„Unverzügliche Aufarbeitung unabdingbar“ Konzert von Rammstein-Sänger Lindemann in Trier: Was die Arena plant, um Fans zu schützen

Trier · Mehrere Frauen haben schwere Vorwürfe gegen den Rammstein-Sänger Till Lindemann erhoben. Dabei geht es unter anderem um sexuelle Gewalt. Nun sollen auch für sein Konzert in Trier Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.

Mehrere Frauen haben gegen den Sänger der Band Rammstein, Till Lindemann, Vorwürfe erhoben.

Mehrere Frauen haben gegen den Sänger der Band Rammstein, Till Lindemann, Vorwürfe erhoben.

Foto: picture alliance / Jens Kalaene/dpa/Jens Kalaene

Nach München erreicht der Skandal um Rammstein-Sänger Till Lindemann auch Trier, wo der provokante Metal-Künstler am 20. November in der Arena zu sehen sein soll.

Mehrere Frauen erheben schwere Vorwürfe gegen Lindemann. Gegenüber NDR und Süddeutscher Zeitung beschrieben sie, wie zahlreiche junge Frauen offenbar gezielt rekrutiert wurden, um mit dem Rammstein-Sänger Sex zu haben. Zwei Frauen berichten zudem von sexuellen Handlungen, denen sie nicht zugestimmt hätten.

„Auch uns haben die geäußerten Vorwürfe sehr erschüttert und natürlich beobachten wir die Entwicklungen in diesem Fall sehr genau“, sagt Oliver Thomé, Chef des Konzertveranstalters Popp Concerts. Bis zur Show in der Arena Trier seien es noch etwa fünf Monate, „aber die Anschuldigungen wiegen so schwer, dass eine unverzügliche Aufarbeitung der Vorfälle unabdingbar ist“.

Strengere Sicherheitsregeln für Rammstein-Konzerte in München

Für die vier Konzerte, die die Band Rammstein bis zum 11. Juni im Münchner Olympiastadion gibt, gelten nun strengere Sicherheitsmaßregeln: So soll die Reihe null direkt vor der Bühne abgeschafft werden und die berüchtigten After-Show-Partys untersagt sein. Verwaltungsmitarbeiter und Polizei wollen vor Ort für Sicherheit sorgen.

Drei Münchener Stadtratsfraktionen fordern zudem sichere Räume für Frauen und Mädchen sowie „Awareness-Teams“, also Menschen, die auf Konzerten als Ansprechpartner bei sexueller Gewalt und Übergriffen Hilfe leisten können. Selbst Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat sich in die Debatte eingeschaltet und fordert mehr Schutz für Frauen bei Konzerten: „Gerade junge Menschen müssen hier vor Übergriffen besser geschützt werden", sagte Paus der Nachrichtenagentur AFP. Eine Absage der ausverkauften Konzerte ist nicht geplant.

Im November gibt Till Lindemann ein nicht jugendfreies Konzert in Trier: Arena plant Sicherheitsmaßnahmen

Mit seiner „brachialen Energie“, mit „gewaltigen Texten“, mit einer nicht jugendfreien Show und dem Ballast schwerer Vorwürfe wird Trier im November zur Station von Lindemanns Solo-Europa-Tour. Für Popp Concerts ist dies der erste Kontakt mit Lindemann. Die zuständige Agentur sei auch nicht die gleiche, die die aktuellen Rammstein-Shows betreue.

Die Messe- und Veranstaltungsgesellschaft (MVG) Trier kündigt auf TV-Anfrage jetzt schon Sicherheitsmaßnahmen für das Lindemann-Konzert an. Um Menschen vor übergriffigen Handlungen oder sexualisierter Gewalt zu schützen, habe man bereits an Fastnacht in der Arena und in der Europahalle „ein Awareness-Konzept samt Safe Space für Betroffene oder Personen, die sich unwohl fühlen, erprobt. Wir werden dieses Angebot auch für Events wie das am 20. November geplante Konzert von Till Lindemann anwenden und gegebenenfalls dafür anpassen“, teilt Pressesprecher Daniel Orth mit.

„Wir behalten uns zudem in Absprache mit dem Veranstalter weitere Maßnahmen vor und werden die Entwicklung rund um Till Lindemann und Rammstein weiterhin genauestens verfolgen.“ Der Schutz der Besucherinnen und Besucher gehe vor allem anderem.

Verlag und Drogeriemarkt distanzieren sich von Lindemann

Infolge der Vorwürfe hat die Drogeriekette Rossmann die Rammstein-Parfüms mit Namen wie „Pussy“, „Sex“ und „Kokain“ aus dem Programm genommen. Auch der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch, der Gedichte von Lindemann verlegt hatte, hat die Zusammenarbeit für beendet erklärt.

System des Machtmissbrauchs: Zugang zu Aftershow-Partys nur bei Interesse an Geschlechtsverkehr mit Lindemann

Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung hatten erstmals ausführlich ein System des Machtmissbrauchs beschrieben: Mehr als ein Dutzend Frauen berichtet in Gesprächen mit den Reportern, wie sie von Menschen aus dem Umfeld von Lindemann gezielt angesprochen worden seien, häufig über Instagram oder direkt auf den Konzerten, um zu speziell für Lindemann organisierten Aftershowparties zu kommen.

Viele Frauen hätten im Vorfeld Fotos von sich schicken sollen oder es seien vor Ort Fotos und Videos gemacht worden. Die Frauen wurden zuvor gebeten, sich attraktiv zu kleiden, sich auf eine bestimmte Art und Weise zurecht zu machen. Mehrere dieser Frauen haben ihre Erzählungen an Eides statt versichert. Zudem belegen laut NDR und Süddeutscher Zeitung zahlreiche Screenshots von WhatsApp- und Instagram-Chats sowie Fotos die Aussagen dieser Frauen.

Einer Frau sei kommuniziert worden, dass es den Zugang zu Konzert und Aftershow-Party nur bei Interesse an Geschlechtsverkehr mit Lindemann gebe – und dass der inzwischen 60-jährige Lindemann nur sehr junge Frauen dabeihaben wolle. Die Frauen seien teilweise nicht nach ihrem Alter gefragt worden, obwohl ihnen auf den Parties kostenlos Alkohol und illegale Drogen angeboten worden seien.

In einem Fall berichtet eine damals 22-jährige Frau, vor einem Konzert im Jahr 2020 mit Lindemann sehr unvermittelt Sex in einer Garderobe gehabt zu haben. Die Frau habe nicht ausdrücklich Nein gesagt, sich aber extrem unwohl gefühlt, habe Schmerzen gehabt, sei verkrampft gewesen und habe geblutet. Sie beschreibt den Geschlechtsverkehr als gewaltvoll. Trotzdem habe Lindemann nicht aufgehört. Heute bezeichnet die Frau den Sex mit Lindemann als Übergriff und als Machtmissbrauch.

In einem weiteren Fall berichtet eine damals 21-jährige Frau, auf einer Aftershowparty Lindemanns in einem Hotelzimmer besinnungslos auf dem Bett gelegen zu haben. Nach ihrer Erinnerung habe Lindemann auf ihr gelegen als sie wieder zu sich gekommen sei und sie gefragt, ob er aufhören solle. Die Frau habe danach wieder die Besinnung verloren. Später habe ihr jemand Drogen angeboten. Am nächsten Morgen sei die Frau in einem anderen Hotelzimmer aufgewacht.

Rammstein schaltet nach Vorwürfen Anwälte ein

Vor wenigen Tagen hatte die Irin Shelby Linn behauptet, am Rande eines Rammstein-Konzertes in Vilnius unter Drogen gesetzt worden zu sein. Auf Social Media entgegnete die Band darauf: „Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschließen, dass sich was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat. Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt.“ Auf Social Media gibt es seit Tagen eine massive Kampagne, die die Band gegen die Vorwürfe verteidigt. NDR und SZ liegt ein Screenshot vor, der zeigt, dass die Kampagne aus dem Umfeld von Lindemann mitgesteuert wird.

Rammstein wehrt sich gegen eine Vorverurteilung und schrieb zu alledem am auf Instagram. „Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen und wir nehmen sie außerordentlich ernst.“

Inzwischen hat die Band dpa zufolge Anwälte eingeschaltet, um den Vorwürfen selbst nachzugehen. Zudem soll sie laut Welt eine Assistentin entlassen haben, die die jungen Frauen gezielt für Lindemann ausgewählt haben soll.

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