Opposition erwartet Abschied vom System Kurt Beck

Mainz · Die Karten sind neu gemischt: Da Malu Dreyer Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz wird, muss die CDU-Fraktions- und Landesvorsitzende Julia Klöckner ihre Strategie neu überdenken. Symbolisch reicht sie Dreyer schon mal die Hand.

Für die CDU ist Malu Dreyer als künftige Ministerpräsidentin ein unbequemer Gegner. Das ist unangenehm genug. Was die Christdemokraten aber richtig ärgert, ist die öffentliche Debatte, die Kurt Becks letzter politischer Schachzug im Land ausgelöst hat. Denn plötzlich steht die CDU vor einer nahezu unüberwindbaren Hürde in Gestalt von Malu Dreyer, um 2016 an die Macht zu kommen.
Und quasi über Nacht wird Julia Klöckner scheinbar ein strategischer Kurswechsel aufgezwungen, einen Schwenk hin zu mehr Sachlichkeit und Kooperationsbereitschaft. Dabei bewertet die CDU-Partei- und Fraktionschefin die Ausgangslage völlig anders. "Die SPD muss sich neu aufstellen, nicht wir", sagt sie im Gespräch mit der Rhein-Zeitung.
Klöckner sieht sich nach dem angekündigten Rückzug von Kurt Beck und der Kür Malu Dreyers zur künftigen Ministerpräsidentin zu keiner Kurskorrektur gezwungen. Im Gegenteil: Für die CDU-Chefin haben SPD und Grüne das Klima im Landtag nach und nach vergiftet und nicht die Opposition.
"Rot-Grün hat gemeinsame Anträge von Regierungsfraktionen und Opposition verhindert. Wir waren an mehreren Stellen dazu bereit", sagt sie. Und überhaupt: Der ewige Ruf in der Landtagspolitik, die CDU müsse mehr inhaltliches Profil zeigen, lässt sie nicht gelten. Dann zählt sie auf, wo die CDU eigene Konzepte vorlegte: bei der Kommunalreform (Kreise einbeziehen), bei der Landesplanung (LEP IV), bei der Justizreform (Plädoyer für einen überparteilichen Konvent), in der Pflege und bei der Einhaltung der Schuldenbremse.
Wer macht den ersten Zug?



Zugleich schickt Klöckner kooperative Signale in Richtung Malu Dreyer. Die beiden kennen sich schon lange. Ihr Verhältnis hat bisher keinerlei ernstliche Trübungen erfahren. Dreyer war immerhin dort drei Jahre Bürgermeisterin, wo Julia Klöckner zu Hause ist: in Bad Kreuznach.
Doch nun sind die Karten neu gemischt. Klöckner hat ihrer künftigen Rivalin einen persönlichen Brief geschickt. Über den Inhalt schweigt sie sich aus. Darin wird sicher von Dialogbereitschaft und gutem Miteinander die Rede sein.
"Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Malu Dreyer", sagt sie. Und: "Sie muss jetzt erst einmal im Amt ankommen. Diese Zeit werden wir ihr lassen." Die CDU reicht der neuen Ministerpräsidentin symbolisch die Hand. Was das wert ist, wird sich zeigen. Dreyer hat diesen Impuls - ebenfalls Polit-Profi - gleich öffentlich aufgegriffen: "Ich gehe davon aus, dass wir einen gemeinsamen Stil finden, bei dem es um den sachlichen Austausch von Argumenten geht", erklärte die Sozialministerin jüngst. Die Betonung dürfte auf "sachlich" und "Argumente" liegen.
Dreyer verpackt in netten Worten, was sie von der CDU erwartet: mehr Programm, weniger Polemik. So propagiert das die SPD seit geraumer Zeit.
Das Band der Verständigung dürfte vorerst noch aus dünnem Stoff gewebt sein. Beide Seiten werden abwarten, wer den ersten Zug macht. Ein paar kritische Spitzen kann sich Julia Klöckner dennoch nicht verkneifen. Malu Dreyer tritt der Christdemokratin ein wenig zu unschuldig auf, als hätte sie mit der Nürburgring-Pleite ganz und gar nichts zu schaffen. Klöckner kratzt dieses Bild an. "Malu Dreyer war in den vergangenen zehn Jahren in alle wichtigen Kabinettsentscheidungen eingebunden", erinnert die CDU-Chefin.
"Und sie war nicht dafür bekannt, kritische Fragen zu stellen", stichelt die Oppositionsführerin. Versuchen die Christdemokraten, auch Dreyers Verantwortung für das Desaster am Nürburgring herauszuarbeiten?
Klöckner sieht die SPD und Dreyer am Scheideweg. Die Genossen müssen ihrer Ansicht nach entscheiden, ob sie weiter auf Becks Pfaden wandeln oder ob sie neue Wege probieren und sich vom Altmeister emanzipieren. Daran will die Opposition Dreyer messen.
Klöckner formuliert das so: "Wir werden beobachten, ob Malu Dreyer das System Beck fortführt oder ob sie einen wirklichen Neuanfang macht." Aus CDU-Sicht heißt die Frage: Legt die SPD die Arroganz der Macht ab? Doch Dreyer sieht keinen Grund für einen Kurswechsel. "Rheinland-Pfalz wurde die vergangenen 20 Jahre einfach sehr gut regiert", sagt sie gegenüber der Rhein-Zeitung. Da klaffen erste Gräben auf. Es wird spannend, ob die beiden starken Frauen der Landespolitik die politische Kluft vergrößern oder Brücken bauen.

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