Untersuchungsausschuss Feuerwehrleute aus dem Ahrtal berichten von der Flut: „Es hat keine Warnungen vor der Katastrophe gegeben“

Mainz · Die ersten Orte an der Ahr hat die Flut im Juli 2021 völlig unvorbereitet getroffen, weil sie offenbar keine Warnungen erhalten haben. Am frühen Nachmittag eskalierte die Lage auf einem Campingplatz. Unklar ist, warum mit dieser Erfahrung Kilometer weiter flussabwärts viele Stunden später noch weitere Menschen sterben mussten.

 Zahlreiche Freiflächen im Ortskern des Eifel-Ortes Schuld lassen erkennen, wo in den vergangenen Monaten von der Flut zerstörte Häuser abgerissen wurden (Luftaufnahme mit einer Drohne im März).

Zahlreiche Freiflächen im Ortskern des Eifel-Ortes Schuld lassen erkennen, wo in den vergangenen Monaten von der Flut zerstörte Häuser abgerissen wurden (Luftaufnahme mit einer Drohne im März).

Foto: dpa/Boris Roessler

Es sind Dutzende Kilometer, entlang derer sich die Ahr von Dorsel über Bad Neuenahr-Ahrweiler bis nach Sinzig schlängelt. Unweit des kleinen Eifel-Örtchens Dorsel wird der kleine Fluss am 14. Juli 2021 zuerst zum reißenden Strom. Bereits am frühen Nachmittag müssen Menschen am Campingplatz Stahlhütte von ihren Wohnwagen gerettet werden. Für einige kommt die Hilfe zu spät.

Die Feuerwehren traf die Flut offenbar völlig unvorbereitet. Das haben am Freitag mehrere ehrenamtliche Wehrführer aus der Verbandsgemeinde Adenau im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe berichtet. „Es hat nie jemand von einer Katastrophe gesprochen“, sagte Dieter Merten, Wehrleiter der Verbandsgemeinde. „Nirgendwo her hat es eine Warnung gegeben“ - lediglich vor Starkregen.

„Ein Krieg den wir nicht gewinnen konnten“

In der Folge führte die Feuerwehr „einen Krieg, den wir nicht gewinnen konnten.“ Ihre Waffen hätten sie nach der ersten Stunde ins Wasser werfen können, so Merten. Geräte und Einsatzfahrzeuge hätten nicht mehr funktioniert, Metallboxen mit Sandsäcken seien zwar noch angeliefert worden, aber einfach weggeschwommen. Auch der Einsatz angeforderter Boote sei unmöglich gewesen, weil die Strömung der Ahr zu stark gewesen sei und sie zu viel Unrat mit sich geführt habe, sagte Merten.

Bild aus der Luft: „Kein normales Hochwasser“

Der Feuerwehr war daher am 14. Juli schon früh klar, dass die Flut ein katastrophales Ausmaß angenommen hatte. Merten sprach von einer lebensbedrohlichen Situation ab etwa 16 Uhr. Die Feuerwehr forderte Hubschrauber für den Campingplatz an. Ein Hubschrauber mit Seilwinde vom Land fehlte zunächst, die Johanniter-Luftrettung war allerdings vor Ort. Aus der Luft habe sich ein Bild gezeigt, dass es „kein normales Hochwasser ist“.

Hubschrauber zieht Menschen mit Seilen aus dem Wasser

Weil die Retter keine Seilwinde hatten, improvisierten sie und zogen Menschen vom Hubschrauber aus mit Feuerwehrseilen aus dem Wasser, wie Notfallsanitäter Stefan Goldmann im Untersuchungsausschuss berichtete. Einige Menschen konnten gerettet werden. Mehrere Menschen starben nach Angaben von Wehrleiter Merten jedoch am Campingplatz in Dorsel - auch eine Feuerwehrkameradin, die zusammen mit einer bettlägerigen Frau in einem Wohncontainer weggeschwemmt wurde.

Die Schilderungen der Einsatzkräfte vom Oberlauf der Ahr sind insofern brisant, als dass sie den bisherigen Aussagen der Behörden zur Dramatik der Lage am 14. Juli entgegensteht. Vom Hubschraubereinsatz auf dem Campingplatz in Dorsel hatte man von der ADD bis hin zu den Ministerinnen und Ministern, die sich zu dieser Zeit noch im Mainzer Landtag befanden, zwar gewusst. Offenbar haben sie die Lage aber völlig anders bewertet. Vor wenigen Wochen hatten die Verantwortlichen im Untersuchungsausschuss zu Protokoll gegeben, dass zunächst nichts auf einen Einsatzschwerpunkt im Kreis Ahrweiler hingedeutet habe. Schon beim großen Hochwasser im Jahr 2016 habe es Anforderungen für Hubschrauber für den Campingplatz gegeben.

Nachts sterben noch Menschen in Sinzig

Fotos: Bilder vom Ahrtal Monate nach der Flut
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Flut an der Ahr: Bilder der Zerstörung und der Zuversicht

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Foto: TV/Maria Adrian

Auch Innenminister Roger Lewentz hatte ausgesagt, dass erst am nächsten Tag das Ausmaß der Katastrophe klar gewesen sei. Noch um 19.20 Uhr hatte er die zuständige Technische Einsatzleitung in Bad Neuenahr-Ahrweiler besucht - und dort einen konzentriert arbeitenden Krisenstab gesehen. Die Beteiligten sprachen auch dort über die Lage in Dorsel. Folgen hat das offenbar keine für die Warnung weiterer Dörfer an den Kilometern flussabwärts der Ahr gehabt. Später starben dort noch viele weitere Menschen. Zuerst in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Noch später, selbst nach zwei Uhr nachts, müssen in Sinzig - nahe der Mündung in den Rhein - noch zwölf Menschen in einer Einrichtung für Behinderte ihr Leben lassen.

„Da rollt was auf euch zu“

Dabei hatte der Wehrleiter aus Adenau durchaus Signale gegeben, wie er im Untersuchungsausschuss sagte. Durch die Anforderung der Hubschrauber bei der Technischen Einsatzleitung in Kreis Ahweiler sei die Dramatik der Lage klar gewesen. Er habe zwei, drei Mal zu verschiedenen Personen zudem gesagt „da rollt was auf euch zu“.

Es gab auch noch ein weiteres Signal für die Katastrophe, beziehungsweise keines mehr. Denn in der Region war der Strom ausgefallen - das Handynetz und der Digitalfunk der Feuerwehr funktionierten nicht mehr. Die Wehrführer sagten: „Wir hatten keinen Kontakt mehr zur Außenwelt“.

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