Parteitag Mehr Ärzte, eine zweite Uniklinik: Grüne im Land setzen auf bessere medizinische Versorgung

Die Grünen in Rheinland-Pfalz haben mit Misbah Khan eine neue Landeschefin gewählt. Bei der Delegiertenversammlung in Neuwied schauen sie selbstbewusst auf die Landtagswahl 2021 - und setzen neue Akzente.

Rheinland-Pfalz: Misbah Khan ist neue Landeschefin der Grünen
Foto: dpa/Sascha Ditscher

Mehr Medizinstudienplätze, eine zweite Uniklinik, mobile ärztliche Praxen, Hol- und Bringdienste für die Patienten auf dem Land: In einem Antrag haben die rheinland-pfälzischen Grünen auf der Delegiertenversammlung in Neuwied umfassende Visionen einer künftigen Gesundheitspolitik in Rheinland-Pfalz verabschiedet. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Katharina Binz forderte die Delegierten nach bundespolitischem Streit über den Nutzen von Homöopathie auf, sich an den Herausforderungen eines Flächenlandes messen zu lassen und über die Globuli hinauszudenken: „Wer keinen Hausarzt findet, dem ist es scheißegal, ob seine Kasse Homöopathie bezahlt“, sagte Binz. Sie warnte davor, dass mehr als 40 Prozent der Hausärzte bereits über 60 Jahre alt seien und Krankenhaus-Insolvenzen auch in Rheinland-Pfalz zunehmen.

Im Antrag spitzten die Grünen eine Forderung zu: „Langfristig wollen wir eine zweite Universitätsmedizin in Rheinland-Pfalz schaffen.“ Bislang gibt es nur an der Mainzer Uniklinik die Möglichkeit eines Medizin-Studiums. Das klinische Studium in Trier zu regionalisieren, sei ein richtiger, erster Schritt.“ Die Grünen sitzen bereits in der Landesregierung, das Gesundheitsministerium hat aber die SPD inne. Die CDU lobte den Vorstoß der Grünen, die in jüngsten Umfragen im Land bei 21 Prozent lagen.

Wo die Partei die Machtfrage um die Nummer eins im Land bislang nicht stellte, liebäugelte Landeschef Josef Winkler vor den Delegierten damit. „Wenn es um die stärkste Kraft geht, werden wir immer genannt, mit SPD und CDU“, sagte Winkler. Er fände das gut. Winkler betonte das grüne Selbstbewusstsein in Rheinland-Pfalz: Bei den Kommunalwahlen habe die Partei Siege in Trier, Mainz, Koblenz und Landau errungen, die Zahl der Mitglieder sei von 2016 bis jetzt um 46 Prozent gestiegen, die der kommunalen Mandate von 833 auf 1446. „Wir haben eine nie gekannte Manpower, Womanpower und sonstige Power, die uns in den nächsten Wahlkämpfen nach vorne bringt“, sagte Winkler.

Rheinland-Pfalz: Misbah Khan ist neue Landeschefin der Grünen
Foto: TV/Florian Schlecht

Als Spitzenkandidatin soll Anne Spiegel die Grünen in die Landtagswahl 2021 führen, für deren Rede die Delegierten in Neuwied stehend applaudierten. „Wir werden es niemals dulden, dass die Krake des Antisemitismus ihre Arme in die Gesellschaft ausstreckt“, sagte Spiegel. Sie sprach sich gegen Angriffe auf den „Geist der gegenseitigen Toleranz und des Respekts“ aus wie jüngst die beleidigende Hetze gegen eine transsexuelle Frau in Oppenheim. Beim Klimawandel sei es „fünf nach Zwölf“. Die Zeit der „faulen und halbherzigen Kompromisse“ sei vorbei, sagte Spiegel, die sich für eine wirksame CO2-Bepreisung aussprach, die Solaroffensive im Land lobte und den Ausbau erneuerbarer Energien fordert. Grünen-Bundeschef Robert Habeck warnte mit Blick auf Klimaschutz, Vertrauen in Demokratie und europäischen Zusammenhalt davor, im kommenden Jahrzehnt politisches Handeln zu verweigern. „Sonst stehen wir an der Schwelle zum 2030 und fragen nicht mehr, welcher Aufbruch nötig ist, sondern wie wir den Abbruch aufhalten.“ Die Politik der Bundesregierung nannte Habeck „hundsmiserabel“.

Beim Parteitag haben die rheinland-pfälzischen Grünen mit Misbah Khan aus dem pfälzischen Meckenheim auch eine neue Landeschefin gewählt, die die Partei künftig mit Josef Winkler führt. Die 29-jährige Politikwissenschaftler erhielt bei der Landesdelegiertenversammlung 86,7 Prozent der abgegebenen Stimmen. Khan folgt auf die ins Europaparlament gewählte Jutta Paulus und führt die Landes-Grünen künftig gemeinsam mit Josef Winkler an. „Wir sind den Birkenstocksandalen entwachsen, tragen inzwischen auch Sneakers, Pumps, Businessschuhe. Was uns ein bisschen fehlt, sind die Arbeitsstiefel“, appellierte Khan an die Delegierten. Den Klimaschutz nannte sie „die Existenzfrage unserer Zeit“. Khan warb auch dafür, die Menschheit als Ganzes zu denken. „In einer Welt, in der es Faschisten gibt, muss man Antifaschist sein“, sagte Khan.

Die scheidende Landeschefin Jutta Paulus sagte, in Europa weiter für den Klimaschutz kämpfen zu wollen und nahm es locker, dass am Vorabend die ZDF-heute-Show ihren bunten Klimaschal aufs Korn genommen hatte. „Die Anleitung, ihn zu stricken, steht auf meiner Homepage“, scherzte Paulus.

Als schlechte Verliererin präsentierte sich die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner, die bei der Oberbürgermeister-Wahl in Mainz krachend an der Stichwahl gescheitert war. Über ihre Kontrahenten Michael Ebling (SPD) und Nino Haase (parteilos), gegen die die Grüne verloren hatte, sagte sie, beiden seien Selbstdarsteller gewesen, denen es um sich gegangen sei.

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