Ob im Job oder bei der Wohnungssuche Immer mehr Opfer von Diskriminierungen beschweren sich beim Land

Mainz · Finden Menschen wegen ihrer Hautfarbe keine Wohnung oder kündigt der Arbeitgeber wegen des Alters, hilft eine Stelle in Mainz – sogar rechtlich.

 Einen Job zu finden, kann an der Hautfarbe und am Geschlecht scheitern. In solchen Fällen hilft das Land.

Einen Job zu finden, kann an der Hautfarbe und am Geschlecht scheitern. In solchen Fällen hilft das Land.

Foto: picture alliance / Oliver Berg/d/Oliver Berg

Eine Rheinland-Pfälzerin war entsetzt, als sie morgens zur Arbeit kam und jemand an ihren Schrank ein Hakenkreuz geschmiert hatte. Als sie sich beim Chef über die Diskriminierung beschwerte, reagierte der enttäuschend. Die Firma ließ das Hakenkreuz zwar entfernen, verschwieg den fremdenfeindlichen Vorfall aber im Unternehmen und hielt auch die Mitarbeiterin an, den Mund zu halten. Man wolle keine schlechten Nachrichten verbreiten. Die Frau, die gedankenschnell ein Foto des Hakenkreuzes geschossen hatte, rief die Antidiskriminierungsstelle in Rheinland-Pfalz an – und bekam Hilfe von einem Anwalt.

Denn die seit 2012 existente Stelle, in der sich bislang mehr als 300 Menschen wegen einer Diskriminierung gemeldet haben, bietet seit 15 Monaten eine kostenlose, rechtliche Erstberatung an, bevor Betroffene zum teuren Anwalt rennen. „Wir sind das einzige Bundesland mit diesem Angebot“, frohlockt die Grünen-Frauenministerin Anne Spiegel. Eine Kanzlei, die von der Antidiskriminierungsstelle vermittelt wird, berät dann Menschen, die sich abgewertet fühlten. Das zeige Wirkung: In den 15 Monaten, in denen das Land das Angebot macht, haben sich 109 Menschen über Diskriminierung beschwert. Nur 13 musste die Stelle wiederum an die Kanzlei weiterleiten, weil sie selber viele Fragen beantworten konnte – oder nicht zuständig war.

Die meisten Fälle drehen sich um Arbeit, Wohnen und Behörden. Mechthild Gerigk-Koch, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, kennt die Leidensgeschichten: Sei es die Frau, die vom Arbeitgeber abgelehnt werde, weil der fürchtet, sie könne noch Kinder bekommen und ausfallen. Ein Mann, der keine Wohnung bekomme, weil er Ausländer sei. Ein Rheinland-Pfälzer, der die 50 überschritten habe und keine Fortbildung mehr machen dürfe, weil ihm gesagt wird, es lohne sich schlicht nicht mehr. Oder ein HIV-infizierter, der beim Zahnarzt nur einen Termin zu unmöglichen Zeiten bekomme. Sie räumt ein, es sei oft schwer, Diskriminierung zu erkennen. Oft werde aber auch kein Hehl daraus gemacht. Wie bei einer Immobilienanzeige, in der stand: „Rumänen und Bulgaren unerwünscht“. Gerigk-Koch spricht gar von einer „rassistischen Hackordnung“. „Je dunkler die Hautfarbe, desto schlimmer die Diskriminierungen“, sagt sie.

Es gibt aber auch Kurioses: Ein Mann beschwerte sich, weil ein Einkaufsgeschäft ihn bei einer „Ladies Night“ ausschloss. Ein vergeblicher Protest: Der Laden machte nichts falsch, weil es erst nach den regulären Öffnungszeiten zur reinen Frauenrunde eingeladen hatte. Glück für den Laden, Pech für den Mann.

Geht es nach Spiegel, soll die kostenlose, rechtliche Erstberatung eine Hilfe für Betroffene sein. Zwei Monate hätten Menschen nur Zeit, sich gegen Diskriminierungen rechtlich zur Wehr zu setzen, sagt sie. „Das wissen viele nicht.“

Viele Anrufer muss die Antidiskriminierungsstelle, die das Land mit 47 000 Euro im Jahr fördert, auch vertrösten. Das bundesweite Antidiskriminierungsgesetz finde seine Grenzen im Bereich der Bildung – wegen der Länderzuständigkeiten, sagt Klaus Peter Lohest, Abteilungsleiter Familie und Jugend im Ministerium.

Die Folge, an einem Beispiel aufgezeigt: An einem Gesetz, das explizit Studenten schützt, die sich von einem Dozenten diskriminiert fühlen, fehlt es im Land. Das soll sich ändern. Ministerin Anne Spiegel pocht auf ein Antidiskriminierungsgesetz in Rheinland-Pfalz – wenn auch erst zur neuen Legislaturperiode. „Wenn uns Antidiskriminierung am Herzen liegt, braucht es eine klare landesgesetzliche Regelung“, sagt die Grüne. Klare Vorschriften seien ein Signal, sagt Gerigk-Koch.  Nicht immer müsse es ja zur Klage kommen. Wie bei der Frau mit der Hakenkreuz-Schmiererei. Als der Anwalt sie über ihre Rechte aufgeklärt hatte, ging sie erneut zum Chef – und der reagierte. Er machte den Fall im Unternehmen bekannt – und drohte mit einer Kündigung, wenn die Übeltäter erwischt werden.

Die Antidiskriminierungsstelle findet sich im Internet unter www.antidiskriminierungsstelle.rlp.de, ist telefonisch unter 06131/165 605 erreichbar und per E-Mail unter antidiskriminierungsstelle@mffjiv.rlp.de

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