Reagan-Besuch beschert Bitburg weltweit Schlagzeilen

Bitburg · Heute vor 25 Jahren ist die Stadt Bitburg ungewollt in den Fokus der Weltöffentlichkeit geraten, als US-Präsident Ronald Reagan und Bundeskanzler Helmut Kohl Kränze auf dem Ehrenfriedhof Kolmeshöhe niederlegten. Die Tatsache, dass sich unter den dort beerdigten Soldaten auch 49 Mitglieder der Waffen-SS befanden, ließ den Präsidentenbesuch zum Eklat werden.

 Einsatz in Bitburg: Heftige Proteste gab es gegen den Besuch von US-Präsident Ronald Reagan und Bundeskanzler Helmuth Kohl 1985 auf dem Bitburger Soldatenfriedhof, auf dem auch Soldaten der Waffen-SS liegen. Foto: Polizei Rheinland-Pfalz

Einsatz in Bitburg: Heftige Proteste gab es gegen den Besuch von US-Präsident Ronald Reagan und Bundeskanzler Helmuth Kohl 1985 auf dem Bitburger Soldatenfriedhof, auf dem auch Soldaten der Waffen-SS liegen. Foto: Polizei Rheinland-Pfalz

Ende April 1985: Kurz vor Mitternacht läutet das Telefon von Werner Pies. Er ist zweiter Beigeordneter der Stadt Bitburg und gehört zum inneren Kreis derer, die den Besuch des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan in Bitburg koordinieren. Am anderen Ende der Leitung ist Lydie Hengen. Die Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit und Bindeglied zwischen den in Bitburg stationierten US-Amerikanern und der Bitburger Stadtverwaltung ist in heller Aufregung. "Werner, wir müssen raus auf die Kolmeshöhe!"

Statt gesuchten Parolen ein Zitat aus der Bibel

Mit Taschenlampen leuchten die beiden ins dunkle Innere des Turmes auf dem Soldatenfriedhof. Hengen ist vom Pentagon beauftragt worden, im Turm nach einem Spruch zu suchen, von dem die Amerikaner vermuten, er könne noch aus der unrühmlichen Nazi-Vergangenheit stammen. Doch statt einer martialischen Blut-und-Boden-Parole erspähen die beiden ein Zitat aus der Bibel (Johannes-Evangelium): "Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde." Der nächtliche Besuch auf dem Ehrenfriedhof liegt eine Woche vor dem Besuch Reagans in Bitburg zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 5. Mai 1945. Zu groß ist die Furcht des Pentagon, weitere bislang noch unentdeckte Nazi-Relikte könnten den Präsidentenbesuch endgültig zum Skandal machen.

Der Visite Reagans vorausgegangen sind einige organisatorische Fehler. Für die Geste der Versöhnung ist der Ehrenfriedhof Kolmeshöhe vorgesehen. Seit Bundeskanzler Helmut Kohl den Friedhof Wochen zuvor als Ort für das Gedenken an die Toten des Zweiten Weltkrieges und für das Symbol der Versöhnung zwischen Amerikanern und Deutschen ausgesucht hat, rollt eine beispielslose mediale Lawine über das Eifelstädtchen hinweg. Bitburg steht plötzlich ungewollt im Fokus der Weltöffentlichkeit. Stein des Anstoßes ist der Soldatenfriedhof Kolmeshöhe, auf dem 2000 gefallene Soldaten beerdigt liegen. Unter ihnen auch Angehörige der Waffen-SS - wie auf den Grabplatten zu lesen ist. Lange kursiert die Mär, bei der Besichtigung des Friedhofs habe der Berater Reagans, Michael Denver, die Grabplatten mit der SS-Aufschrift nicht sehen können, weil darauf Schnee gelegen habe. "An diesem Tag hat definitiv kein Schnee auf dem Friedhof gelegen", erinnert sich der Bitburger Stephan Garçon.

Als öffentlich wird, dass Reagan und Kohl den Friedhof aufsuchen werden, nimmt das Debakel für die Bitburger seinen Lauf. National wie international wächst der Druck auf die beiden Politiker. Forderungen, den Besuch abzusagen, werden laut. Kohl rückt trotz der fatalen Details nicht von seinen Plänen ab und hält an Kolmeshöhe als Ort der Zeremonie fest. Dabei hätte diese Panne vermieden werden können: Der Ehrenfriedhof ist der amerikanischen wie auch der französischen Garnison in Bitburg bekannt. Bei Kranzniederlegungen am Volkstrauertag hätten die Grabplatten bisher nie Unmut verursacht, macht Bitburgs Bürgermeister Theo Hallet seinerzeit deutlich.

Verunglimpfungen treffen Bitburger hart

In den Wochen bis zum Präsidentenbesuch gerät die Stadt Bitburg in eine beispiellose negative Berichterstattung. Bürgermeister Theo Hallet sieht sich vor den vielen Journalisten aus der ganzen Welt mehr und mehr als Anwalt der Stadt. Als "Nazi-Nest" und "SS-Stadt" wird Bitburg in den Medien tituliert. Eine Verunglimpfung, die die Bitburger hart trifft, leben sie doch mit den hier stationierten Amerikanern in einem bis dato ungetrübten, freundschaftlichen Verhältnis. Die amerikanisch-deutsche Freundschaft leidet unter dem negativen Echo der Weltpresse nicht. Als Symbol unbewältigter Vergangenheit stigmatisiert, erreicht die Eifelstadt aber zeitweise unrühmliche Bekanntheit.

Dann der 5. Mai 1985: Die Stimmung in Bitburg ist aufgewühlt. Lautstarke Proteste Tausender Demonstranten und ein Großaufgebot an deutschen wie US-Sicherheitskräften prägen das Straßenbild der Eifelstadt. Alle Gullideckel sind aus Sicherheitsgründen verschweißt, die Straßen abgeriegelt. Fernsehteams und Reporter aus der ganzen Welt sind vor Ort. Die gemeinsame Zeremonie auf dem Soldatenfriedhof ist kurz, dauert knappe zehn Minuten. So wirkt der symbolische Handschlag der beiden Generäle Steinhoff und Ridgeway verschämt und hastig. In seinem Buch "Umstrittene Versöhnung" zum 20. Jahrestag des Ereignisses äußert sich Theo Hallet später erstmals dazu: "Fast alles, was in diesen zehn Minuten geschah, war meiner Meinung nach zu kurz, zu wenig, zu eilig und daher peinlich und eine Zumutung."

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