Sieben Professoren sollen Missbrauch in katholischer Kirche aufarbeiten

Bonn · Die katholische Kirche nimmt einen zweiten Anlauf, um den sexuellen Missbrauch in den eigenen Reihen wissenschaftlich aufzuarbeiten. Das hat der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Triers Bischof Stephan Ackermann, verkündet.

 Der Trierer Bischof Stephan Ackermann. TV-Foto: Friedemann Vetter

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann. TV-Foto: Friedemann Vetter

Bonn. Der erste Versuch, den 2010 hochgekochten Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche wissenschaftlich aufzuarbeiten, war Anfang 2013 unter gegenseitigen Vorwürfen des damaligen Projektleiters Christian Pfeiffer und der Bischöfe gescheitert. Im zweiten Anlauf haben die Bischöfe nun ein Team aus sieben Professoren mit einem neuen Forschungsprojekt zum sexuellen Missbrauch durch Priester und andere Kirchenverantwortliche beauftragt. Triers Bischof Stephan Ackermann stellte gestern in Bonn das Forscherteam um den Neurowissenschaftler Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim vor.
Die Wissenschaftler kommen aus vier Institutionen. Neben Dreßing gehören der Direktor des Instituts für Kriminologie der Universität Heidelberg, Dieter Dölling, sowie der Leiter des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg, Andreas Kruse, zum Team. Bischof Ackermann: "Wir wollen Klarheit und Transparenz über diese dunkle Seite in unserer Kirche - um der Opfer willen, aber auch, um selbst die Verfehlungen zu sehen und alles dafür tun zu können, dass sie sich nicht wiederholen."
Dreßing betonte, es werde völlig unabhängig und nach strengen wissenschaftlichen Kriterien gearbeitet. Das Projekt gliedert sich in sechs Teilprojekte. So sollen in neun Bistümern Personalakten ab 1945, in 18 Bistümern solche ab 2000 analysiert werden. Auch Interviews mit Opfern, Tätern und Kirchenverantwortlichen wollen die Forscher führen. Taten sollen analysiert, Täterstrategien entlarvt werde. Das Problem des Missbrauchs sei nicht auf Zahlen zu reduzieren, betonte Dreßing mehrmals.
Die Forscher gehen auch der Frage nach, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei sexuellen Missbrauchsdelikten in der katholischen Kirche und in anderen Institutionen bestehen. Der Mannheimer Professor sagte, Forschung zum Thema Missbrauch in Institutionen sei weltweit ein blinder Fleck. Der Projektleiter schreibt den Opfern eine besondere Rolle zu: "Sie sind die eigentlichen Experten des Missbrauchs", sagte er. Betroffene sollen von Anfang an in das Projekt, das bis 2017 laufen soll, eingebunden werden.
Laut Bischof Ackermann hatten sich drei Forschungsverbünde mit 22 Wissenschaftlern um das Projekt beworben.
Die Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche begrüßte, dass das Forschungsprojekt interdisziplinär und auf Aspekte wie Täterstrategien, Opferleben sowie institutionelle Aspekte angelegt ist. Sie hegt aber Zweifel, ob ein von der Bischofskonferenz initiiertes und finanziertes Projekt überhaupt in der Lage sein kann, "grundlegende Ursachen herauszufiltern, die sich aus der hierarchischen und zölibatären Struktur der römisch-katholischen Kirche ergeben".

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