten Kernobst (Äpfel, Birnen) sowie Holunder und Aronia-Beeren ökologisch bewirtschaftet. Dies entspricht einem Flächenanteil von zwölf Prozent der gesamten Obstbaufläche in Rheinland-Pfalz. Der Öko-Gemüsebau hinkt flächenmäßig hinterher: 600 Hektar Land dienen in Rheinland-Pfalz der Produktion von Biogemüse - das sind nur vier Prozent der Gemüseanbaufläche. Umweltministerin Ulrike Höfken weist auf die vielen positiven Umwelteffekte des Ökolandbaus hin. Er schütze Böden, Grundwasser, Artenvielfalt und das Klima. So schone der Verzicht auf umwelt- und wassergefährdende Pflanzenschutzmittel und mineralische Dünger das Grundwasser, die Flüsse und Bäche. Die ökologische Bewirtschaftung führe zu mehr Humusbildung im Boden, so dass mehr CO2 gespeichert werden kann. Genau wie der Bund verfolgt Rheinland-Pfalz das Ziel, auf 20 Prozent der Landesfläche Bioprodukte zu erzeugen. "Für uns spricht auch nichts gegen 100 Prozent", sagt Biolandsprecher Regino Esch. Er traue es der Szene zu, ganz Deutschland zu ernähren. Jeden Tag Fleisch könne es dann allerdings nicht mehr geben. Auch Lebensmittel so achtlos wegzuwerfen, wie das derzeit oft passiere, könne man sich dann nicht mehr leisten.Info

Bio-Siegel der EU, eingeführt im Juli 2012: Verbraucher wissen bei Lebensmitteln mit dem EU-Bio-Logo, einem stilisierten Blatt aus zwölf weißen Sternen auf grünem Grund, dass die gesetzlichen Vorgaben der EG-Öko-Verordnung mindestens erfüllt sind. Ein Produkt erhält dieses Siegel, wenn mindestens 95 Prozent der Inhaltsstoffe aus Öko-Anbau kommen.

Das heißt: Auf chemischen Pflanzenschutz und Dünger wurde verzichtet, pro Hektar ist nur eine bestimmte Anzahl Tiere zulässig, die Haltungsform ist artgerechter, das Futter ist biologisch, Gentechnik und Wachstumshormone sind verboten, und Tiere dürfen nicht vorbeugend mit Antibiotika behandelt werden. All das wird kontrolliert. Zusätzlich zu diesem verpflichtenden EU-Bio-Logo können die Hersteller ihre Biowaren mit dem deutschen Bio-Siegel oder den Zeichen der privaten Verbände kennzeichnen.

Das deutsche Bio-Siegel kennzeichnet bereits seit 2001 Produkte, die der EG-Öko-Verordnung entsprechen. Weil es bekannt ist, verwenden viele Hersteller es weiterhin, obwohl es neben dem EU-Siegel, das die gleiche Aussage hat, inzwischen überflüssig ist. Labels von Anbauverbänden wie Demeter, Bioland oder Naturland haben in der Regel strengere Vorgaben als die der EG-Bio-Verordnung. Die Lebensmittel müssen aber zunächst nach der EG-Verordnung zertifiziert sein, ehe sie ein Verbandslabel bekommen können. (Mos/dpa)

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