Landespolitik Seine Kritiker keifen und kneifen

Frankenthal · Konservative Kreise stören sich am Umbruch unter FDP-Landeschef Volker Wissing. Eine echte Revolution blasen sie aber ab.

Alexander Buda nippt an einem Bier, knabbert an einer Brezel und flucht über die Regierungspolitik der rheinland-pfälzischen FDP. Der Ex-Bezirksvorsitzende aus Koblenz ist ein gefragter Mann beim Parteitag der Liberalen, weil er zu den lautesten Gegnern von FDP-Landeschef Volker Wissing gehört und zu den Wortführern zählt, die den Vorstand am Wochenende mit deftigen Worten provozieren.

Der Landesvorstand handele „zutiefst undemokratisch und illiberal“, heißt es in einem Antrag zum Aus von kommunalen Straßenausbaubeiträgen, die die Fraktion im Mainzer Landtag in dieser Legislaturperiode gegen den Willen von SPD und Grünen nicht durchpeitschen kann. Der Vorstand erdreiste sich, Mitglieder-Beschlüsse jahrelang auf Eis zu legen, tosen die Kritiker laut. Harter Tobak. Doch die Revolution fällt ins Wasser. Als es an den Rebellen liegt, ihre Anträge vor FDP-Delegierten zu untermauern, ziehen sie die Papiere allesamt zurück. Sie kneifen. Ein Schritt, der Volker Wissing ein freches Grinsen ins Gesicht zaubert. Und doch gelingt es den Kritikern, dem FDP-Landeschef einen Dämpfer zu verpassen.

Mit 81,1 Prozent wählen die Liberalen den Wirtschaftsminister zwar erneut zum rheinland-pfälzischen Vorsitzenden – doch das Ergebnis fällt deutlich schwächer aus als noch vor zwei Jahren (87,7 Prozent).  Wissing sagt selbstbewusst: „Das Ergebnis empfinde ich als Auftrag.“ Die gesalzenen Angriffe seiner Gegner schmeckten ihm nicht. „Die Formulierungen in den Anträgen sind unfair gegenüber Wahlkämpfern“, findet der Minister – und schweigt dann.

Lauter ging es am Vorabend des Parteitags zur Sache. Da hatte es dem Vernehmen nach im Landesvorstand mächtig gerappelt. Teilnehmer berichten, wie Buda später den Raum verlassen haben soll. Der Ex-Vorsitzende des Koblenzer Bezirks, der seit dem Wochenende nicht mehr im Landesvorstand sitzt, spricht dagegen von einem „schlechten Ergebnis“ für Volker Wissing. Seine Vorwürfe: Die FDP kämpfe in der Ampelkoalition mit SPD und Grünen nicht genug für ihre liberalen Inhalte, in Umfragen lehnten mehr liberale Wähler die Regierungspolitik ab als ihr zuzustimmen. „Das darf doch wohl hinterfragt werden“, sagt Buda, der von der FDP-Fraktion im Mainzer Landtag „mehr Dampf“ fordert. Wie beim Aus für Straßenausbaubeiträge: „Die müssen sagen: Hört mal, Freunde, wir wollen das, weil es sozial gerecht ist“, so der FDP-Rebell.

Immer wieder wehrt sich in Rheinland-Pfalz ein konservativer Flügel gegen die Wissing-Politik, deren Rufe besonders laut aus dem Koblenzer Raum zu hören sind. Mancher Befürworter sieht dort die Grünen als das rote Tuch, Männer sollten nach wie vor mit der Faust auf den Tisch hauen dürfen und erfolgreiche Frauen werden gerne als lieb und still unterschätzt.

Wissing fährt eine andere Linie, krempelte die Liberalen nach Wahlpleiten um, führte sie in eine Koalition mit dem grünen Rivalen und einer SPD, bei der Ministerpräsidentin Malu Dreyer überzeugte Feministin und Kämpferin für Frauenpolitik ist. Mit CDU-Landeschefin Julia Klöckner liegt er im Dauerclinch, in eine WG ziehen beide zusammen in diesem Leben wohl nicht mehr ein. Bei den Jungen Liberalen strömt unter Landeschef Luca Lichtenthäler eine motivierte Generation nach, die wiederum Schülerdemos für Klimaschutz würdigt. Lichtenthäler kritisiert beim Parteitag FDP-Bundeschef Christian Lindner, der gesagt hatte, Klimaschutz sei eine Sache für Profis. „Es kann nicht sein, dass er sich so im Ton vergreift. Ich habe lieber eine seriöse FDP als eine laute FDP in der Bild am Sonntag“, sagt Lichtenthäler.

Wissing bemüht sich wiederum, viele Lager zu umarmen. Er hat Lust auf Wahlkampf – und fährt harte Angriffe.

Die SPD? Bundesfinanzminister Olaf Scholz führe das Land „in die Grütze“, weil er eine Steuerreform verweigere. Die CDU? Wirtschaftsminister Peter Altmaier habe bei seiner Industriepolitik „offenbar mehr Pizza mit den Grünen gegessen als Ludwig Erhard gelesen“. Julia Klöckner blockiere die Bauern und Winzer. Die Grünen? „Es muss Schluss sein mit der Träumerei“, tönt Wissing zu E-Autos. Deutschland habe nicht das Stromnetz, nicht die Schnellladesäulen, nicht Rohstoffe für ausreichend Batterien und nicht die Möglichkeit, Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, weist er auch den politischen Partner schroff zurecht.

Die FDP? Mit ihr seien in Rheinland-Pfalz die Zeiten roter Zahlen im Haushalt beendet, mehr Polizisten im Dienst und Asylverfahren die schnellsten in Deutschland. „Es geht was mit uns im Land“, sagt Wissing, der für seine Rede langen, stehenden Applaus bekommt – aber nicht alle Stimmen. Der Kommentar von Wissing: „Ich kann es leider nicht allen recht machen.“

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