Prüfung unter Vorbehalt - Einbrecher stehlen Abituraufgaben

Saarbrücken · Unbekannte haben in den Saarbrücker Günter-Wöhe-Schulen für Wirtschaft einen Tresor mit sämtlichen Abituraufgaben entwendet. Bei den Prüfungen in BWL und VWL war es zu spät, Ersatzaufgaben bereitzustellen.

Eigentlich war alles so wie immer, als Michael Ney, der Schulleiter der Saarbrücker Günter-Wöhe-Schulen für Wirtschaft, gestern Morgen die Schule betrat. Selbst als er hörte, jemand sei über das Wochenende in die Schule eingebrochen, blieb er erst einmal ruhig: "Das ist ja wirklich nicht unüblich, dass in Schulen im Regionalverband eingebrochen wird." Erst im Dezember hatten Einbrecher in der Schule mehrere Tausend Euro erbeutet. "Wir haben da ja Erfahrungen drin. Deshalb ist in unserem Tresor auch nur noch wenig Geld."

Doch ausgerechnet an diesem Wochenende war im Schultresor etwas deutlich wertvolleres als Bargeld: Die Abituraufgaben für die Fächer Volkswirtschaftslehre (VWL), Betriebswirtschaftslehre (BWL), Französisch, Mathematik, Chemie und Physik. "Das war mein primärer Gedanke: Wo sind die Abituraufgaben", sagt Ney: "Wir haben sofort im Bildungsministerium Bescheid gesagt." Schließlich standen noch am selben Tag die Prüfungen in BWL und VWL an. Prüfungen, deren Aufgaben womöglich schon jemand kannte. Und da im Saarland alle Schüler dieselben Aufgaben bekommen, stand zumindest an den sechs saarländischen Oberstufengymnasien mit Fachrichtung Wirtschaft plötzlich die gesamte Prüfung infrage. "Es musste gehandelt werden. Wir haben uns dann entschieden, die Prüfungen schreiben zu lassen. Wenn auch unter Vorbehalt", sagt Ministeriumssprecher Jürgen Renner. Um acht Uhr, rechtzeitig vor Prüfungsbeginn, teilte das Ministerium den Schulen seine Entscheidung mit. Die Prüfungen konnten beginnen.

Das Bildungsministerium hat zwar für solche Fälle eigentlich Ersatzaufgaben in der Hinterhand. Doch um die Prüfungen für die 172 Abiturienten in BWL und die 27 Abiturienten in VWL noch rechtzeitig in die Schulen zu bekommen, war es zu spät. "In den anderen Fächern konnten wir die Ersatzaufgaben an die Schulen schicken. Die sind dann rechtzeitig zu den Prüfungen da", sagt Renner. In den Fächern Französisch, Mathematik, Chemie und Physik können also reguläre Prüfungen geschrieben werden, wenn auch mit neuen Aufgaben. Zumal hier noch deutlich mehr Schulen betroffen wären.

Wer die Täter sind, darüber gibt es bis jetzt noch keine Erkenntnisse. Auch nicht darüber, ob eventuell Schüler in den Einbruch verwickelt sind. "Das wäre reine Spekulation", heißt es von der Polizei. Zumal Einbrüche in Schulen immer wieder vorkommen. Auch Renner hält es für "unwahrscheinlich", dass es bei dem Einbruch um die Abituraufgaben ging.

Die werden jedes Jahr in versiegelten Umschlägen an die saarländischen Schulen verschickt, geöffnet werden sie erst unmittelbar vor den Prüfungen, auch um zu verhindern, dass die Schüler vorzeitig an die Abituraufgaben kommen.

Jetzt will das Bildungsministerium erst den weiteren Prüfungsverlauf abwarten und dann kontrollieren, ob die Prüfungen korrekt abliefen oder nachgeholt werden müssen. Zumal sich wegen des Zentralabiturs schwer sagen lässt, ob sich ein etwaiger Verdacht nur auf die Günter-Wöhe-Schulen beschränkt oder ob auch die sechs anderen Wirtschaftsgymnasien geprüft werden müssen. Der Landesschülersprecher des Saarlandes, Florian Weimann, forderte bereits gestern, die Handhabe der Abituraufgaben zu überdenken, "um einen derartigen Fall in Zukunft voll auszuschließen".

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