Corona-Krise In Klassen kippt die Abstandsregel

Trier/Mainz · Land erlaubt Ausnahme, wenn Schulen nach Ferien wieder starten. Ist das nicht gefährlich?

 Nach den Sommerferien will Rheinland-Pfalz wieder zum regulären Unterricht zurückkehren. Aus Lehrergewerkschaften tönt Kritik, ob die Landesregierung dabei nicht zu riskant vorgeht.

Nach den Sommerferien will Rheinland-Pfalz wieder zum regulären Unterricht zurückkehren. Aus Lehrergewerkschaften tönt Kritik, ob die Landesregierung dabei nicht zu riskant vorgeht.

Foto: dpa/Robert Michael

Wer in einem Restaurant mit Freunden sitzt oder im Supermarkt an der Kasse steht, muss 1,50 Meter Abstand zu seinem Nächsten halten. In rheinland-pfälzischen Schulklassen gilt die Abstandsregel nach den Sommerferien dagegen nicht. Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) erläuterte am Mittwoch mit Medizinern, wie sie sich den Schulstart nach den Ferien vorstellt.

Ist es nicht viel zu riskant, wenn 30 junge Menschen in einer Klasse zusammensitzen?

In Abstimmung mit Medizinern und Hygiene-Experten habe sich gezeigt, dass angesichts der niedrigen Infektionszahlen die Klassengemeinschaft wieder in ihren gewohnten Räumen zusammenkommen könne. Nur auf Pausenhöfen und Fluren gelten Abstandsregeln in Schulen daher. Der Mainzer Virologe Bodo Plachter sagte, es gebe keinen Hinweis dafür, dass Schulen ein Hotspot der Corona-Ausbreitung seien. Kinder seien „keine Superspreader“.

Wird die Ausnahme von der Abstandsregel nicht dazu führen, dass sich Schüler auch außerhalb der Klasse nicht mehr daran halten?

„Das wird eine Aufgabe für uns alle sein“, antwortet die Ministerin. In den Schulen sollen neu vorgeschriebene Hygienebeauftragten darauf achten, dass sich die Kinder und Jugendlichen an die außerhalb der Klasse geltenden Bestimmungen halten. So schwer es auch fällt: „Auf Körperkontakte, Umarmungen und Händeschütteln ist zu verzichten.“ Cornelia Schwartz, Landeschefin des Philologenverbandes, äußert Kritik. kritisiert Ausnahmen als Signal, das schlecht sei. „Alleine die Schulbusse werden hoffnungslos überfüllt sein. Wird da auch kein Abstand gehalten, streut kein Betrieb, kein Event so doll wie die Schule.“

Wie will der neue Hygieneplan das Infektionsrisiko gering halten?

An erster Stelle steht die persönliche Hygiene mit gründlichem Händewaschen, Husten- und Niesetikette, Mund-Nasenschutz in Fluren, Gängen und Treppenhäusern oder beim Einkauf im Schulkiosk. Ebenso wichtig ist die Raumhygiene mit Stoßlüftungen über mehrere Minuten hinweg. Sie habe in einer Schaltkonferenz mit den Schulträgern deutlich gemacht, sagte Hubig, „dass es wichtig ist, dass die Schulen funktionierende Fenster haben, nicht nur gekippt, sondern weit aufgemacht werden können“. Dritter Punkt ist die Hygiene im Sanitärbereich – mit ausreichend Seife, Einmalhandtüchern und täglicher Reinigung.

Wie wird Schule aussehen, wenn mit der ersten Erkältungswelle die Angst vor Corona-Infektionen wächst?

Wer Schnupfen, Fieber oder Halsschmerzen hat, darf die Schule nicht betreten. Bildungsministerin Hubig appelliert an die Eltern, Kinder zuhause zu lassen, wenn sie Symptome einer Erkältung haben. Ansonsten drohten mehr Corona-Infektionen und – auch diese Szenarien stellt das Land offensiv dar – wieder ein Mix aus Präsenz- und Fernunterricht oder eine vorübergehende Schließung von Schulen.

Was geschieht, wenn krankheitsbedingt nicht genügend Lehrer für den Regelbetrieb zur Verfügung stehen?

Zurzeit arbeiten rund 6000 Lehrer im Land von zuhause. Hubig geht davon aus, dass dieser Anteil zu Beginn des Schuljahres deutlich geringer sei. Denn zur Risikogruppe zu gehören, rechtfertigt alleine nach den Ferien keine Krankschreibung. Hubig kündigte zugleich an, weitere Mittel für Lehrer bereitstellen zu wollen. Oliver Pick, Landesvize von der Lehrergewerkschaft VBE, sagt: „Die allermeisten Kollegen sind hochmotiviert, in den Präsenzunterricht zurückzukehren.“ Er kritisierte vielmehr, dass es im ländlichen Raum an ausreichend Personal fehle, um zusätzliche Stellen wie den Hygienebeauftragten zu schaffen. „Nicht überall herrschen städtische Bedingungen wie in Mainz.“

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