Flut-Rückblick 2021 Rheinland-pfälzischer Landtag gedenkt der Flutopfer - und die Regierung kassiert Kritik für den Wiederaufbau

Mainz · Der rheinland-pfälzische Landtag hat am Mittwochnachmittag der Flutopfer im vergangenen Jahr gedacht. Das Gedenken wurde jedoch überschattet von einem Streit über den Wiederaufbau im Ahrtal.

RLP: Landtag gedenkt Flutopfern, Regierung kassiert Kritik für Wiederaufbau​
Foto: dpa/Arne Dedert

Um 14.07 Uhr steht der Landtag für knapp eine Minute still. Der Präsident Hendrik Hering (SPD) hatte die Abgeordneten zu einem Moment des Gedenkens für die Flutopfer bei der Katastrophe vor knapp einem Jahr gebeten. „Unser Land war danach ein anderes und ist es bis heute“, sagte Hering kurz zuvor. Das Hochwasser müsse Teil des kollektiven Gedächtnisses werden. Wenn man daran erinnere, sorge man auch dafür, dass sich ein solches Ereignis nicht wiederhole, so der Landtagspräsident. Und damit eine solche Flut das Land nicht noch einmal so unvorbereitet treffe, müsse man die Fehler herausarbeiten. „Eine solche Katastrophe darf sich nicht nochmal ereignen“, sagte Hering.

Streit um Wiederaufbau überschattet Gedenken

Die andächtige Stimmung im Landtag verflog am Mittwochnachmittag dann aber schnell und wurde von einer Debatte um den Wiederaufbau im Ahrtal überschattet. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatte eine Regierungserklärung zum Thema mitgebracht und die CDU sich schon zuvor auf das Krisenmanagement der Landesregierung eingeschossen.

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Dreyer spricht von „beachtlichen Fortschritten“

Dreyer würdigte in ihrer Rede aber zunächst die Helferinnen und Helfern nach der Katastrophe. „Es zeigt sich in der Stunde der Not: Die Menschen halten zusammen“, so die Ministerpräsidentin. Die Menschen im Ahrtal bewiesen „Zukunftsmut“. Beim Wiederaufbau gebe es zwar noch viel zu tun, aber die Fortschritte seien beachtlich. Als Beispiele nannte Dreyer, dass alle Kinder schon nach den vergangenen Sommerferien wieder die Schule hätten besuchen konnten, sechs Wochen nach der Flut wieder alle Orte ans Straßennetz angebunden gewesen seien und man schnell ein neues Überschwemmungsgebiet festgelegt habe. Und dennoch stelle sich bei manchen das Gefühl ein, es gehe gar nichts oder zu wenig voran. „Ich verstehe, wie sehr das zermürben kann.“

Landesregierung beugt sich dem Druck

Und dann hatte die Ministerpräsidentin noch eine kleine Botschaft entgegen aller bisherigen Aussagen der Landesregierung mitgebracht. In Härtefällen könnten die Betroffenen künftig einen Abschlag von bis zu 40 Prozent von den beantragten Hilfsgeldern erhalten. Die Landesregierung beugte sich damit dem politischen Druck. Zuletzt gestern hatte die CDU gefordert, die Zahlungen für private Hausbesitzer von 20 auf 40 Prozent der geschätzten Kosten als Vorleistung zu erhöhen - so wie in Nordrhein-Westfalen.

CDU: „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen“

Der CDU-Abgeordnete Horst Gies - selbst aus dem Ahrtal - malte auch generell ein völlig anderes Bild von der Lage im Norden des Landes. Die Zuversicht der ersten Monate schwinde, 6000 Menschen hätten bereits ihre Heimat verlassen. Im Ahrtal fühle man sich von der Landesregierung und ihren Versprechen im Stich gelassen. 15 Milliarden Euro stünden für den Wiederaufbau bereit, sagte Gies - doch ausgezahlt worden sei bislang nur ein Bruchteil. „Das ist doch beschämend, das ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen.“ Am vergangenen Wochenende hatten auch Betroffene aus dem Ahrtal in Mainz demonstriert.

Streit fordert Gleichbehandlung für Eifelkreis

Gies‘ Vorwürfe sorgten auf der Regierungsbank für erkennbare Verstimmungen und Zwischenrufe. Eine öffentliche Erwiderung blieb jedoch aus. Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Michael Frisch wählte harte Worte für die Politik der Ampel. Wenn man in dem Tempo weitermache, würde der Wiederaufbau 25 Jahre dauern. Joachim Streit, Fraktionschef der Freien Wähler, mahnte an, nicht nur vom Wiederaufbau zu sprechen, sondern aus dem Flutgebiet eine Modellregion mit besserem Katastrophenschutz zu machen. Der Eifeler forderte auch eine Gleichbehandlung der anderen Kreise neben dem Ahrtal beim Wiederaufbau.

Baldauf und das „Totalversagen“ der ISB

Die CDU war schon in den vergangenen Tagen immer wieder hart mit dem Wiederaufbaumanagement der Landesregierung ins Gericht gegangen. „Das ist Totalversagen“ und dies sei an höchster Stelle anzusiedeln, so der Fraktionsvorsitzende und Landeschef Christian Baldauf. Im Kern kritisierte er die für die Auszahlung der Wiederaufbaugelder zuständige Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) als „Totalausfall“.

Die SPD konterte am Mittwoch: Das Vollbrachte als Totalausfall zu diskreditieren, sei einfach nur „beschämend und unwürdig“, sagte der SPD-Abgeordnete Markus Stein zu Baldaufs Äußerungen. „Darüber hinaus ist es für den Wiederaufbau schädlich, derartig faktenfreie Parolen in die Welt zu setzen.“ Stein forderte gar eine Entschuldigung von Baldauf bei den Mitarbeitenden der Bank. Bei der ISB sind laut Landesregierung bislang knapp 12.000 Anträge auf Wiederaufbauhilfe eingegangen - knapp 11.000 davon wurden mit einem Volumen von mehr als einer halben Milliarde Euro bewilligt.

Grüne: Ahrtal überproportional gegenwärtig

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Bernhard Braun widersprach in der Landtagsdebatte dem Eindruck, man kümmere sich in Mainz nicht genügend um den Wiederaufbau. Das Ahrtal sei überproportional gegenwärtig in der Landespolitik und werde es auch bleiben.

Brauns Koalitionskollege Philipp Fernis (FDP) rief zu einer Mäßigung der Debatte auf. Der Landtag müsse angesichts des Leids der Flutopfer „das Verbindende zum Wohle des Ahrtals“ zu suchen, sagte der Fraktionsvorsitzende. Zur Ehrlichkeit der politischen Debatte gehöre aber auch, Grenzen der Wirksamkeit von Politik anzuerkennen - angesichts gestörter Lieferketten sowie fehlender Handwerker und Gutachter.

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