"Relationen müssen gewahrt bleiben"

Berlin · Der renommierte Verfassungsrechtler und Kenner der Parteienfinanzierung, Hans Herbert von Arnim, hält nichts davon, die NPD von der staatlichen Finanzierung auszuschließen. Mit ihm sprach unser Berliner Korrespondent Hagen Strauß.

Berlin. Nach dem gescheiterten NPD-Verbot denken die etablierten Parteien über eine zügige Prüfung nach, ob und wie staatliche Zahlungen an die Partei beendet werden können. Dafür sei ein aufwendiges Verfahren notwendig, dass der NPD nur die Opferrolle zuspiele, sagt von Arnim im TV-Interview. Außerdem würden die etablierten Parteien erneut eine zweifelhafte Entscheidung in eigener Sache anstreben. Herr von Arnim, ist es möglich, die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen? Arnim: Karlsruhe hat angedeutet, dass dies eventuell mit einer Verfassungsänderung möglich wäre. Ich habe dabei aber ein schlechtes Gefühl. Mit oder ohne Staatsfinanzierung spielt die NPD Gott sei Dank doch keine wirkliche Rolle. Welche konkrete Sorge haben Sie denn?Arnim: Die Etablierten könnten sich ermutigt fühlen, alle außerparlamentarischen Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Also alle die, die die Sperrklausel von fünf Prozent nicht überschreiten. Das hatte man früher schon mal vor. 1966 hat das Verfassungsgericht aber eine Beteiligung der kleinen Parteien erzwungen. 1968 hat es dann festgelegt, dass die, die bei Bundestagswahlen mindestens ein halbes Prozent erreicht haben, die staatliche Finanzierung erhalten. Aber die Richtersprüche gelten nach wie vor.Arnim: Die etablierten Parteien haben gewiss ein Interesse daran, Konkurrenten zu benachteiligen. Ich befürchte, dass man mit einer Verfassungsänderung gleich versuchen wird, auch die damaligen Karlsruher Urteile auszuhebeln. Das wäre zugleich eine sehr zweifelhafte Entscheidung in eigener Sache. Denn die Zahlungen, die die kleinen Parteien nicht mehr bekämen, fallen denen in den Parlamenten zu. Zählt für Sie das Argument nicht, dass man eine verfassungsfeindliche Partei wie die NPD nicht auch noch mit Steuergeldern am Leben halten will?Arnim: Ich möchte bestimmt keine Lanze für die NPD brechen, im Gegenteil. Aber wie gesagt, die Parteien im Parlament neigen dazu, einseitig zu ihren Gunsten zu entscheiden. Ich erinnere nur an das Jahr 1995, als der Bundestag die Diäten anheben wollte auf das Niveau von Bundesrichtern. Auch da wollte man die Verfassung in eigener Sache ändern, weil ein Karlsruher Urteil genau das verboten hatte. Damals haben über 80 Staatsrechtler dagegen protestiert, und der Bundesrat hat letztlich dem nicht zugestimmt. Das heißt, man muss die NPD aushalten?Arnim: Man sollte die Verhältnismäßigkeit wahren. Die Parteien im Bundestag erhalten etwa 140 Millionen Euro an direkter staatlicher Finanzierung. Daneben gibt es aber auch noch die indirekte Staatsfinanzierung der Parlamentsparteien über ihre Fraktionen, ihre Stiftungen und über die Mitarbeiter der Abgeordneten. Alles in allem weit mehr als eine Milliarde Euro. Was spielt da die eine Million Euro für die NPD, also gerade mal ein Promille der Zahlungen an die Parteien im Bundestag, noch für eine Rolle? Lohnt es deshalb, der NPD in einem höchst aufwendigen Verfahren die Opferrolle zuzuspielen? Wäre das nicht kontraproduktiv? Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei. Es liegt mir völlig fern, sie zu unterstützen. Aber die Relationen müssen gewahrt bleiben. hasExtra

Hans Herbert von Arnim, 1939 in Darmstadt geboren, ist ein deutscher Verfassungsrechtler und Parteienkritiker. Er lehrt an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und ist Mitglied des dortigen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung. red

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