Tourismus „Schnelle Lösungen sind extrem wichtig“

Trier · Wenn das Telefon klingelt, will meist jemand stornieren. Hotels, Gastronomen und Reisebüros in der Region leiden sehr unter der Corona-Krise. Doch es gibt auch Hoffnung.

 Balkon statt Balkan. Urlaub findet derzeit nur in der Heimat statt. Gastgeber hoffen, dass sich das bald ändert.

Balkon statt Balkan. Urlaub findet derzeit nur in der Heimat statt. Gastgeber hoffen, dass sich das bald ändert.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Bei traumhaft sonnigem Frühjahrswetter arrangieren sich die Menschen in der Region aktuell damit, Urlaub auf Balkonien zu verbringen. Und auch im Sommerurlaub wird es wohl weder Südafrika noch Sizilien oder Sansibar. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder rät ohnehin zum Urlaub in Deutschland und prognostiziert gar einen Run auf heimische Hotels und Restaurants. Worte, die manchen Hoffnung machen könnten.

Und anderen nicht. Reisebüros dürften sie wenig trösten. Wochenlang waren sie damit beschäftigt, ihre Kunden aus aller Welt wieder heil nach Hause zu bringen. „Unsere Mitarbeiter haben alles Erdenkliche getan. Für 0 Euro“, sagt Jörg Scharff von Scharff Reisen in Speicher.

Gebucht wird derzeit überhaupt nicht, storniert dafür umso mehr. Thomas Müller von Müller-Kylltal-Reisen in Trier ist sehr froh, mit Linienbussen ein zweites Standbein zu haben: „Da alle Reisen zur Zeit storniert werden – und daraus resultiert ausschließlich ertragsfreie Mehrarbeit für die Mitarbeiter – ist die Formel einfach: Die Reisebüros haben ihre Kunden ohne Geld zu bekommen durch Beratung zur Buchung gebracht und können diese nun ertragslos wieder stornieren! Ein absoluter Teufelskreis, der an die betriebliche Substanz geht.“

Manche Veranstalter zahlen die Provision zwar nicht erst bei Reiseantritt, sondern bereits bei Vertragsabschluss, doch fordern sie dieses längst verdiente Geld laut Scharff nun wieder zurück. Er bittet Kunden daher zu überlegen, ob sie die Reise nicht verschieben können. Die Lage sei prekär.

„Wir hoffen, dass es bald wieder aufwärts geht“, sagt Helga Jägen vom City-Reisebüro Helga y Sol in Schweich. Probleme hätten wegen der Pandemie vor allem jene Urlauber gehabt, „die meinten, sie könnten im Internet alles selbst buchen“. In einem Reisebüro habe man Leute, die sich um einen kümmern. Scharff hofft, dass nach der Krise mehr Menschen den Weg zu den Profis finden.

Auch Andrea Weber vom Hotel Deutscher Hof in Trier ist sich nicht sicher, ob Hotels 2020 vom Trend zum Urlaub in der Heimat profitieren können. Davon sei derzeit nichts zu spüren. „Die Telefone sind tot“, sagt sie. Wie andere Hoteliers findet sie es schade, dass ihre Branche nur am Rande erwähnt wurde, als es um die Lockerungen der Corona-Maßnahmen ging. Sie glaubt, dass es Herbst wird oder auch 2021, bis sich der Tourismus erholt. Im Vordergrund stehe nun die Gesundheit: die eigene, die der Mitarbeiter und der Familien.

Liquidität sei derzeit für viele Betriebe ein großes Problem. „Da sind schnelle Lösungen extrem wichtig“, sagt Weber, die findet, dass Bayern oder Baden-Württemberg schneller und besser reagiert hätten als Rheinland-Pfalz. Was Hubert Drayer vom Wellnesshotel Michels in Schalkenmehren sehr ärgert, ist, dass er jahrelang in eine Betriebsschließungsversicherung eingezahlt habe und nun keinen Cent bekomme. Auch die Hilfs-Darlehen seien keine Lösung, sondern nur „eine Problemverlagerung“. Für die Mitarbeiter in Gastronomie und Hotellerie sei die Lage schwer, sagt Drayer. Auch, weil das Trinkgeld fehle.

Klaus Schu von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten fordert daher nun ein höheres Kurzarbeitergeld. „Mit 60 Prozent des Lohns auszukommen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. In Rheinland-Pfalz bleiben einem gelernten Koch nicht einmal 800 Euro“, sagt er.

11 500 Betriebe, 150 000 Mitarbeiter und jede vierte bis fünfte Familie in Rheinland-Pfalz seien betroffen, sagt Dehoga-Chef Gereon Haumann, der die Umsatzausfälle im Tourismus für März und April mit mehr als einer Milliarde Euro beziffert. Verheerend sei: „Wir können das nicht nachholen.“ Schließlich könne man jedes Bett nur einmal belegen.

Haumann fordert, dass die Politik sich auf einen Zeitpunkt festlegt, zu dem Hotels und Gaststätten wieder öffnen können. Und er hält es für realistisch, dass dieser in der nahen Zukunft liegt. Schließlich könne man die gleichen Sicherheitsvorkehrungen treffen wie alle anderen.

„Es wäre kein Problem, eine Abstandsregelung einzuhalten“, betont auch Elvira Bous vom Saarburger Wirtshaus zum Pferdemarkt, die derzeit dafür sorgt, dass genügend Mundschutz für die Mitarbeiter da ist. Sie hofft, dass sie Mitte Mai wieder öffnen kann. Zumal weder die beantragten Soforthilfen noch das Kurzarbeitergeld bisher eingetroffen seien.

Auch Michael Loosen, der mit seiner Frau im Traben-Trarbacher Sonnenhof drei Ferienwohnungen vermietet, hofft sehr darauf, dass Gastgeber bald wieder eine Perspektive bekommen, eine Aussicht darauf, wann sie wieder loslegen können. Zudem wünscht er sich ein „selektives Vorgehen“.  Ferienwohnungen haben Familien schließlich ganz für sich alleine. Da gibt es keine Frühstücksräume oder Foyers, die man sich mit anderen Gästen teilen müsste. Leidend sei er nicht, sagt Loosen, der hauptberuflich im Maschinenbau arbeitet. Wie für sehr viele Moselaner bieten die Ferienwohnungen, in die er und seine Frau kräftig investiert haben, jedoch eine wichtige Nebeneinkunft.

Für die Stadt Trier bringt Corona harte Einschnitte im Tourismus mit sich. 3000 Stadtführungen müssen laut Tourismus-Chef Norbert Käthler storniert werden, Mit 300 Millionen Euro Umsatz im Jahr sei der Tourismus für Trier ein sehr relevantes Standbein. Ein Standbein, das derzeit nicht stabil steht. Und so hoffen viele, dass der vorhergesagte Run auf deutsche Hotels und Gaststätten auch wirklich kommen möge. Am liebsten bald.

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