Landespolitik Zwei Jahre Ampelregierung in Rheinland-Pfalz: So benotet der TV die Spitzenpolitiker

Mainz · In wenigen Monaten geht die rheinland-pfälzische Legislaturperiode in die Halbzeit – doch schon heute feiert sie ihren zweiten Geburtstag. Der TV schätzt ein, wie sich die Spitzenpolitiker bislang geschlagen haben.

So benotet der TV die ersten zwei Jahre der Ampel
Foto: dpa/Andreas Arnold

Die rheinland-pfälzische Legislaturperiode feiert heute ihren zweiten Geburtstag. Wie haben sich die Landeschefin, Minister und Fraktionschefs in dieser Zeit entwickelt? Der TV vergibt Noten.

Doris Ahnen (Finanzministerin, SPD): Die Genossen schätzen den ruhigen, sachlichen Ton der gebürtigen Triererin, die auch im SPD-Bundesvorstand sitzt. Politisch schaffte die Hüterin der Finanzen nach der Niederlage vor dem Verfassungsgerichtshof den umstrittenen Pensionsfonds ab. Satte Steuereinnahmen sorgten für Haushaltsüberschüsse. Auf Ahnen wartet dennoch ein schwerer Spagat: Spätestens 2020 muss das Land die Schuldenbremse einhalten. Zugleich erwarten die Gewerkschaften, dass bei der Beamtenbesoldung nachgelegt wird. (Note: 2+)

Christian Baldauf (Fraktionschef, CDU): Mit dem Wechsel von Julia Klöckner nach Berlin rückte der Pfälzer zum zweiten Mal an die Spitze der CDU-Fraktion und zählt zu den Favoriten für eine Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2021. Jüngste Reden im Parlament versemmelte Baldauf aber, weil er sich in zu vielen Details verstrickte. SPD-Landeschef Roger Lewentz munkelte schon offen, dass sich Landkreistagschef Günther Schartz (Trier-Saarburg) bereits in Stellung bringe bei der CDU. Baldauf muss seinen Weg noch finden – und mehr Profil aufbauen.(Note: glatte 3)

Sabine Bätzing-Lichtenthäler (Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Demografie, SPD): Ein Beobachter aus der Landespolitik sagt über die Ministerin, sie sei vom „Rising Star zum Fallen Star“ geworden – vom aufsteigenden zum gefallenen Stern. Tatsächlich fällt das Ministerium bislang mehr durch Konflikte wie beim Medizinischen Prüfdienst und den Behinderten-Werkstätten auf. Große Würfe wie zur Pflege oder Krankenhausfinanzierung fehlen bislang. (4-)

Bernhard Braun (Fraktionschef, Grüne): Der 59-Jährige bereichert mit seinen Reden das Parlament, leistete sich aber schon verbale Entgleisungen, wenn Emotionen mit ihm durchgingen: Braun nannte die CDU mal „Dreckspartei“, wofür er sich entschuldigte. Dem AfD-Abgeordneten Joachim Paul rief er entgegen, er werde an seiner „braunen Soße ersticken“. (4)

Malu Dreyer (Ministerpräsidentin, SPD): Die Regierungschefin gewann über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinaus Profil, landete als Bundesvize der Genossen das beste Wahlergebnis. Die Folge: Der Name der Triererin dürfte künftig auch fallen, wenn es um Kanzlerkandidaten für 2021 geht. Ihre politisch schwerste Stunde – den zunächst geplatzten Verkauf des Flughafens Hahn – überstand sie ohne bleibende Schäden. (1–)

Ulrike Höfken (Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten, Grüne): Die Eifelerin gilt nicht als Liebhaberin von öffentlichem Rummel mit klickenden Kameras. Das Problem: Damit bleibt das grüne Umweltministerium in der Wahrnehmung bislang zu blass. Ein Leuchtturm-Projekt wie der Nationalpark in der vergangenen Legislaturperiode fehlt bislang. (4 –)

Stefanie Hubig (Ministerin für Bildung, SPD): Bei der Reform kleiner Grundschulen ist Hubig als Tiger gestartet – und als Bettvorleger gelandet. Das Land prüfte bei 41 Dorfschulen, ob diese schließen müssen. Am Ende müssen nach langem Hin und Her nur vier Schulen zumachen. Mit Spannung erwarten Kommunen nun den Entwurf zum Kita-Gesetz. (4 –)

Uwe Junge (Fraktionschef, AfD): Bei der AfD gehört Provokation zur Taktik, doch der AfD-Landeschef schießt mit seinen Sätzen oft über das Ziel hinaus. In der Landespartei gewann er den Machtkampf gegen seine größte Widersacherin Christiane Christen. AfD-Beobachter räseln wiederum, ob der ehrgeizige Fraktionsvize Joachim Paul noch höhere Ziele hat – und Junge gefährlich werden könnte. (4)

Julia Klöckner (Ex-Fraktionschefin, CDU): Klöckner hat sich aus dem Loch befreit, in das sie nach der Wahlpleite 2016 gefallen war. Die 45-Jährige hat die CDU-Fraktion verlassen, blüht als neue Landwirtschaftsministerin im Bund auf und präsentiert sich öffentlich gerne mit ihrem neuen Lebensgefährten. Die Machtbasis in Rheinland-Pfalz gibt Klöckner aber nicht auf. Im Herbst will sie erneut als CDU-Landeschefin kandidieren. Spätestens 2020 müssen dann die Würfel fallen, ob sie dauerhaft in Berlin bleibt – oder doch überraschend ein drittes Mal als Spitzenkandidatin antritt. (1 –)

Roger Lewentz (Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur, SPD): Das peinliche Hahn-Desaster stürzte den Minister in die Krise, die er hinter sich gelassen hat. Zuletzt gewann er an Profil durch eine Rasterfahndung nach möglichen islamistischen Gefährdern und den Vorstoß, Fußball-Bundesligisten für Polizeieinsätze zur Kasse bitten zu wollen. (3 – )

Herbert Mertin (Minister für Justiz, FDP): Tauchten Brandherde in der Justiz auf, wusste der Minister sie rasch zu löschen. Beim Verwaltungsgericht Trier stellte Mertin neue Richterstellen bereit, geplante Stellenstreichungen bei Vollzugsbeamten stoppte er. Das könnte wiederum auf Kosten des Trierer Gefängnisses gehen, dem das Aus droht. Das Land prüft derzeit einen Ausbau in Wittlich. Aufgabe von Mertin ist es, besorgte Mitarbeiter auf dem Weg mitzunehmen. (1 –)

Thomas Roth (Ex-Fraktionschef, FDP): Den steilsten Absturz erlebte Thomas Roth, der als FDP-Fraktionschef eine Fehlbesetzung war und nun noch einfacher Abgeordneter ist. Der Westerwälder galt selbst in den eigenen Reihen als unvorbereitet, fiel rhetorisch ab. Als eine Zeitung schlüpfrige Sex-Erlebnisse zitierte, die Roth über seine Internatszeit niedergeschrieben hatte, trat er entnervt zurück. (5)

Alexander Schweitzer (Fraktionschef, SPD): Mit dem Sprung in den Bundesvorstand hat Schweitzer seinen Ruf als Kronprinz für das Ministerpräsidentenamt gefestigt. Durch den Wechsel von Julia Klöckner ist Schweitzer nun stärkster Redner unter den Fraktionschefs im Parlament. Und doch müsste der SPD-Mann die CDU-Politikerin eigentlich vermissen, die ihn in Rededuellen häufig zu seinen stärksten Leistungen trieb. (2)

Anne Spiegel (Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz, Grüne): Kein Regierungsmitglied stand bislang so häufig in der Kritik. Historisch war die Rüge von Lars Brocker, dem höchsten Richter des Landes. Er warf Spiegel vor, bei Abschiebungen die Entscheidungen der Gerichte nicht zu beachten. Zugleich reagierte die Grüne in anderen Fragen mit Härte, wie bei verschärften Sicherheitsbedingungen im Ingelheimer Abschiebegefängnis oder strengeren Regeln bei der Altersfeststellung von Flüchtlingen. Derzeit pausiert Spiegel, weil sie zum vierten Mal Mutter wurde. Gut möglich, dass sie für ihre Partei 2021 als Spitzenkandidatin in die Wahl zieht – bei der Basis ist sie beliebt. (4 +)

Cornelia Willius-Senzer (Fraktionschefin, FDP): Die Tanzlehrerin sorgte für einen Jupp-Heynckes-Effekt in der FDP-Fraktion: Wie der Trainer bei Bayern München verbesserte die 74-Jährige in der FDP nach dem Rücktritt ihres Vorgängers die Atmosphäre in den eigenen Reihen. Aus der Fraktion kommen aber nach wie vor zu wenig Impulse. (3)

Volker Wissing (Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, FDP): Bundespolitisch zählte Volker Wissing zu den Finanzminister-Kandidaten, wäre die Jamaika-Koalition nicht geplatzt. In Rheinland-Pfalz punktet er bislang im Verkehr: Das Ministerium steckt mehr Mittel in den Straßenausbau, die A1 ist im Planfeststellungsverfahren. Aus der Wirtschaft tönt dagegen leises Murren. Die Koblenzer IHK-Präsidentin sagte in einem Interview vor wenigen Tagen, sie vermisse „zündende Ideen“. Die Landesvereinigung Unternehmerverbände hält Wissing an, mehr „zu nerven“.(2 –)

Konrad Wolf (Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, SPD): Nach wie vor fliegt Wolf häufig unter dem Radar, ist kaum wahrnehmbar. Mit klaren politischen Ansagen fremdelt der Ex-Hochschulpräsident. Dabei gibt es Baustellen, die das Ministerium beheben muss. Ein Experten-Gutachten kritisierte zuletzt das unterfinanzierte Hochschulsystem in Rheinland-Pfalz. Hier muss das Land im Doppelhaushalt 2019/20 nachlegen – sonst dürfte die Kritik zunehmen.(4 –)

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