Roter Stängel, gelbe Blüten, grüne Gefahr

Trier/Mainz · Die Pollen der aus Amerika eingewanderten Beifuß-Ambrosie gehören zu den stärksten Allergieauslösern, die es gibt. Im Rheintal kommt die Pflanze bereits massenhaft vor, und auch in der Region Trier fasst sie Fuß. Eine Strategie zur Risikominderung fehlt dem Land bislang.

Trier/Mainz. Die Pflanze ist bis zu zwei Meter groß, hat gefiederte Blätter und einen rot überlaufenen, reich verzweigten, haarigen Stängel. Wer sie nicht kennt, könnte sie für Beifuß halten. Für harmlos. Denn wie gefährlich die Beifuß-Ambrosie für Pollenallergiker werden kann, sieht man dem unscheinbaren Gewächs nicht an. Wer die Pflanze berührt, muss mit Juckreiz und Quaddeln rechnen. Und schon kleinste Mengen ihrer winzigen Pollen können zu Atemnot, chronischen Atemwegserkrankungen und schweren heuschnupfenartigen Symptomen führen.
Zudem verlängert die Pflanze die Leidenssaison: Pollenallergiker hatten bisher vor allem zwischen März und Juli - also in der Hauptblütezeit von Bäumen und Gräsern - Probleme. Die Am-brosie blüht jedoch von August bis Oktober.Neue Gebiete erobert


Eine weitere schlechte Nachricht: Die ursprünglich aus Nordamerika stammende Pflanze erobert sich immer neue Gebiete. "Ambrosia ist auch in Rheinland-Pfalz auf dem Vormarsch", sagt der Trierer Geobotaniker Dr. Thomas Becker. In den warmen Regionen des Rheintals sei sie mittlerweile weit verbreitet - lokal häufig an Straßenrändern und Bahngleisen. Auch Ackerränder und Gärten (wohin Ambrosia meist mit verunreinigtem Vogelfutter gelangt) bieten gute Wuchsbedingungen. Dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium zufolge sind zwei besonders problematische Standorte bekannt: Beide befänden sich entlang der B 9 vor Ludwigshafen und Speyer.
Dort kommt die Art bereits massenhaft vor, was rings um Trier bisher nicht der Fall zu sein scheint. Becker spricht von vereinzelten Funden. Insbesondere im Moseltal. Gesichtet wurde sie unter anderem an der Staustufe bei Trier-Euren und in Gärten. Da schon fünf bis zehn Pollenkörner in einem Kubikmeter Luft ausreichen, um heftige allergische Reaktionen auszulösen, da die Pollen kilometerweit fliegen können und eine einzige große Pflanze eine Milliarde solcher Pollen freisetzen kann, sind auch hier gesundheitliche Folgen zu befürchten. Der Diplom-Biologe Stefan Nawrath hat in einer Studie, die er im Herbst veröffentlichen will, untersucht, was Bundesländer unternehmen, um dieses Risiko zu mindern. Dabei ist er zu dem Schluss gekommen, dass Brandenburg, Bayern oder Baden-Württemberg recht viel tun und dass Rheinland-Pfalz und Hessen das Thema Ambrosia weitgehend ignorieren.
Während andere Länder Meldestellen haben, die Funde registrieren, Ambrosia gezielt suchen und Verantwortliche auf die Notwendigkeit der Beseitigung hinweisen, setzt Rheinland-Pfalz lediglich auf Information. Und darauf, dass die Kommunen sich um das Problem kümmern. Ein Problem, von dem sie womöglich gar nicht erfahren: Es gibt schließlich keine Meldepflicht. Ein Problem, dem man sich bei der Kreisverwaltung Trier-Saarburg aber auch weder finanziell noch personell gewachsen fühlt.
Über weitere Maßnahmen will die Landesregierung entscheiden, wenn die Ergebnisse eines europäischen Forschungsprojekts zur Ausbreitung der Ambrosie vorliegen. Nawrath hält dieses Abwarten für ein großes Risiko.Vorsorgemaßnahmen nötig


Medienberichten zufolge reagieren in den USA, dem Heimatland der Asthma-Pflanze, mehr als Drei Viertel aller Pollenallergiker auf Ambrosia, und mehr als ein Viertel der gesunden US-Amerikaner ist sensibilisiert. Eine Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Allergie-Zentrums der Ludwig-Maximilians-Universität München schätzt die Kosten, die Deutschland durch die Ausbreitung der Beifuß-Ambrosie entstehen, auf zwischen 200 Millionen und mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr. Dazu hatten die Wissenschaftler Pollenallergiker in Süddeutschland - wo die Pflanze bereits weit verbreitet ist - befragt und die Ergebnisse auf Deutschland hochgerechnet. Den Forschern zufolge sind abgestimmte Vorsorgemaßnahmen nötig. Doch genau da scheint es in Rheinland-Pfalz zu hapern.Extra

Pflanze erkennen: Die Beifuß-Ambrosie besiedelt meist offene Flächen wie Äcker, Baustellen, Brachen, offene Böden, Bahndämme, Weg- oder Straßenränder. Die Stängel der bis zu zwei Meter hohen Ambrosia sind meist robust, rötlich, behaart und stark verzweigt, die Blätter gefiedert. Die gelben Blütenstände befinden sich am Ende der Zweige in einer ährenförmigen Traube. Die Pflanze entwickelt sich langsam: Ende Mai ist sie erst zehn bis 20 Zentimeter hoch. Hauptblütezeit ist von August bis September. Vom gemeinen Beifuß ist die Am-brosie an der Unterseite der Blätter zu unterscheiden: Beim Beifuß ist diese silbrig-grau, bei der Ambrosie grün. Pflanze bekämpfen: Die Pflanze sollte mit den Wurzeln aus dem Boden gerissen und im Hausmüll entsorgt werden. Das sollte unbedingt vor der Blüte - also bis spätestens Mitte Juli passiert sein. Dabei heißt es: Handschuhe tragen, um Hautreizungen zu verhindern. Blüht die Pflanze bereits, ist auch ein dicht schließender Mundschutz dringend zu empfehlen. Da die Samen im Boden bis zu 40 Jahre keimfähig bleiben, ist es wichtig, die Fundstellen immer wieder nach neuen Pflanzen abzusuchen. Für größere Bestände, bei denen ein Ausreißen aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, kann der Bestand durch Mähen und Mulchen kurz nach Blühbeginn geschädigt werden. Da dabei viele Pollen freigesetzt werden, ist eine gute Staubmaske dringend erforderlich. Nach drei Wochen sollte der Standort erneut kontrolliert und bei Bedarf gemäht und gemulcht werden. kahExtra

Die Ambrosie breitet sich von Süden her in Deutschland aus. In der Region Trier sind Funde vor allem aus dem Moseltal bekannt. Im kühleren Hunsrück und in der Eifel wird sich die Art nach Einschätzung des Trierer Geobotanikers Thomas Becker langfristig nicht gut oder auch gar nicht etablieren. Mittelfristig rechnet er für die Region "nicht unbedingt mit Massenvorkommen". "Andererseits laufen alle Invasionen zuerst immer sehr langsam ab", sagt er. Bei guten Wachstumsbedingungen gehe es gemäß dem exponenziellen Populationswachstum in fünf Jahren zum Beispiel von zwei auf vier auf 16 auf 256 auf 65 536 auf 4 294 967 296 Pflanzen. kahExtra

Noch ein weiterer wärmeliebender Plagegeist macht sich im Land breit: der Eichenprozessionsspinner, eine Nachtfalterart, deren Raupen dem Menschen gefährlich werden können. Denn sie haben Brennhaare, die bei Berührung starken Juckreiz und allergische Reaktionen auslösen und beim Einatmen zu Atemnot führen können. Aktuell ist laut Umweltmisnisterium vor allem der Südosten von Rheinland-Pfalz (Rheinhessen, Haardt, Pfälzer Rheinauen) betroffen. Die Nachtfalterart ist in Südwestdeutschland von jeher heimisch, hat sich in den vergangenen Jahren jedoch im Süden des Landes stark vermehrt. kah

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