Selbst ernannte Saubermänner

TRIER/HAMBURG. Eine konservative Christenvereinigung macht derzeit durch eine Postwurfsendung auf sich aufmerksam. Die Aktion "Deutschland braucht Mariens Hilfe" protestiert gegen die Hamburger Fotoausstellung "Corpus Christi" und sucht dafür Unterstützer.

Das Foto verleitet zum Hinsehen: Der Kopf des gekreuzigten Jesus mit der Dornenkrone, das Gesicht voller Blut, die Augen geschlossen. "Ich werde beleidigt - Kannst du mich verteidigen - Stopp Gotteslästerung jetzt" steht auf dem Din-A-5 großen Papier neben dem Farbfoto. Eingeschweißt in Plastikfolie zusammen mit zwei Postkarten und einer Überweisungskarte liegt diese unadressierte Postwurfsendung derzeit in zahlreichen Briefkästen. Absender: Die "Aktion Deutschland braucht Mariens Hilfe". Dahinter verbirgt sich die in Frankfurt sitzende Deutsche Vereinigung für eine Christliche Kultur (DVCK), eine private Initiative, die nach eigenen Angaben keine offizielle Bindung an Kirchen oder Parteien hat. Sonderlich aufgefallen ist die 1983 gegründete und stockkonservative Vereinigung bislang noch nicht. Sie macht sich stark für die Abschaffung der so genannten Homo-Ehe, kämpft vehement gegen Abtreibung, wettert gegen Sexualkunde-Unterricht in Schulen und gegen Aufklärung etwa in der Bravo ("Die Bürger Deutschlands müssen die Kinder vor der moralischen Verrohung schützen"). Mit der provozierenden Post wollen sie gegen "eine unverschämte Gotteslästerung in Deutschland" kämpfen: Die Ausstellung "Corpus Christi", die seit Weihnachten im Hamburger Haus der Photographie zu sehen ist. Noch nie habe es in Deutschland eine Ausstellung mit so vielen Gotteslästerungen gegeben, heißt es auf der Rückseite des Din-A-5-Blattes. "Busenfreie" Tänzerinnen auf einer Darstellung des letzten Abendmahls, nackte Frauen am Kreuz, ein Paar bei "einem widerlich, perversen Geschlechtsverkehr" bei einer Abendmahlszene. "Bleiben Sie nicht untätig! Ihr Protest ist unentbehrlich, um der Zunahme der Blasphemie in Deutschland Einhalt zu gebieten", wird auf dem Blatt aufgerufen. Und um seinen Protest zu artikulieren, soll man die beigefügten Postkarten ("Stopp die Gotteslästerung jetzt") unterschreiben, frankieren und an das Haus der Fotographie in den Hamburger Deichtorhallen oder an die Hamburg-Redaktion der Tageszeitung "Die Welt" schicken, die ihre Leser zum Protest gegen die Ausstellung aufrufen soll. Die Initiatoren des Protestes rechnen mit über 100 000 Teilnehmern, die ihr Kärtchen nach Hamburg schicken. Noch scheint der Rüklauf eher gering: "Die Initiative hat gerade erst angefangen", verteidigt sich die Vereinigung. Man kann aber auch die Aktion unterstützen, wenn man auf einem Coupon seine "bestmögliche Spende", entweder 20, 30 oder 50 Euro, ankreuzt. Erst beim zweiten Hinschauen erkennt man neben dem Überweisungsträger den Hinweis, dass die Spenden nicht steuerlich absetzbar sind. Die DVCK, die sich fast ausschließlich über Spenden finanziert, ist nämlich nicht als gemeinnützig anerkannt. Was geschieht also mit dem Geld? Es werde für die Ausbreitung der Initiative verwendet, erklärt der Chef der Vereinigung, Mathias von Gersdorff, der von seinen Kritikern zu einem Kreis "rechtsklerikaler Aktivisten" gezählt wird. Mit den Spenden soll laut Gersdorff die Öffentlichkeit mobilisiert und Rechtsanwälte bezahlt werden, um "Verfahren wegen Gotteslästerung einzuleiten". Ziel sei es, so Gersdorff, den "Skandal sofort zu beenden"."Durchgeknallte Sektierer"

Selbst eingefleischte Kirchenkritiker wie der Trierer Hermann Münzel kennen die Organisation nicht. "Durchgeknallte Sektierer gibt es viele und immer wieder", kommentiert der Herausgeber der kirchenkritischen Zeitschrift Imprimatur die selbst ernannten Saubermänner. Die Macher der noch bis Ostern dauernden Ausstellung, die 150 Fotos von so bekannten Fotografen wie Annie Leibovitz oder Robert Mapplethorpe zeigt, gestehen zu, dass einige Werke sozialkritisch sind und auch eine politische Dimension haben. Sie zeige Kitsch und Blasphemie, sie habe sozialkritischen Anspruch und vermittle zugleich religiöseMystik, heißt es in einer kürzlich erschienenen Besprechung der Ausstellung, die übrigens im Israel Museum in Jerusalem zusammengestellt worden ist. Auf jeden Fall sei sie bemerkenswert, meint der Kritiker. Viel Lärm um nichts also. Allem Anschein nach nutzt ein stockkonservativer Verein die Schau aus, um sich wichtig zu machen. Vielleicht sollte man es mit der ungebetenen Post machen, wie mit dubiosen Gewinnmitteilungen, die einem ins Haus flattern: ab in den Papierkorb.

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