Politiker zahlen reumütig Steuern nach

Berlin · Politiker aus dem Bundestag sorgen mit Steuergeständnissen gerade reihenweise für Schlagzeilen. Die vermeintliche Stolperfalle: Berlins Zweitwohnungsteuer.

Berlin. Grünenfraktionschef Anton Hofreiter hat die Anmeldung "einfach aus den Augen verloren". Der Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski spricht von einem "privaten Versäumnis". Und Maria Klein-Schmeink (Grüne) gibt an, die Abgabe als neue Abgeordnete "in dem Wust von neuen Anforderungen und Informationen" übersehen zu haben. Was die Bundestagsabgeordneten versäumt haben: Ihre Zweitwohnung in Berlin anzumelden und dafür Steuern zu zahlen. Das ist in der Hauptstadt Pflicht - und längst nicht nur dort.

Kommunen kassieren ab


Laut Statistischem Bundesamt verdienten deutsche Kommunen mit der Abgabe im vergangenen Jahr rund 110,3 Millionen Euro. Das war doppelt so viel wie noch zehn Jahre zuvor. Ob Zweitwohnsitze besteuert werden, entscheiden Städte und Gemeinden selbst. Wie viele einzelne Kommunen mitkassieren, erfasst das Bundesamt nicht. Hamburg, München und Mainz zum Beispiel haben eine solche Abgabe. Die Bankenstadt Frankfurt nicht. "Wir würden den Firmen hier das Leben schwermachen", sagt ein Stadtsprecher. Denn die Steuer trifft oft Pendler. Aber auch Studenten.
Zur Kasse bitten die Kommunen die Menschen, die dort einen zweiten Wohnsitz haben. In der Regel müssen dann etwa zehn Prozent der Nettokaltmiete abgegeben werden, schätzt der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Betriebs- und Heizkosten zählen nicht mit. In Berlin sind es fünf Prozent der Kaltmiete, wenn man dort länger als ein Jahr wohnt. "Es gibt ganz viele unterschiedliche Regelungen", erklärt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler. Und die vielen Regeln sorgen für manchen kuriosen Fall und Rechtsstreit.
In Greifswald wurde vor Gericht mal entschieden, dass die Abgabe auch für eine Gartenlaube fällig werden kann. In Berlin muss man auch für Wohnwagen und Hausboote zahlen - wenn sie nicht bewegt werden.
Das Bundesverfassungsgericht musste die Abgabe schon mehrfach verhandeln. Für Ehepaare schuf das höchste deutsche Gericht eine Ausnahme: Zieht ein Partner wegen des Jobs um, muss er für den Zweitwohnsitz keine Steuer zahlen. Kritiker der Abgabe sprechen von "unfairer Abzocke" oder einer "dritten Miete". Die Kommunen sehen das ganz anders.
Uwe Zimmermann vom Städte- und Gemeindebund findet: "Das ist eine Frage der Gerechtigkeit." Denn für Erstwohnsitze bekämen Kommunen anteilig Geld aus Zuweisungen vom Land. Für Menschen mit Zweitwohnsitz nicht, obwohl auch sie Parks, öffentliche Schwimmbäder oder Bibliotheken nutzten. Mit der Zweitwohnungsteuer hole sich die Kommune einen Teil der Kosten zurück, erklärt Zimmermann.
Die Steuer macht der Verwaltung aber auch Arbeit. "Wenn das eine Handvoll Personen betrifft, dann lohnt sich das nicht."
In Berlin scheint es sich aber zu rechnen. Der Hauptstadt brachte die Abgabe im vorigen Jahr etwa 2,69 Millionen Euro ein — für etwa 17 000 Zweitwohnungen. Wer dort hinzieht, muss sich beim Bürgeramt melden. Das Finanzamt erfährt dann automatisch vom Erst- oder Zweitwohnsitz.
50 Euro Begrüßungsgeld


"Landes- und Gemeindesteuern sind keine Steuern zweiter Klasse, die man einfach so vergessen oder ohne Konsequenzen ignorieren kann", sagt Berlins parteiloser Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Das Melde- und Steuerrecht gelte für alle. Dafür, dass neue Studenten in der Stadt ihren Erstwohnsitz anmelden, bekommen sie sogar 50 Euro Begrüßungsgeld. Aus dem Bundestag haben mittlerweile sieben Abgeordnete eingeräumt, ihren zweiten Wohnsitz nicht versteuert zu haben. "Dass ich für die Zweitwohnung steuerpflichtig bin, war mir nicht bewusst", teilte Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) mit. Der CDU-Abgeordnete Michael Kretschmer sagte zu seinem Versäumnis: "Das ist superärgerlich." Und der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen (SPD) will nun nachzahlen, so wie andere. Manche nennen Summen von 1500 Euro oder 2500 Euro. Ob Strafen auf sie zukommen, muss nach Angaben der Senatsverwaltung im Einzelfall geprüft werden.
Vom Bundestag bekommen die Politiker einen besonderen Service: Ziehen sie neu ins Parlament ein, erhalten sie jede Menge Infomaterial. Erwähnt wird da auch die Zweitwohnungsteuer.Extra

Eine Zweitwohnungs- oder Nebenwohnsitzsteuer müssen in manchen Kommunen Menschen bezahlen, die mehrere Wohnungen haben. Das sind oft Studenten, die bei ihren Eltern gemeldet sind, aber eine Wohnung oder ein Zimmer am Studienort haben. Ob die Steuer erhoben wird, entscheidet eine Stadt selbst. Die Abgabe, in der Regel etwa zehn Prozent der Kaltmiete, wird damit begründet, dass die Einwohner mit Zweitwohnsitz zwar teure Einrichtungen wie Schwimmbäder, Theater und öffentlichen Nahverkehr nutzen, ihre Steuern aber am Hauptwohnsitz zahlen. Rechtlich muss der Hauptwohnsitz in der Stadt angemeldet werden, in der jemand die meiste Zeit des Jahres lebt. Die Stadt Trier erhebt seit 2007 eine Zweitwohnsitzsteuer. Laut Presseamt hatten drei Jahre später rund 500 Personen ihren Zweitwohnsitz in Trier angemeldet. Das brachte im Jahr 2010 Steuereinnahmen von rund 160 000 Euro. Die Steuer wurde jedoch vor allem deshalb eingeführt, um die zahlreichen Studenten dazu zu bewegen, ihren Hauptwohnsitz nach Trier zu verlagern. Denn mehr Bürger bedeuten mehr Einnahmen: Dass in Trier mehr als 100 000 Menschen leben, bringt der Stadt zusätzliche Einnahmen, wie zum Beispiel Zuweisungen aus dem Finanzausgleich - 475 Euro pro Bürger. dpa/red

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