Parteitag in Idar-Oberstein Weniger Beteiligung und Geld für die Basis: Rheinland-pfälzische SPD beschließt umstrittene Parteireform

Idar-Oberstein/Mainz · 31 Jahre an der Regierung, gleichzeitig aber weniger Mitglieder und Geld: Der Landesvorstand der SPD will die Partei mit einer Reform für die Zukunft wettbewerbsfähig machen. Beim Parteitag in Idar-Oberstein kommen die Pläne aber nicht bei allen gut an.

 Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat die Sozialdemokraten beim Parteitag aufgefordert hinter dem Ausbau erneuerbarer Energien zu stehen.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat die Sozialdemokraten beim Parteitag aufgefordert hinter dem Ausbau erneuerbarer Energien zu stehen.

Foto: Adrian Vidak

Zum Schluss einer langen kontroversen Debatte ergreift Alexander Schweitzer noch einmal das Wort. Womöglich hatte der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende das Gefühl, Überzeugungsarbeit leisten zu müssen bei den 326 Delegierten. Der Landesvorstand hatte dem Parteitag in der Idar-Obersteiner Messehalle eine Strukturreform vorgeschlagen - und die kam nicht bei allen gut an.

Partei soll sich weiter professionalisieren

Kern des Projekts: Die Mitgliedsbeiträge sollen künftig stärker zugunsten des Landesverbands verteilt werden, die Ortsvereine hingegen weniger kassieren. Noch dazu will die SPD ihre Landesparteitage verkleinern, künftig weniger Delegierte zusammenbringen. Das ausgerufene Ziel ist eine kostengünstigere, zentralisierte und professionalisierte Partei.

Was aus Sicht anderer so leicht aussehe, sei harte Arbeit, sagte Schweitzer mit Blick auf mehr als 30 Jahre Regierungsverantwortung. Doch Rheinland-Pfalz sei nach wie vor kein durchweg rot gefärbtes Land. Deswegen müsse man die Partei für die Zukunft mit einer Reform entwickeln, so der Arbeitsminister.

7500 Mitglieder weniger in zehn Jahren

Die Gründe liegen tatsächlich auf der Hand. Wie überall verlieren die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz seit Jahren Mitglieder. Heute sind es noch etwa 32.000, vor gut einem Jahrzehnt waren es noch fast 40.000. Die Rechnung ist einfach - weniger Mitglieder bedeuten meist weniger Mitgliedsbeiträge. Eine Trendumkehr ist indes nicht zu erwarten, da kann die Neumitgliederrekrutierung noch so gut laufen. Das Durchschnittsalter in der Partei liegt bei 60 Jahren. Noch dazu gibt es weniger Geld über die staatliche Parteienfinanzierung.

Kritik an Reform: „gefährlich und bestandsgefährdend“

Ob man den strukturellen Problemen einer Volkspartei mit dieser Art Reform begegnen muss, ist unter den Sozialdemokraten aber umstritten. Erik Donner vom Ortsverein Mainz-Neustadt kritisierte das grundsätzliche Prozedere, dass die Ortsvereine gar nicht an der Strukturreform beteiligt worden seien. Andreas Winheller vom selben Ortsverein ging in seiner Kritik noch weiter. Die Reform sei „gefährlich und bestandsgefährdend für viele Ortsvereine“. Winheller forderte gar, dass die Delegierten geheim abstimmen sollten, damit dies geschehen könne, ohne irgendeine Form von Konsequenz befürchten zu müssen. Der Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit.

Fraktionschefin bezeichnet CDU als Laienschauspieler

Gegenrede gab es nicht nur von Schweitzer. Die Fraktionsvorsitzende Sabine Bätzing-Lichtenthäler begründete die Notwendigkeit der Reform mit der Wettbewerbsfähigkeit und teilte gleich dazu heftig gegen die Christdemokraten im Land aus. Die „Laienschauspieltruppe“ dürfe nie die Hand ans Ruder im Land bekommen - die CDU sei eine Partei aus den 1970ern. Sogar der langjährige Ministerpräsident Kurt Beck ließ sich zu einer Überzeugungsrede für die Reform hinreißen.

Vor wenigen Tagen hatte sich der Landesvorsitzende und Innenminister Roger Lewentz, der Idar-Oberstein coronabedingt fernbleiben musste, noch unsicher über den Grad der Zustimmung beim Parteitag für die Reform gezeigt. Ernsthaft drohte das Projekt dann am Samstag aber nicht zu scheitern. Mit beachtlich vielen Gegenstimmen, aber durchaus deutlicher Mehrheit hat der Parteitag die Reform abgesegnet.

Ringen um Zahlen

Der Landesvorstand hatte aber schon im Vorhinein viele Zugeständnisse machen müssen. Hinter den Kulissen lief ein Aushandlungsprozess, bei dem viel am Antrag geschraubt wurde, um die Ortsvereine zufrieden zu stellen. Sogar auf dem Parteitag selbst haben die Delegierten noch um Zahlen gerungen. Die Finanzen waren nicht der einzige umstrittene Punkt der Reform. Der Landesvorstand hatte eine Satzungsänderung vorgeschlagen, wonach künftig nur noch 250 statt der bislang 400 Delegierten für Parteitage zusammenkommen sollen.

Einige Mitglieder kritisierten, dies würde zu einem Funktionärsparteitag führen, normale Mitglieder also kaum noch anwesend sein und insbesondere Jüngere den kürzeren ziehen. Durch ein Entgegenkommen des Landesvorstands bei der Zahl wird sich am Ende erst einmal nicht viel ändern. Ursprünglich hatte der Plan vorgesehen, mit einer deutlich reduzierten Delegiertenzahl künftig in kleineren, kostengünstigeren Locations tagen zu können.

Dreyer mobilisiert für erneuerbare Energien

Vor der Debatte um die Parteireform hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer die Delegierten dazu aufgefordert, „mit vollem Herzen loszulaufen“ und sich in der Bevölkerung für den Ausbau erneuerbarer Energien einzusetzen. Die Sozialdemokraten sollten wie eine Bürgerbewegung gegen mögliche Proteste stehen, die sich gegen den Ausbau richteten. „Wir müssen loskommen von den fossilen Energien“, sagte Dreyer.

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