Schüler aus dem Hunsrück feiern ihren Abschluss mit Nazi-Musik

Kirchberg · Schüler einer Realschule plus in Kirchberg haben bei ihrer Abschlussfeier gemeinsam ein Lied einer Neonazi-Band gesungen. Ein Video der Veranstaltung hat im Internet für Furore gesorgt. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) hat bereits reagiert: Schüler im Land müssen ihre Abschlussfeiern zukünftig absegnen lassen.

Kirchberg. Für großen Wirbel sorgt derzeit ein Video von der Abschlussfeier der Realschule plus in Kirchberg. (Rhein-Hunsrück-Kreis). Auf der Internetplattform Youtube waren die Schüler zu sehen, wie sie bei der Feier in der Stadthalle das Lied "Verlorene Träume" der Band Sleipnir in feinstem Zwirn auf der Bühne sangen. Mittlerweile ist das Video dort wieder entfernt worden.
Der Text des Liedes an sich ist völlig unverdächtig und belanglos - dagegen hat es die Band in sich: Sleipnir wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Formation eingeschätzt, mehrere CDs und Lieder stehen auf dem Index. Sie gelten als menschenverachtend und ausländerfeindlich. Unter anderem ist Sleipnir auch auf den sogenannten Schulhof-CDs vertreten, die von NPD-Vertretern mehrfach kostenlos an Schüler verteilt wurden. Die Band selbst soll bei NPD-Veranstaltungen aufgetreten sein.
Schüler: Lehrer waren informiert


Der Schüler, der das Video online gestellt hatte, behauptet, dass "die Lehrer über alles Bescheid" gewusst hätten. "Sie fanden das nicht weiter schlimm", erklärte er. Es sei ein schönes Lied gewesen, das gut zum Thema Schulabschluss gepasst habe.
"Wir lehnen jedes rechtsradikale Gedankengut ab", verdeutlicht Harald Rosenbaum, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kirchberg, auf Anfrage. Die Stadt habe wie in jedem Jahr ihre Halle für die Abschlussfeier der Schule zur Verfügung gestellt. Seit die ehemalige Haupt- und Realschule zur KGS umfunktioniert wurde, befindet sie sich in Trägerschaft des Rhein-Hunsrück-Kreises. "Wir haben heute von den Vorwürfen erfahren", erklärt Dezernent Christian Keimer von der Simmerner Kreisverwaltung.
Kreisverwaltung ist empört


"Wir bedauern diesen Vorfall sehr", betont Keimer. "Es ist nicht zu tolerieren, dass bei Schulabschlussfeiern im Kreis Lieder rechtsextremistischer Bands gesungen werden. Dies darf sich nicht wiederholen. Der Landkreis als Schulträger, die Verbandsgemeinde und die Stadt Kirchberg waren in die Programmgestaltung nicht eingebunden und auch bei dem Vorfall nicht zugegen", führt der Dezernent aus. "Nachdem wir davon erfahren haben, haben wir die zuständige Schulaufsicht bei der ADD informiert. Wir erwarten von der Schule und der Schulaufsicht eine rückhaltlose Aufklärung und Aufarbeitung, damit sich so etwas nicht wiederholt", unterstreicht Keimer.
Mittlerweile hat sich die ADD mit dem Thema befasst. "Obwohl der Text kein offensichtlich erkennbares rechtes Gedankengut wiedergibt, zeigt doch die Auswahl des Liedes dieser Band durch die Schüler deren bedauerliche jugendliche Naivität und Unüberlegtheit", heißt es in einer Stellungnahme. ADD-Sprecherin Eveline Dziendziol kündigt Konsequenzen an: "Die weiterführenden Schulen werden über diesen Vorfall unterrichtet. Zukünftig werden die Schulleitungen auch über Inhalte von Veranstaltungen, die von Schülern organisiert werden, entscheiden."Extra

Torsten Stoffel, stellvertretender Schulleiter der Realschule plus in Kirchberg. Welche Reaktionen gab es auf die Ereignisse an ihrer Schule? Was sich in den Medien abspielt, ist nicht zu fassen. Wir werden in eine Ecke gedrängt, in die weder die Schule noch die Region hingehören. Wussten die Lehrer von den Plänen der Schüler? Nein, von den Lehrern hat mit Sicherheit niemand die Hintergründe gekannt. Wir verurteilen jede Form von Rechtsradikalismus oder Rassismus. Was werden sie jetzt tun? Es gilt jetzt, den Vorfall aufzuarbeiten. Dazu werden wir uns auch professionelle Hilfe von außen holen. Das Interview führte unser Mitarbeiter Markus Lorenz.

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