Schönster Job nach dem Bischofsamt

MAINZ. Zwölf Jahre lang zog und lenkte Joachim Mertes den SPD-Fraktionswagen – nun wird er Landtagspräsident, auch wenn sein Parteichef Kurt Beck den bewährten Fahrensmann nicht gerne ausspannen lässt. Landtagspräsident, "das ist nach dem Trierer Bischofsamt der schönste Job im Land", strahlt Mertes.

Warum er denn lieber im Landtag präsidiere, statt weiter als mächtiger Fraktionschef Politik mit zu gestalten? "Mal schauen, ob ich das auch kann", sagt der gebürtige Trierer mit seinem typischen, verschmitzten Lächeln.Zurückhaltung auf dem Präsidentenstuhl

Ein mulmiges Gefühl beschleicht den als Zwischenrufer und wortgewaltigen Debattierer gefürchteten Mertes nicht, wenn er an seine neue Funktion denkt, die ab 18. Mai als Nachfolger des Trierers Christoph Grimm auf ihn wartet. Staatsmännische Zurückhaltung will er sich auf dem Präsidentenstuhl auferlegen. "Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand", sagt der gelernte Bäcker voller Selbstironie. Und schließlich sei er - just 57 geworden - in einem Alter, in dem man noch etwas Neues beginnen könne, nach zwölf Jahren im Fraktionsvorsitz. Mertes freut sich natürlich auch auf die zahlreichen Aufgaben in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die mit dem Präsidentenamt verbunden sind, nicht zuletzt in der Region Saar-Lor-Lux. Ein Französisch-Kurs wird noch gebucht, beim "Letzebuerger Platt" sind noch Grundlagen vorhanden. Mertes wuchs in Nittel an der Obermosel auf, fuhr schon als Elfjähriger mit dem Bäcker im Saargau Brot aus und erinnert sich an manche Schmuggeltour mit seinen jugendlichen Kumpanen durch die Mosel ins gegenüberliegende luxemburgische Machtum. Nach der Bäckerlehre ging es zur Bundeswehr, wo er später als Kompaniefeldwebel lernte, die Marschrichtung vorzugeben. Dabei blieb der leidenschaftliche Hobbykoch in Buch im Hunsrück hängen, wo er seit 1989 auch als Ortsbürgermeister residiert. In eine bestimmte Richtung würde Mertes auch gerne das Parlament bewegen: Lebendiger soll es dort zugehen - mit mehr freier Rede statt sturem Vorlesen von Manuskripten. Es wäre der x-te Versuch, die freie Rede zur Regel zu machen. Den Landtag will er weiter öffnen für interessierte Besucher. Zwischen Schülern und bildungsbewussten Senioren gilt es aus seiner Sicht große Lücken zu schließen. Dass sich die Grünen nach ihrem mäßigen Abschneiden bei der Wahl aus dem Landtag verabschieden müssen, bedauert Mertes: "Da fehlen künftig Farbtupfer und durchaus gut informierte Kollegen." Doch munter wird es nach seiner Einschätzung trotzdem werden, schließlich müssen sich CDU und FDP mit neuen Kräften als Opposition beweisen.Kein Rütteln an der Mittagspause

Der Fan von Mozart und verjazzter Klassik muss dann aufpassen, dass nicht sein Temperament mit ihm durchgeht. Er will sich "einen Stein auf die Zunge legen", um in der Debatte nicht mehr so schnell zurückzuschießen wie bisher. Mit spitzen Bemerkungen war Mertes stets zur Stelle, wenn es galt, von seinem strategisch sehr günstig gelegenen Platz neben dem Pult den Redner aus dem Rhythmus zubringen. Ordnungsrufe hat er jedoch nie kassiert. Zwischenrufe müssen Niveau haben - oder zumindest selbstironisch sein, so seine Devise. Auf eines müssen sich die Abgeordneten unter dem neuen Präsidenten auf jeden Fall einstellen: die strikt eingehaltene Mittagspause. Richtig unwirsch kann der Frühaufsteher und tägliche Jogger werden, wenn Unvorhergesehenes den Zeitplan der Sitzung durcheinander wirbelt. Nicht verzichten will er auch in seinem neuen Büro auf seinen beeindruckenden, restaurierten Schrank mit Geheimfach. "Etwas Hunsrücker Kultur tut dem Präsidenten-Palais gut", sagt Mertes - und grinst sich wieder eins.

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