Rechte Gewalt auf dem Vormarsch

Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Zierkce, bezeichnet die rechte Szene als besonders brutal. Laut einer Studie, die Ziercke gestern in Berlin vorgestellt hat, gibt es zurzeit in Deutschland rund 10 000 gewaltbereite Rechtsextremisten.

Berlin. (has) Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, hatte gestern keine guten Nachrichten im Gepäck: Die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten steigt weiter an, täglich ereignen sich in Deutschland zwei bis drei solcher Delikte. Oft sind die Betroffenen Zufallsopfer, erläuterte Ziercke bei der Vorstellung einer Studie des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung in Berlin.

Wie hat sich die rechte Gewalt entwickelt?

2008 gab es 1000 Körperverletzungsdelikte, Tendenz steigend. Laut Ziercke zeichnet sich für 2009 mit 20 000 Delikten ein ähnlich hohes Niveau an Straftaten ab wie im vergangenen Jahr. Die rechtsextremistische Szene umfasse in Deutschland rund 30 000 Personen, davon sei ein Drittel gewaltbereit. Seit der Wiedervereinigung 1990 sind 47 Mordopfer rechter Gewalt zu beklagen, im letzten Jahr waren es zwei Tote und vier versuchte Tötungen. Rechte Gewalt zeichne sich durch erhebliche Brutalität aus, warnte Ziercke, es gebe daher "besondere Gefahren für Leib und Leben" möglicher Opfer. Zumal oft Alkoholmissbauch im Spiel sei. Meist würden Mehrfach- und Intensivtäter die rechte Gewalt in ganzen Regionen beeinflussen.

Wo liegt bei den Straftaten der Haupt-Schwerpunkt?

Die meisten Delikte - gut zwei Drittel - sind Propaganda- und Hassdelikte. Nach Angaben des BKA-Präsidenten wird dabei das Internet immer wichtiger. Die Täter verbreiteten ihre Propaganda vor allem über ausländische Server. Auffällig sei auch, dass bei rechten Demonstrationen ein "gestiegenes Selbstbewusstsein" der Teilnehmer zu beobachten sei.

Gegen wen richtet sich die Gewalt?

Pro Monat werden nach Angaben von Ziercke "etwa drei antisemitische Delikte" begangen. Zudem sind linke Gruppierungen zunehmend zum Ziel geworden: So gab es 2008 400 Fälle von rechten Übergriffen auf linke Aktivisten. Die Studie kommt sogar zu dem Ergebnis, dass zum Beispiel in Sachsen diese Form der "Konfrontationsgewalt" fremdenfeindliche Attacken überflügelt hat.

Welchen Einfluss hat der Erfolg rechter Parteien?

"Wahlerfolge der NPD könnten eine motivierende Wirkung für die rechte Szene haben", so Ziercke. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Studie: Nach der Landtagswahl 2004 in Sachsen, bei der die Partei erstmals in den Landtag einzog, sei es zwar zu keinem deutlichen Anstieg der Gewalt insgesamt gekommen, dafür aber zwischen der rechten und linken Szene, so der stellvertretende Instituts-Direktor Uwe Backes.

Bilden rechte Trupps und rechte Parteien wie die NPD eine Einheit?

Nein. Gerne martialisch auftretende rechte Gruppen, so Ziercke, würden der NPD vorwerfen, nicht vehement genug die eigenen Ziele zu vertreten. Es gebe aber durchaus "eine kontinuierliche enge Kooperation zwischen Teilen rechtsextremistischer gewaltbereiter Subkulturen und rechten Parteien." So werde zum Beispiel die rechte Szene gerne von der NPD für Ordnerdienste genutzt. Ziercke plädierte für eine Verstärkung der Aussteigerprogramme und eine konsequente Strafverfolgung.

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