Schön, aber utopisch

TRIER. Überraschung bei der Vollversammlung des Katholikenrats: Die Vertreter der Dekanate und katholischen Verbände im Bistum Trier haben beschlossen, das "Magdeburger Modell" zu unterstützen. Es schlägt zur Senkung der Arbeitslosigkeit vor, Arbeitsunwilligen keinerlei staatliche Unterstützung mehr zu bewilligen. Stattdessen sollen Stellen für gering Qualifizierte stark subventioniert werden.

"Es kommt nicht darauf an, dass das, was wir heute beschließen, morgen Tagespolitik wird. Es kommt darauf an, dass wir mit Gottes Segen Position beziehen und uns an der Wertediskussion beteiligen." Die einleitenden Worte zur Vollversammlung des Katholikenrats (KR) von Winfried Görgen, Stellvertretender Leiter des KR, klingen im Nachhinein fast entschuldigend für das, was der 55-köpfige Rat an diesem Tag beschließen wird. Arbeit und Arbeitslosigkeit sind das Hauptthema der Wochenendveranstaltung in der Katholischen Akademie Trier. Der Ausschuss für Gesellschaft und Soziales hat dazu eine Beschlussvorlage entwickelt. "Ein neues Leitbild für unser Leben und Arbeiten" steht darüber, "Mut zu Visionen" wird gefordert. Die Vision ähnelt marxistischen Ideen: Vorhandene Arbeit müsse neu verteilt, die Arbeitszeit spürbar verkürzt, Familien-, Haus-, Gartenarbeit und gemeinnützige Tätigkeiten gegenüber der Erwerbsarbeit als gleichwertig anerkannt werden. Dazu müsse die "soziale Sicherung eine breitere Grundlage als die Erwerbsarbeit" erhalten. Nötig sei ein "bedingungsloses Grundeinkommen". Und: "Erwerbsarbeit ist nicht alles", sagte Günther Salz, KR-Mitglied und Geschäftsführer der Liga der Wohlfahrtsverbände Rheinland-Pfalz. Einen zweiten Ansatz zur Verminderung von Arbeitslosigkeit präsentiert der vom KR eingeladene Magdeburger Wirtschaftswissenschaftler Joachim Weimann. "Ich glaube nicht, dass es zu einem Streitgespräch über unsere beiden Modelle kommen wird", beginnt dieser zum Erstaunen vieler. "Denn die Gräben zwischen der wissenschaftlichen Welt und dem, was hier vorgetragen wurde, sind so groß, dass selbst das ausführlichste Streitgespräch nicht zu einer Einigung führen wird." Die Forderungen des Sozialausschusses des KR führt er ad absurdum: "Wir haben in den letzten zehn Jahren die Arbeitslosigkeit bereits massiv verkürzt, das ist aber kein Ausweg aus der Krise!" Es dürfe nicht um die Umverteilung einer vorhandenen Arbeitsmenge gehen, sondern um die Schaffung zusätzlicher Stellen. "Vieles im Bereich Dienstleistung und einfacher Arbeiten bleibt unerledigt, weil Arbeit einfach zu teuer ist." Durch die Subvention der Arbeitslosigkeit erzeuge der Staat seine Sozialfälle selbst. "Für ALG-II-Empfänger besteht doch gar kein Arbeitsanreiz!" Wer arbeite, müsse für eine immer größere Menge Arbeitsloser aufkommen. Das sei ungerecht, sagt der Professor, der das "Magdeburger Modell" mitentwickelt hat. Es zielt darauf, die Anreize zur Arbeitssuche zu erhöhen. Arbeitsunwillige sollen keine Unterstützung von der Solidargemeinschaft erhalten. Gleichzeitig sollen die Bruttolöhne für gering Qualifizierte gesenkt werden, ohne deren Nettoeinkommen anzutasten. "Möglich wird das, indem Firmen, die zusätzliche Arbeitskräfte einstellen, von den Sozialabgaben für diese befreit werden", erklärt Weimann das Modell und rechnet vor. Das Streitgespräch zwischen Weimann und Salz ist hart. Der KR-Vertreter wirft dem Wissenschaftler vor, "den Menschen zur Ware zu machen". Weimann hält dagegen: "Wir wollen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen - das ist moralisch positiv." Der Trierer Unternehmer Peter Leyendecker vom Bund der katholischen Unternehmer sekundiert: "Ich würde sofort Mitarbeiter einstellen, aber wir können uns die hohen Bruttolöhne nicht leisten! Das Magdeburger Modell ist mir daher sehr sympathisch." Von der Plenums-Diskussion schließt der KR die Presse aus. In seiner Mitteilung schreibt Görgen später: "Im Rat besteht Einigkeit darin, dass pragmatische Lösungen gesucht werden müssen, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Die Magdeburger Alternative hat den Rat überzeugt und wird voll unterstützt."

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