Oktoberfest schon in der Fastenzeit

Trier · Partys an Ostern bleiben tabu. Bierfeste in der Fastenzeit sind für die Kirchen hingegen kein Problem. Dass immer mehr Menschen in Tracht feiern, hat auch gesellschaftliche Gründe.

Ostern naht. Und so fröhlich all die bunten Ostereier, Deko-Lämmchen und Küken auch wirken mögen, so bleiben es doch stille Feiertage. Zwar gibt es jedes Jahr Proteste gegen das Tanzverbot, das von Gründonnerstag 4 Uhr bis Ostersonntag 16 Uhr herrscht, doch sind alle Versuche, es in Rheinland-Pfalz abzuschaffen, bisher gescheitert. Zuletzt hatten die Grünen dies 2015 versucht. Nicht nur das Tanzen ist am Karfreitag verboten, sondern auch sonstige Events. An Ostersonntag sind auch Sportveranstaltungen tabu. Die Trierer Stadtverwaltung warnt, dass Verstöße als Ordnungswidrigkeit gelten und daher teuer werden können.

Das Bistum befürwortet die im Feiertagsgesetz festgeschriebenen Regeln. Für 47 Millionen katholische und evangelische Christen in Deutschland seien Karfreitag und Ostern enorm wichtige Feiertage. "Ein Tag, an dem wir des Leidens und Sterbens Jesu Christi gedenken, ist kein jubelnder Feiertag, an dem Tanzen angemessen wäre", sagt Bistumssprecherin Judith Rupp. Auch Pfarrerin Maike Roeber vom Evangelischen Kirchenkreis findet stille Feiertage sinnvoll. Es tue allen gut, Auszeiten vom Alltag zu haben.

Ganz anderer Ansicht ist der Trierer Philosoph Michael Schmidt-Salomon, der die "übermäßige Privilegierung der Großkirchen" kritisiert. Seine bundesweit tätige Giordano-Bruno-Stiftung lädt an Karfreitag zur "Heidenspaß-Party" in ein Münchner Theater ein - und muss wohl keine Konsequenzen fürchten. Hat das Bundesverfassungsgericht sich doch kürzlich hinter die Organisatoren gestellt: Dass das Fest 2007 verboten wurde, sei nicht mit den Grundsätzen der Versammlungsfreiheit und Weltanschauungsfreiheit zu vereinbaren.

Während Oster-Partys für die Kirchen tabu bleiben, drücken sie bei Ausschweifungen in der Fastenzeit ein Auge zu. Das Bistum sieht es nicht kritisch, dass sowohl das Bitburger Bierfest als auch das neue Trierer Wiesnfest in der österlichen Bußzeit Tausende Feierwütige anlocken. Es gehe in dieser Zeit nicht um "asketische Spitzenleistungen", sondern darum, sich (neu) zu besinnen, was wichtig sei im Leben, das Gott geschenkt habe, sich neu auszurichten und wenn nötig, Buße zu tun und umzukehren. Inwieweit Bierfeste dazu passen, müsse jeder selbst entscheiden, sagt Rupp. Auch für Roeber bedeutet Fasten nicht Verzicht, sondern aus alten Gewohnheiten auszubrechen. Wie - das sei eine persönliche Entscheidung.

Bei den Gaudis in Bitburg und Trier verfestigt sich derzeit ein Trend: Viele Besucher erscheinen in Dirndl oder Lederhose. Zünftig Bayerisches ist in der Region derart beliebt, dass das erste Oktoberfest nun schon im Frühling steigt.

Der Unterhaltungswissenschaftler Sacha Szabo hat das Phänomen unter die Lupe genommen. In einer Zeit, in der sich traditionelle Strukturen auflösen, während die Sehnsucht nach Orientierung bleibe, entspreche das Oktoberfest dem Ideal eines Fests, sagt er. Nicht nur, weil die bayerische Festkultur für Geselligkeit stehe. Nicht nur, weil Verkleidungen es generell erlaubten, hemmungsloser zu sein. Sondern auch, weil solche Feste als "typisch Deutsch" gelten. "Das wird als Identitätsangebot aufgegriffen", sagt er - obwohl es alles andere als authentisch sei.

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