Schon einmal kurz vor der Versöhnung

BONN/TRIER. Der jüngste Streit um das Abendmahl hat gezeigt, dass es noch einige Differenzen zwischen Katholischer und Evangelischer Kirche gibt. Das war schon einmal anders, wie der Blick in die Geschichte zeigt: Vor 450 Jahren kamen sich die beiden Konfessionen nahe, scheiterten aber letztlich an der Politik - und am Vatikan.

 Sisyphusarbeit: Seit Anfang der 90er-Jahre erforschen Wissenschaftler die Reichsreligionsgespräche - bedeutend für die Ökumene und keine leichte Aufgabe: Manche Aufzeichnungen aus dem 16. Jahrhundert ähneln dem eilig hingekritzelten Rezept eines Arztes - einem Rezept in Frühneuhochdeutsch mit vielen Dutzend Seiten.Foto: Frank Luerweg/Universität Bonn

Sisyphusarbeit: Seit Anfang der 90er-Jahre erforschen Wissenschaftler die Reichsreligionsgespräche - bedeutend für die Ökumene und keine leichte Aufgabe: Manche Aufzeichnungen aus dem 16. Jahrhundert ähneln dem eilig hingekritzelten Rezept eines Arztes - einem Rezept in Frühneuhochdeutsch mit vielen Dutzend Seiten.Foto: Frank Luerweg/Universität Bonn

Auf den so genannten Reichsreligionsgesprächen verständigten sich vor 450 Jahren Protestanten und Altkatholiken über strittige Fragen. "In einigen Punkten waren sich die Konfessionen damals näher als heute", urteilt Karl-Heinz zur Mühlen, emeritierter Professor der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. Zusammen mit Theologen und Historikern aus Mainz und München untersucht er die insgesamt fünf Treffen zwischen 1540 und 1557. Initiiert hatte sie der katholische Kaiser Karl V. Sein Ziel: Fürsten, Juristen und Theologen der katholischen und protestantischen Seite sollten strittige Punkte diskutieren und Konsensmöglichkeiten ausloten. Mit Erfolg: Beim zweiten Religionsgespräch in Worms und beim dritten Treffen auf dem Reichstag zu Regensburg im Frühjahr 1541 kam es zu fruchtbaren theologischen Debatten auf hohem wissenschaftlichen Niveau. "Über Punkte wie die Rechtfertigungslehre - ob Gott den Sünder nach dessen Leistungen und Verfehlungen richtet oder allein durch seine Gnade - konnte man sich dabei verständigen", erklärt zur Mühlen. Dabei war die Rechtfertigungslehre damals einer der zentralen Punkte. Andere Fragen, wie die, ob die Autorität des Papstes höher als die der Bibel einzuschätzen sei oder die nach der Bedeutung der Wandlung von Brot und Wein in Christi Leib und Blut blieben strittig. Doch selbst bei diesen Fragen - die letztlich auch heutigen Debatten über das gemeinsame Abendmahl zu Grunde liegen - gab es deutliche Annäherungen. Professor Hasenhüttl hätte konvertieren müssen

Zur Mühlen, Bonner Kirchenhistoriker, hat in den Regensburger Aufzeichnungen "wenig Polemik, sondern echten Willen zum Ausgleich trotz dogmatischer Differenzen" ausgemacht, was durchaus ein Vorbild für manchen Debattenbeitrag noch heute sein könnte. Im Gegensatz zur Gegenwart durfte allerdings damals auch noch längst nicht jeder mitreden - kirchliche Laien hatten nichts zu sagen. Am Tisch bei den Religionsgesprächen saß die Crème de la Crème der zeitgenössischen Theologen. Auch ein Fall "Hasenhüttl" - der Saarbrücker Theologe hatte die Kommunion an Protestanten ausgeteilt - wäre damals wohl gar nicht möglich gewesen, glaubt der Professor. Protestanten und Katholiken seien räumlich strikt getrennt gewesen, je nach Konfession des Landesherren. Hasenhüttl hätte also keine Gelegenheit gehabt, Protestanten zum Abendmahl einzuladen, sondern hätte gleich zum Protestantismus konvertieren müssen. Eine Parallele zur Aktualität gibt es dennoch: Wie Hasenhüttl sich heute bei seinem Verstoß gegen das Kirchenrecht direkt auf die Bibel beruft, so hätten auch die Theologen bei den Religionsgesprächen auf beiden Seiten vor allem mit der Bibel argumentiert. Man sei sich einig gewesen, so Professor zur Mühlen, dass "die Sprache der Bibel eine andere ist als die, die sich durch die Tradition der Kirche entwickelt hat". Mit anderen Worten: Die versammelten Humanisten klebten nicht an Paragraphen, sondern sie waren kompromissbereit und pragmatisch gesinnt. Schon damals allerdings sah der Vatikan das alles etwas anders, saßen die Hardliner in Rom. Wo sich die Teilnehmer der Religionsgespräche annäherten, blieben die Kleriker des Papstes hart. Zudem gab es ein deutliches Interesse der Politik, die Gespräche zu instrumentalisieren, um kirchenpolitischen Einfluss auszuüben. Der Einigungswille nutzte den Gesprächspartnern folglich nur wenig: Der Friedensschluss von Crépy im September 1544 verschaffte dem immer wieder in Kriege verwickelten Karl V. Luft, so dass er nun gegen die "Ketzer" im eigenen Reich vorgehen konnte. Das vierte Religionsgespräch im Frühjahr 1546 in Regensburg war nur noch eine Alibi-Veranstaltung, die dem Kaiser als Legitimation für den "Schmalkaldischen Krieg" diente, den er kurz darauf mit Verhängung der Reichsacht gegen die protestantischen Landesfürsten Philipp von Hessen und Johann Friedrich von Sachsen eröffnete. Zumindest in dieser Beziehung laufen die theologischen Debatten von heute positiver: Ein Krieg zwischen Katholiken und Protestanten ist kaum zu befürchten.

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