Provokationen eines Professors

TRIER. Unter dem Titel "Werksta(d)tt Trier" trafen sich Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter und Experten, um über "die Auswirkungen der künftigen künftigen Bevölkerungsentwicklung auf die StadtRegion Trier" zu beraten.

Landrat Richard Groß war sichtlich irritiert. Der bislang eher unbekannte Begriff "StadtRegion" machte dem Chef des Kreises Trier-Saarburg zu schaffen. Die Schreibweise mit dem großen "R", die die Veranstalter vom Trierer Amt für Stadtentwicklung in ihrer Einladung benutzt hatten, ließ er noch durchgehen, war doch der besondere Status der Region immerhin buchstäblich erkennbar. Aber im Manuskript des Hauptreferenten, dem Stuttgarter Professor Peter Treuner, war nur noch von "Stadtregion" die Rede, so, als sei das Umland nur noch ein Anhängsel. Und das bewegte den besorgten Kommunalpolitiker zu einer Intervention im zuständigen Workshop. Die Empfindsamkeit war durchaus verständlich angesichts der Provokationen, die Treuner - als Wissenschaftler politisch nicht angreifbar - in seinem Hauptreferat unter das Publikum aus Bürgermeistern, Ratsmitgliedern, Wirtschaftsvertretern, Professoren und Multiplikatoren gestreut hatte. Klartext war angesagt gegen die, wie Treuner formulierte, "gefährliche Gemütlichkeit" der Deutschen im Umgang mit den Folgen der demographischen Entwicklung. In China habe man umfassende Neuordnungen für eine Region mit 33 Millionen Menschen "binnen sechs Monaten" bewerkstelligt. In Deutschland ist man auch nach sechs Jahren meist keinen Deut weiter, wenn es um schmerzhafte Entscheidungen in der Regionalpolitik geht. Bund und Land "drücken sich um das Thema Raumordnung", schimpfte Treuner, deshalb müssten die Kommunen "auf freiwilliger Basis" und "aus purem Eigennutz" die Weichenstellungen vornehmen. Die Chancen dafür dürften nicht sonderlich gut stehen angesichts der Radikalkur, die der Professor für die Region Trier vorschlägt. Vor dem Hintergrund des Bevölkerungsschwundes und der Notwendigkeit,wirtschaftliche Ressourcen zu bündeln, hält Treuner eine "Festlegung der Standorte für öffentliche Infrastruktur" für notwendig. Was ihm dabei vorschwebt, ist eine klare Hierarchie: Die Stadt Trier als "zentrale Regionalhauptstadt und elementarer Bestandteil einer Achse Trier-Luxemburg", die "unter Einsatz aller Instrumente gefördert werden soll". Danach "einige wenige zentrale Orte", gefolgt von neu festzulegenden "Achsengemeinden" entlang der Verkehrswege, "die sich die Region langfristig leisten kann". Parallel müsse es zu einer "räumlichen Konzentration aller Entwicklungsmaßnahmen" kommen.Nur noch wenige Orte sollen wachsen

Mit anderen Worten: Die Region soll entscheiden, wo sie in Zukunft noch wachsen will. Mit dem logischen Umkehrschluss, dass andernorts die Bürgersteige endgültig hochgeklappt werden. Vom "ländlichen Raum" solle man dann besser gar nicht mehr reden, schlug Treuner vor, "lieber von Landschaft". Konsequenterweise müsse sich auch die öffentliche Verwaltung der Entwicklung anpassen, forderte der renommierte Wissenschaftler. Dazu bedürfe es einer "neuen, Synergie-orientierten Verwaltungs- und Gebietsreform". Solche Vorschläge auf ihre Umsetzungs-Chancen abzuklopfen, ist nicht zwangsläufig Aufgabe eines Wissenschaftlers. All zu viel Optimismus mochte Treuner freilich nicht verbreiten. "Ohne Zwang von Bund und Land" sei eine Realisierung der unpopulären, aber notwendigen Einschnitte unwahrscheinlich. Da könnte der Professor durchaus richtig liegen. Die Mehrzahl der Landräte und Bürgermeister aus der Region war zu der Ideen-Werkstatt über das brennende Thema nicht einmal erschienen.

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