Politikprofessor der Uni Trier: "Deutschland war bereits im Fadenkreuz"

Trier/Berlin · Die Franzosen erwarten zu Recht, dass Deutschland sich ihnen im Kampf gegen den Terror anschließt, sagt Manuel Fröhlich, Politikprofessor an der Universität Trier im Volksfreund-Interview. Ein Krieg sei dies nicht.

Politikprofessor der Uni Trier: "Deutschland war bereits im Fadenkreuz"
Foto: (g_pol3 )

Deutschland zieht in den Kampf gegen den Terror. Volksfreund-Redakteurin Katharina de Mos hat mit Manuel Fröhlich, Professor für Internationale Beziehungen und Außenpolitik an der Universität Trier, über Chancen und Risiken dieses Einsatzes gesprochen.

Herr Professor Fröhlich, sind wir jetzt im Krieg?
Manuel Fröhlich: Technisch gesehen redet man von bewaffnetem Konflikt. Krieg ist eine Zuspitzung davon. Das Wort Krieg ist mit Assoziationen verbunden, gerade in Deutschland, die nicht zu solch neuen Herausforderungen wie dem Kampf gegen den Islamischen Staat passen. In Konfrontation mit Terrorgruppen wäre es auch falsch zu glauben, dass der Konflikt wie bei einem Krieg in einigen Monaten vorbei und für immer gewonnen ist. Es wird keinen Friedensvertrag mit Terroristen geben.

Wie bezeichnen Sie das dann?
Fröhlich: Das ist ein bewaffneter Konflikt zwischen einer Allianz von Staaten, die eine nichtstaatliche Terrorgruppe gegen sich hat. Einige Beobachter sehen das eher wie eine Art Polizeiaktion oder ein internationales Sondereinsatzkommando.

Was will der Islamische Staat?
Fröhlich: Er verfolgt die langfristigen Ziele einer sehr totalitären Ideologie: Er will sein Kalifat ausbreiten und erreichen, dass möglichst viele Menschen nach seinen Glaubenssätzen und Verhaltensregeln leben. Dieses Ziel ist nicht auf den Nahen Osten begrenzt. Kurz- und mittelfristig geht es um ein typisches terroristisches Kalkül: Ich will den Gegner in eine gewalttätige Ausein-andersetzung verwickeln, die er nicht gewinnen kann, die immer neue Opfer fordert und Uneinigkeit in seine Reihen bringt.

Hat der IS sein Ziel dann nicht schon erreicht?
Fröhlich: Es ist tatsächlich so, dass der IS sich erhofft hat, auf internationaler Ebene als Gegner wahrgenommen zu werden. Das empfindet er als Anerkennung. Auf der anderen Seite gibt es eine Zwangslogik im Umgang mit dem Terrorismus: Sie können nur wählen zwischen Varianten, die Nachteile haben.

Wie bewerten Sie den geplanten deutschen Militäreinsatz?
Fröhlich: Er ist ein Zeichen der Solidarität. Was, wenn Deutsche das primäre Ziel von terroristischen Angriffen gewesen wären? Die französische Regierung und das französische Volk haben die berechtigte Erwartung, dass der Nachbar und enge Freund an der Seite von Paris steht. Das Ausmaß der militärischen Unterstützung ist ziemlich kalkuliert. Es geht ja nicht darum, die Masse der Jagdbomber zu erhöhen oder gar Bodentruppen einzusetzen. Sondern es sind Maßnahmen in Aufklärung, Logistik, Absicherung - nicht in der ersten Kampfeslinie, aber aus Sicht der Franzosen dort, wo bisher eine Lücke bestand. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung den Einsatz der Bundeswehr völkerrechtlich absichert.

Müssen wir mit Vergeltungsschlägen rechnen?
Fröhlich: Glaubt man den Drohungen des IS, dann befindet er sich im Kampf gegen die westliche Lebensart als solche, und das hat dazu geführt, dass Deutschland schon vor den geplanten Militäroperationen in das Fadenkreuz möglicher Anschläge gerückt ist. Die konkrete Beteiligung Deutschlands ändert daran nichts - auch wenn in Drohvideos oder Aktionen sicher darauf verwiesen werden wird. Die grundsätzliche Bedrohung bleibt.

Wie sehen Sie das Bündnis mit Russland?
Fröhlich: Russlands Wünsche sind nicht deckungsgleich mit denen anderer Nationen. Da ist der Wunsch, wieder mit den westlichen Staaten zusammenzuarbeiten, die Krim aus dem Scheinwerferlicht zu nehmen, Baschar al-Assads Macht zu erhalten und sich den geostrategischen Einfluss in Syrien zu sichern. Russland hat dort ja mehrere Militärstützpunkte. In dem Bündnis verbinden sich kurz-, mittel- und langfristige regionale und globale Ziele und unterschiedliche Präferenzen bei der Unterstützung kleiner Gruppen in Syrien. Das ist wie ein schwer zu kalkulierendes Mobile. Der Effekt ist aber, dass Russland mit dem Westen redet und Militärabsprachen trifft. Ob sich daraus mehr ergibt, wird man sehen. Das diplomatische Treffen in Wien hat etwas Hoffnung geweckt.

Haben die Militäroperationen überhaupt Aussicht auf Erfolg?
Fröhlich: Schon seit mehr als einem Jahr werden militärische Schläge gegen das Netzwerk vollführt. Es ist eine Militäraktion, bei der das strategische Ziel nicht eindeutig definiert ist. Die Beteiligten haben aber entschieden, dass Nichtstun die schlechtere Variante wäre. Neben einer diplomatischen Lösung des innersyrischen Konflikts muss es Ziel sein, die Finanzströme, die sich der IS erschlossen hat, einzudämmen, um seine weitere Ausbreitung zu verhindern.

Wie geht es für Syrien weiter, falls es gelingt, den IS zu bezwingen?
Fröhlich: Das ist eine langwierige, schwierige Aufgabe. Das Land braucht eine neue Verfassung und ein neues Kräfteverhältnis, bislang unterdrückte Minoritäten müssen ein Mitspracherecht bekommen. Seit vier Jahren tobt dort ein unfassbar blutiger Bürgerkrieg. Das öffentliche Leben ist zusammengebrochen. Die Menschen sind von den Gräueltaten traumatisiert. Das ist eine auch psychologische Wiederaufbau- und Versöhnungsarbeit, die mehrere Generationen beschäftigen wird. Auch die Reintegration von Flüchtlingen muss gelingen.

Hat die Bundesregierung auch wegen der vielen Syrer, die hier sind, ein Interesse, den Konflikt mitzulösen?
Fröhlich: Absolut. Sie hat das klare Interesse, die Fluchtursache einzudämmen. Das kann man aus humanitären Gründen verfolgen, aber auch wegen der hohen Belastung in Deutschland.Extra

Prof. Dr. Manuel Fröhlich (43, Foto: privat) leitet den Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Außenpolitik der Universität Trier. Forschungsschwerpunkte: Außenpolitik und Diplomatie, internationale Organisationen sowie Friedens- und Konfliktforschung. Mos

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort