Schneller Klick zum lebensgefährlichen Kick - Bewusstlosigkeit, Panikattacken und Herzstillstand - So gefährlich sind angeblich legale Kräutermischungen

Trier · Sie heißen legal, sind es aber größtenteils nicht. Die Kräutermischungen, die als Legal Highs verkauft werden, sind vor allem eins: gefährlich. Und das wissen die Jugendlichen, die sie leichtfertig rauchen oft nicht. Und ihre Eltern schon gar nicht.

Trier. Marc Powierski ist keiner, der um den heißen Brei herumredet. Der Polizist redet Klartext an diesem Abend im Saarburger Jugendzentrum. So klar, dass es einigen der rund 30 Eltern, die zu dem Drogenpräventionsabend in dem Bahnhofsgebäude gekommen sind, die Sprache verschlägt. Dass es so einfach ist für ihre Kinder, an Drogen zu kommen, hätten sie nicht gedacht. Per Internet dauert es nur ein paar Klicks, bis die bunten Päckchen mit den Kräutermischungen oder den Badesalzen (die zum Erstaunen vieler Eltern zwar so heißen, aber, statt zum Baden zum Reinziehen in die Nase bestimmt sind) bestellt sind. Es gebe eine schier unüberschaubare Zahl von Anbietern der bunten Tütchen.Schneller und billiger Kick


Bezahlt wird anonym. Mit sogenannten Bitcoins, einer virtuellen Währung auf einer Art Kreditkarte, die sich jedermann einfach in der Tankstelle kaufen kann. Und als Lieferadresse für die zwischen 20 und 30 Euro teuren Päckchen wird dann statt dem heimatlichen Briefkasten eine Packstation bei der nächsten Poststelle angegeben.
Bisher haben viele Eltern gedacht, dass, wenn ihre Kinder mit Drogen in Berührung kommen, sie dann über irgendwelche Dealer am Bahnhof womöglich sogar auf dem Schulhof an den Stoff kommen. Powierski, der regelmäßig auch in Schulen über die Drogengefahren aufklärt, öffnet den Eltern die Augen. Auch bezüglich der Drogen, die derzeit kursieren. Es gehe den Jugendlichen dabei vor allem darum, sich einen Kick zu versetzen. Und das möglichst schnell. Und billig. Und dafür sind die Kräutermischungen, die problemlos in hygienisch katastrophalen Hinterhoflaboren per Betonmischer zusammen gemischt werden können, ideal.
Zugesetzt würden dann oft irgendwelche chemischen Stoffe, die nicht für den menschlichen Konsum gedacht sind, etwa Zusätze für Farben. Auch die lassen sich laut Powierski einfach übers Internet ordern. 54 verschiedene Wirkstoffe hat das Landeskriminalamt in Kräutermischungen bislang nachweisen können. Über 900 verschiedene Marken gebe es, sagt Powierski. Doch zumeist würden die Mischungen professionell und industriell als Massenprodukte in Fernost hergestellt.
Mit neun bis zehn Euro pro Gramm seien sie deutlich billiger als Cannabis. Und damit selbst für Schüler erschwinglich. Die Kräutermischungen werden entweder als Zigarette geraucht oder über Wasserpfeifen (Shisha) inhaliert.
Ein Kick durch Badesalz, das über die Nase reingezogen wird, sei "billiger als eine Tasse Kaffee" und könne morgens vor der Schule noch schnell für die nötige Aufputschung sorgen, sagt Powierski.
Doch irgendwann werde der Konsum zur Sucht. Und dann werde es teuer. Bis zu 2400 Euro pro Monat koste der tägliche Konsum von Legal Highs, sagt Powierski. Das könne nur durch Dealen mit den gefährlichen Mischungen verdient werden. Die meisten, die regelmäßig die Mischungen zu sich nähmen, würden sie auch verkaufen. Und dann bringt Powierski wieder eine Zahl, die die Eltern erschreckt. In jeder Klasse von weiterführenden Schulen gebe es mindestens zwei Schüler, die bereits Erfahrung mit den Legal Highs gemacht hätten. Die Legal Highs träfen auf ein neugieriges und experimentierfreudiges, meist jüngeres Klientel hat das Landeskriminalamt festgestellt.
Und legal sind die Legal Highs trotz ihres Namens nicht unbedingt. "Die Polizei leitet bei jedem Verdacht eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ein Ermittlungsverfahren ein", sagt Sabine Bamberg, Sprecherin des Trierer Polizeipräsidiums.
Ob die jeweilige Substanz gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoße, könne erst durch Untersuchungen beim Landeskriminalamt geklärt werden. Liegt ein Verstoß vor, droht Strafe. Nicht direkt eine Haftstrafe, wie Powierski die Eltern im Saarburger Jugendtreff beruhigt. Aber ein regelmäßiger Besuch einer Drogenberatung könne auferlegt werden. Der Experte für Jugendstrafsachen gibt zu, dass Polizei und Staatsanwaltschaft lange Zeit die Gefahr der Legal Highs nicht erkannt, vielleicht auch verschlafen haben. Generell verboten sind die Substanzen nicht. Nur einzelne Stoffe, wenn sie im Betäubungsmittelgesetz aufgeführt sind. Und bis sie darin auftauchen, kann es Monate dauern. Bis dahin haben die Mixer der gefährlichen Mischungen schon wieder andere Stoffe auf die Kräuter gemischt, die (noch) nicht verboten sind. Das macht es für die Polizei und Strafverfolger so schwer, die Konsumenten der Mischungen zu bestrafen. Laut Landeskriminalamt liegt bei der Hälfte aller Anzeigen wegen Kräutermischungen keine Strafbarkeit vor, weil die Stoffe eben nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen.Zwischenfälle in der Region


Doch womöglich bestrafen sich die Jugendlichen mit dem Rauchen oder Reinziehen der Mischungen selbst schon genug. Denn laut Powierski spielen sie mit den dadurch herbeigeführten Kicks mit ihrem Leben. Weil oft unklar sei, welche Stoffe in welcher Dosierung zugemischt worden seien, könne es schnell zu einer lebensgefährlichen Situation kommen. Es komme sehr rasch zu schweren Rauschzuständen mit Halluzinationen, Angstzuständen, Panikattacken. Nicht selten landen die Konsumenten auf der Intensivstation der Krankenhäuser. Wie im Mai ein 14-Jähriger in Trier, der nach dem Rauchen einer Kräutermischung zusammengebrochen ist.
Ein 18-Jähriger hat nach dem Konsum der gefährlichen Mischung versucht sich mit dem Gürtel zu strangulieren und ist dann aggressiv geworden gegen die Helfer, die ihn gerettet haben.
Im Februar ist in Saarburg ein bewusstloser 20-Jähriger auf der Straße gefunden worden, der nach dem Konsum einer Kräutermischung ins Koma gefallen ist. Nicht immer ist bei den mit den möglichen Symptomen in die Krankenhäuser eingelieferten Jugendlichen klar, ob sie tatsächlich Kräutermischungen zu sich genommen haben. "Die Vermutung auf Legal Highs liegt oft nahe. Aber die Jugendlichen sind bei ihrer Notaufnahme fast immer nicht ansprechbar und können daher nicht berichten, was sie genommen haben", sagt Merten Kriewitz, Oberarzt der Wittlicher Kinder- und Jugendklinik. Alle Fälle würden dem zuständigen Jugendamt und der Polizei gemeldet.
Wenn die Jugendlichen sich wieder erholt hätten, werde darüber gesprochen, "Wir versuchen klar zu vermitteln, dass es bei einem eventuellen nächsten Mal nicht glimpflich ausgehen kann und dass die Jugendlichen beim Konsum dieser Mischungen mit ihrem Leben spielen."
Polizei, Staatsanwaltschaft und Gesundheitsamt informieren am Mittwoch, 15. Juli, 19 Uhr, im Haus der Jugend in Bitburg über die Gefahren von Legal Highs.Extra

Eltern sollten schon frühzeitig mit ihren Kindern über Drogen und den damit zusammenhängenden Gefahren reden. Falls Eltern bei ihren Kindern häufige, extreme Stimmungsschwankungen, unangemessen aggressives, unruhiges, aber auch depressives und zurückgezogenes Verhalten feststellen, können Drogen der Grund dafür sein. Weitere Anzeichen können Vernachlässigung der Schule oder der Arbeit sein, Vernachlässigung der Körperpflege und finanzielle Probleme. Eltern sollten ihre Kinder auf den möglichen Drogenkonsum ansprechen. Es sollte frühzeitig Hilfe gesucht werden in einer Drogenberatungsstelle, sowohl für die Eltern selbst, als auch für die Kinder. wie

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