Rauchen ist in der Region besonders tödlich

Trier · Rauchen ist tödlich. Ganz besonders in der Region Trier, wo wegen exzessiven Zigarettenkonsums viel mehr Menschen an Lungenkrebs erkranken als im Rest des Landes. Mediziner fordern höhere Tabaksteuern, strengere Gesetze und eine bessere Prävention.

Trier. Verfaulende Zähne, eiternde Geschwüre, verstümmelte Zehen - wer in Australien Zigaretten kaufen will, muss ab Dezember hartgesotten sein. Denn ein neues Gesetz sieht vor, dass Zigarettenpackungen nicht nur einheitlich olivgrün sind, sondern Raucher auch mit schockierenden Bildern abschrecken.
Im Vergleich dazu können Raucher ihrem Laster in Rheinland-Pfalz entspannt frönen. Denn das Gesetz (siehe Extra) lässt ihnen dank der Ausnahmeregelungen für Gaststätten relativ viel Freiheit. Was die einen freut, bereitet anderen Sorgen. Die gesundheitlichen Folgen sind schließlich bekannt. Bundesweit sterben im Jahr rund 140 000 Menschen an Erkrankungen, die auf das Rauchen zurückzuführen sind und 3300 Menschen an den Folgen des Passivrauchens. In Rheinland-Pfalz sterben laut Gesundheitsministerium jährlich etwa 2100 Menschen an bösartigen Neubildungen in der Luftröhre, den Bronchien und der Lunge.
Besonders viele von ihnen leben in der Region Trier. Hatten 2008 landesweit 38 von 100 000 Bürgern Lungenkrebs, so waren es in Trier 52. Auch bei den Frauen liegt der Wert laut Krebsregister Rheinland-Pfalz mit 24 von 100 000 deutlich höher als im Landesschnitt (16 von 100 000). Das Trierer Gesundheitsamt ist vor einigen Jahren der Frage nachgegangen, woran das liegt und kam zu dem Schluss, dass die überdurchschnittliche Lungenkrebsrate in der Region die Folge eines exzessiven Zigarettenkonsums ist. Die niedrigen Zigarettenpreise in Luxemburg spielen dabei wahrscheinlich eine wesentliche Rolle.
"Wichtigster Risikofaktor für die Entstehung eines Lungenkarzinoms ist das Zigarettenrauchen", sagt Dr. Joachim Vogt, Chefarzt der Pneumologie im Trierer Brüderkrankenhaus. Wie das Trierer Gesundheitsamt hält er die Erhöhung der Tabaksteuer für einen Weg, den Zigarettenkonsum einzudämmen. Auch das Rauchverbot in öffentlichen Räumen gehe in die richtige Richtung. "Bedenken sollte man allerdings, dass Nikotin annähernd das Abhängigkeitspotenzial von Heroin und Kokain besitzt", sagt er. Selbst die besten Methoden der Raucherentwöhnungsprogramme hätten lediglich eine Erfolgsrate von etwa 30 Prozent. Daher sei es wichtig, Kinder und Jugendliche über die Risiken aufzuklären, um den Start einer Raucherkarriere zu verhindern.
Für mehr Prävention und einen besseren Schutz der Nichtraucher spricht sich auch Dr. Richard Werkmeister, Vorsitzender der Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz, aus. Er lobt die Initiative des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums, das die Lücken im Gesetz schließen und den Nichtraucherschutz deutlich verbessern will. "Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo das Recht eines anderen beeinträchtigt wird", sagt Werkmeister. Und das gelte insbesondere, wenn die Gesundheit auf dem Spiel stehe. Was genau da auf dem Spiel steht, wird Australien seinen Rauchern bald erschreckend bildhaft vor Augen führen.Meinung

Eine feige Politik
Kettenraucher wissen: Rauchen ist meist kein Genuss. Rauchen ist eine Sucht. Schon der Gedanke daran, ohne Zigaretten aus dem Haus zu gehen, ist schlimm. Erst recht der Gedanke daran, mit dem Rauchen ganz aufzuhören. Den verdrängt man lieber. Auch wenn der allmorgendliche Husten davon kündet, was man dem eigenen Körper antut. Schnell weg mit dem Gedanken … In Rheinland-Pfalz fällt das leicht. Denn Rauchen ist hier noch immer salonfähig. Ja, wer raucht, hat in einer Stadt wie Trier sogar eine viel bessere Kneipenauswahl als die Nichtraucher. Denn ein großer Teil der kleinen Kneipen, der "echten Kneipen", erlaubt das Rauchen. Da kennt der Wirt seine Gäste noch. Da kennen sich die Gäste untereinander. Da geht man hin. Zur Not eben auch dann, wenn man dabei viel Rauch schluckt und sich beim Anblick der entspannt drinnen schmauchenden Raucher der Versuchung aussetzt, selbst (wieder) damit anzufangen. Muss das so sein? Wäre es so schlimm, das Rauchen ganz zu verbieten? Selbst von den Rauchern würde sich Umfragen zufolge die Mehrheit rauchfreie Kneipen wünschen. Und sei es nur, um nicht so zu stinken oder mal wieder gesellig draußen in einer Raucherecke zu stehen. Es wäre auch nicht der Tod der Kneipen: Das nach dem bayrischen Totalverbot befürchtete Kneipensterben blieb aus. In Bayern haben die Bürger übrigens selbst entschieden. Schade, dass den rheinland-pfälzischen Politikern der Mut dazu fehlt. k.hammermann@volksfreund.de (seit März Ex-Raucherin, vorher: zwei Päckchen am Tag) Schön, dass Politiker auch mal Gesetze machen können, die pragmatisch sind. Das rheinland-pfälzische Nichtraucherschutzgesetz gehört zu dieser Kategorie. Seit es in Kraft ist, sind qualmfreie Gaststätten die Regel. Aber es gibt eben auch die aus Rauchersicht Inseln der Glückseligkeit, auf denen nach wie vor gepafft werden darf. Es ist ein Gesetz, mit dem eigentlich jeder leben können müsste, weil es sich um eine Balance bemüht, die möglichst Nichtrauchern und Rauchern gerecht wird. Vier Jahre ist das rheinland-pfälzische Nichtraucherschutzgesetz inzwischen in Kraft. Und die gastronomische Praxis zeigt: Es hat sich bewährt, Gründe für großartige Korrekturen oder ein generelles Rauchverbot wie in manchen Nachbarländern gibt es nicht. Rauchen ist in Rheinland-Pfalz keineswegs immer noch salonfähig. Wer dies behauptet, verkennt die Realität oder ist ein militanter Nichtraucher. Es war eigentlich absehbar, dass sich diese Spezies mit dem Kompromiss nicht würde anfreunden können. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis auch in Rheinland-Pfalz die Tabakgegner zu einem neuerlichen Angriff auf die verbliebenen Raucher blasen würden. Sie werden nicht lockerlassen, bis die Politiker im Land reagieren und mehrheitlich davon überzeugt sind, dass es in Rheinland-Pfalz keinen Alleingang geben dürfe und Nichtraucher noch besser geschützt werden müssten. Schade, dass einem der wenigen pragmatischen Gesetze in nicht allzu ferner Zeit der Garaus gemacht wird. r.seydewitz@volksfreund.de (seit Dezember Ex-Raucher, vorher: gut ein Päckchen am Tag) Extra

Während andere Länder dazu übergehen, das Rauchen nicht nur in öffentlichen Gebäuden, Schulen, Kitas, Kinos oder Krankenhäusern, sondern auch in Gaststätten generell zu verbieten, gibt es in Rheinland-Pfalz noch diverse Ausnahmeregelungen, die dazu führen, dass beim Feierabendbier weiterhin gequalmt werden darf. Und an diesen Regelungen will das Land nach Auskunft des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums auch festhalten, da sie einen "guten Kompromiss" darstellten. Hier die aktuellen Regeln: Wenn Gaststätten über mehrere Räume verfügen, können sie das Rauchen in einem Nebenraum gestatten. Dieser muss allerdings kleiner als der Hauptraum der Gaststätte sein und so von diesem abgetrennt, dass die rauchige Luft nicht hineinkommt. In Einraumgaststätten, deren Gastraum kleiner als 75 Quadratmeter ist, kann das Rauchen erlaubt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass keine oder nur einfach zubereitete Speisen wie Brezeln, belegte Brote oder Frikadellen serviert werden. Kleine Restaurants, Bistros, Dönerläden oder Cafés können daher generell keine Rauchergaststätten sein. Eine weitere Bedingung ist, dass die Kneipe im Eingangsbereich deutlich auf die Raucherlaubnis hinweist. Für geschlossene Gesellschaften, die von Privatleuten organisiert werden, kann das Rauchverbot aufgehoben werden. Das gilt nicht für Vereinsfeiern. All diese Regeln gelten - theoretisch - auch für Festzelte. Wenn diese allerdings nur vorübergehend, an weniger als 21 Tagen an einem Standort betrieben werden, kann der Betreiber das Rauchen dennoch erlauben. Einzige Voraussetzung: Er muss darauf am Eingang des Festzeltes hinweisen. Die Tanzflächen von Diskotheken müssen rauchfrei bleiben. In abgetrennten Nebenräumen hingegen kann das Rauchen erlaubt werden. In Hotels gilt das Gesetz nur im Gaststättenbereich und der Lobby. Eine "Raucherpolizei" gibt es nicht und auch keine speziellen Kontrollen. Die Behörden werden dann tätig, wenn sie auf Missstände hingewiesen werden. Die Geldbußen liegen laut Gesetz bei maximal 1000 Euro. kahExtra

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes gibt es immer weniger Raucher. Während 2003 noch 27,6 Prozent der rheinland-pfälzischen Bevölkerung rauchten, ist dieser Anteil im Jahr 2009 auf 25,1 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der jugendlichen Raucher (zwölf bis 17 Jahre) ist noch stärker gesunken. Während nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 1979 deutschlandweit noch 30,2 Prozent aller Jugendlichen rauchten, ist dieser Anteil 2011 auf 11,7 Prozent zurückgegangen.

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