Wie geht es weiter? Nach dem Aus für zehn Dorfschulen in Rheinland-Pfalz: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Mainz · Der Kahlschlag bleibt bei den Dorfschulen aus. Bei den Verlierern der Prüfung stellen sich aber Fragen: Was passiert mit Kindern und Lehrern? Und kämpfen die Schulträger weiter?

 Zu wenige Schüler: So manche Dorfschule gibt es in Rheinland-Pfalz künftig nicht mehr.

Zu wenige Schüler: So manche Dorfschule gibt es in Rheinland-Pfalz künftig nicht mehr.

Foto: dpa/Peter Steffen

Wo nun noch die Pausenglocken läuten, Schüler schreiend auf den Hof stürmen und im Unterricht mit Kreide an der Tafel kritzeln, droht schon bald trostlose Stille. Über Monate haben Schüler, Lehrer und Eltern von 41 Dorfschulen in Rheinland-Pfalz darum gezittert, ob ihre Schule dicht gemacht wird. Ende September legten die Träger Konzepte vor. Nun teilte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) mit, dass zehn Schulen das Aus droht, weil sie zu klein sind. Ein Überblick.

Welche Schulen müssen schließen?

In der Region Trier sind die Dorfschulen in Oberkail (Verbandsgemeinde Bitburger Land), Wintrich (VG Bernkastel-Kues) und Schöndorf (VG Ruwer) betroffen. Landesweit konnten auch weitere kleine Grundschulen in der Eifel (Refferscheid), an der Mosel (Pünderich, Lieg), der Sieg (Kirchen), der Pfalz (Frankenstein) und in Bingen-Gaulsheim keine Ausnahmen geltend machen, als Dorfschulen bestehen zu dürfen. Bereits geschlossen ist der Standort Klotten, mit sechs Schülern die kleinste Schule im Land.

Welche Schulen dürfen aufatmen?

In der Region prüfte das Land noch elf andere Schulen, die nicht geschlossen werden. Aufatmen dürfen die Grundschulen in Trittenheim, Greimerath (Kreis Trier-Saarburg), der Standort Auw der Grundschule Bleialf, Preist, Karlshausen (Eifelkreis Bitburg-Prüm), Malborn, Morbach-Haag, Heidenburg, Monzelfeld (Kreis Bernkastel-Wittlich) sowie Neroth und Wallenborn (Vulkaneifel).

Warum müssen manche Schulen schließen und andere nicht?

Zu den Ausnahmen zählen laut  Hubig absehbar-steigende Schülerzahlen, die Nähe zur nächsten Grundschule und dass diese neue Schüler aufnehmen kann. Ebenso habe das Land den Elternwillen einfließen lassen.

Wann müssen Schulen schließen?

Bereits zum Schuljahr 2018/19 droht das Aus. Ministerin Hubig sagt, es könne zwar Ausnahmen geben, man habe sich aber bewusst dafür entschieden, Schulen nicht so lange bestehen zu lassen, bis das letzte Kind abgeschlossen hat.

Gibt es noch Hoffnung für die betroffenen Schulen?

Reiner Schladweiler sagt: „Wir kämpfen weiter.“ Er fordert das Ministerium auf, Regionalelternsprecher wie ihn in beratender Funktion einzubinden. Das sei versprochen worden, bislang aber nicht geschehen. „Passiert nichts, wäre das Vertrauensverhältnis zur Ministerin dahin“, sagt der Mann aus Temmels. Vom Land kommen dagegen kaum Signale der Hoffnung. Die ADD werde in den kommenden Wochen mit Schulausschüssen, Schulelternbeiräten, Regionalelternbeiräten und Bezirkspersonalräten sprechen. Das letzte Wort, so heißt es aus Mainz, habe aber das Bildungsministerium.

Was passiert mit den Schülern und Lehrern?

ADD-Präsident Thomas Linnertz sagt, man habe benachbarte Schulen im Kopf, die die Kinder aufnehmen. Die Pläne wolle die Behörde aber zunächst mit den Schulträgern besprechen. Bei der Entfernung zur nächsten Schule sei in keinem Fall die 30-Minuten-Grenze ausgeschöpft worden. Versetzt werden müssen auch gut 15 Lehrkräfte, die im Schuldienst bleiben und wohnortnah eingesetzt werden sollen, wie Hubig beteuert.

Welche Reaktionen gibt es auf die Entscheidung in Mainz?

Große Enttäuschung herrscht an den Standorten vor, deren Schulen geschlossen werden sollen. Josef Junk, Bürgermeister der VG Bitburger Land, sagt: „Wir bedauern das natürlich sehr, dass ausgerechnet bei uns die Schule in Oberkail geschlossen werden soll. Wir sind enttäuscht. Aber wir kennen die Gründe noch nicht, warum unser Konzept abgelehnt wurde.“ Dirk Kessler, Ortsbürgermeister von Wintrich, klagt: „Zum einen reden die Politiker davon, den ländlichen Raum zu stärken, zum anderen wird alles unternommen, um den ländlichen Raum zu schwächen. Ich bin erschrocken, dass die SPD als Partei der kleinen Leute, die Anliegen der kleinen Leute ignoriert.“ Dass die Grundschule Schöndorf (Kreis Trier-Saarburg) nicht erhalten werden soll, ist für Josef Kruft (FWG), Beigeordneter der Verbandsgemeinde Ruwer, eine „große Enttäuschung“. Er ist überrascht, dass die Entscheidung gefallen ist, ohne den Schulträger noch einmal anzuhören. Die ADD habe angekündigt, dass sie vorher noch zu einem Gespräch einladen wolle. „Wir müssen das erst einmal so hinnehmen und das weitere Vorgehen prüfen“, so der Beigeordnete. Regionalelternsprecher Schladweiler sagt, jede geschlossene Schule sei eine zu viel. Die CDU-Landtagsabgeordnete Anke Beilstein spricht von einer „Bankrotterklärung“. Das Land zerschlage bewusst gute Strukturen und erschwere es Dörfern, für Neuansiedlungen attraktiv zu bleiben. Gerhard Bold vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) moniert, kleine Schulen hätten einzelne Schüler viel besser fördern können. Er fordert, die Schulträger über die Zukunft entscheiden zu lassen. Klaus-Peter Hammer von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert, das Ministerium müsse Betroffene nun mitnehmen.

Was sagt die Ministerin?

„Wir reden von keinem Kahlschlag“, sagt Stefanie Hubig. Ihre Rechnung: Zehn von 962 Grundschulen im Land seien betroffen, 209 von gut 139.000 Grundschülern und damit 0,15 Prozent. Rheinland-Pfalz bleibe ein dichtes Netz an Schulen erhalten. Geht es streng nach dem Schulgesetz, hätten im Land sogar alle Schulen geprüft werden müssen, die nicht eine Klasse pro Jahrgangsstufe haben. „Wir haben Maß bewiesen.“

Wie geht es nun weiter?

In diesem Jahr gab es bereits Proteste in Form von Online-Petitionen mit mehr als 25.000 Unterschriften und selbst gesungene Lieder von Schülern auf YouTube. Nun könnte die nächste Welle folgen. Schladweiler sagt: „Wir bereiten den nächsten Zug vor.“ Auch Hubig rechnet mit Gegenwind. Nicht ändern will die Ministerin das Gesetz, dafür aber die Leitlinien beibehalten, unter denen die Schulen nun geprüft wurden. Die CDU-Abgeordnete Beilstein warnt vor dauerhafter Unsicherheit. „Kleine Schulen sind so ständig in Gefahr.“

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