"So eine Entscheidung trifft man nicht von heute auf morgen"

Interview · Malu Dreyer im Interview: Dem Trierischen Volksfreund stand die Triererin in einem Café am Kornmarkt gemeinsam mit ihrem Mann Klaus Jensen Rede und Antwort - wann sie die Entscheidung fällte, was ihr Mann darüber denkt, welche Ausgaben der künftigen Landeschefin bevorstehen.

 Sie beantworten in einem Café am Trierer Kornmarkt die Fragen der Volksfreund-Redakteure: Die künftige rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihr Ehemann, der Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen (beide SPD). TV-Foto: Rolf Seydewitz

Sie beantworten in einem Café am Trierer Kornmarkt die Fragen der Volksfreund-Redakteure: Die künftige rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihr Ehemann, der Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen (beide SPD). TV-Foto: Rolf Seydewitz

Am Freitag ist bekannt geworden, dass die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Malu Dreyer Anfang Januar Kurt Beck als Ministerpräsident beerben soll. Seitdem ist die 51-jährige Sozialdemokratin eine der gefragtesten Politikerinnen in Deutschland. Dem Trierischen Volksfreund stand die Triererin am Samstagnachmittag in einem Café am Kornmarkt gemeinsam mit ihrem Mann Klaus Jensen Rede und Antwort. Das Interview führten unsere Redakteure Frank Giarra und Rolf Seydewitz.

Frau Dreyer, künftig haben Sie bei dem von Ihnen und Ihrem Mann so geschätzten Kaffee in der Fußgängerzone vier Leibwächter um sich herum. Keine angenehme Vorstellung, oder?
Dreyer: Die Sicherheit ist sehr diskret. Und vor der Wahl …
Jensen: … bis dahin übernehme ich das noch. Ich kann Karate.
Dreyer: Im Ernst. Ich kann mir das mit den Sicherheitsbeamten noch schwer vorstellen. Bislang laufe ich überall so vogelfrei herum.
Wann haben Sie denn von Kurt Beck erfahren, dass Sie seine Nachfolgerin werden sollen?
Dreyer: Die konkrete Frage kam sehr kurzfristig. Kurt Beck hat für sich die Entscheidung getroffen, dass er aus gesundheitlichen Gründen das nicht mehr lange machen kann, und ist dann auf mich zugekommen. Aber das Thema Nachfolge stand ja schon seit Monaten im Raum.
Heißt: Beck hat Sie schon früher einmal gefragt, ob Sie sich die Nachfolge vorstellen könnten …
Dreyer: Mich haben viele gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte, auch Kurt Beck. Aber nicht mit einem konkreten Zeitpunkt verbunden, sondern grundsätzlich.
Und, was haben Sie ihm geantwortet?
Dreyer: Dass ich überlege. Das war ein langer Prozess, so eine Entscheidung trifft man nicht von heute auf morgen. Man muss sich das gut überlegen und abwägen.
Von daher stand Ihre Entscheidung schon fest, als Sie jetzt von Kurt Beck gefragt wurden?
Dreyer: Ja, ich hatte eine innere Gewissheit, dass ich mir das gut vorstellen kann. Und das habe ich Kurt Beck auch gesagt, als er mich jetzt gefragt hat.
Stimmt es, dass in der Vergangenheit auch SPD-Fraktionschef Hendrik Hering zu Ihnen gekommen ist und gesagt hat: Malu, du musst das machen?
Dreyer: (lacht) Du musst das machen, hat niemand zu mir gesagt. Als Kurt Beck den Vorschlag machte, waren Hendrik Hering, Roger Lewentz und Doris Ahnen (Anm.: alle drei SPDler wurden ebenfalls als mögliche Ministerpräsidenten gehandelt) sofort damit einverstanden, dass ich das mache. Das ist eine gemeinsam getragene Entscheidung.
Hat Ihnen Kurt Beck nicht beide Ämter angetragen, also auch den Parteivorsitz?
Dreyer: Nein, der Gedanke an eine Doppelspitze ist lange herangereift. Ich finde das auch ganz gut, es passt zu mir. Ich will ja die Ministerpräsidentin für alle Rheinland-Pfälzer werden. Und es ist urdemokratisches Denken, dass man Ämter auch trennt. Ich bin und bleibe aber natürlich eine SPD-Frau.
Sie haben Ihre drei Mitbewerber angesprochen: Gibt es da jetzt keinen Futterneid?.
Dreyer: Nein. Wir sind ein gutes Team: alle in etwa ein Alter, kennen uns seit langem, verstehen uns gut und trauen uns zu, gut im Team zu arbeiten. Das ist die absolute Stärke der SPD und hebt uns ein Stück ab von der Opposition.
Ihre Staatssekretärin Jacqueline Kraege wird neue Chefin der Staatskanzlei?
Dreyer: Es ist heute nicht die Zeit, über Personalentscheidungen zu sprechen. Ich werde schließlich erst im Januar gewählt und habe mich mit diesen Fragen noch gar nicht befasst.
Steht nach Ihrer Wahl eine Kabinettsumbildung ins Haus?
Dreyer: Auch wenn das für Sie als Journalisten unbefriedigend ist: Die Entscheidung, dass ich Ministerpräsidentin werden soll, ist gerade mal ein paar Tage alt. Ich habe drei Monate Zeit, mir in Ruhe Gedanken über alles zu machen. Und ich muss mich natürlich in Themen einarbeiten, mit denen ich bislang nicht so viel zu tun hatte.
Zum Beispiel?
Dreyer: Beispielsweise den kommunalen Finanzausgleich. Wir müssen die Schuldenbremse einhalten und das Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Koblenz umsetzen. Ein schwieriges Thema, weil es berechtigte Interessen der Kommunen gibt. Da eine gute Lösung zu finden, ist schwierig und wird eine große Herausforderung sein.
Werden Sie Ihr Landtagsmandat behalten?
Dreyer: Auf jeden Fall.
Inwiefern wird Trier von einer Ministerpräsidentin Malu Dreyer profitieren?
Dreyer: Ich bin natürlich Trie-rerin und werde auch als Ministerpräsidentin unsere schöne Stadt überall anpreisen. Aber natürlich bin ich dann Ministerpräsidentin des ganzen Landes. Als Ministerin bemühe mich übrigens schon seit Jahren, möglichst viel für diese Stadt zu tun, das wird auch in meinem neuen Amt so bleiben.
Bleiben Sie denn im Trierer Schammatdorf wohnen?
Dreyer: Na klar. Das ist so schön, das erdet mich. Es ist für mich wichtig, in einer ganz normalen Umgebung zu wohnen, wo ich mich wohlfühle.
Jensen: Wenn du wegziehen wolltest, müsstest du dich auch von mir scheiden lassen.
Dreyer: Auch das noch.
Inwiefern wird die Arbeitsbelastung für Sie als Ministerpräsidentin zunehmen?
Dreyer: Der MP beschäftigt sich mit ressortübergreifenden Themen; und mit Themen, die voranzubringen sind. Er hat ja keine eigene Ressortzuständigkeit, bis auf die Medienpolitik. Es wird also ein ganz anderes Arbeiten für mich. Ich finde das reizvoll, habe richtig Lust, noch einmal in einen ganz anderen politischen Gestaltungsspielraum einzutauchen.
An Vorschusslorbeeren mangelt es ja nicht: SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat Sie heute als herausragende Persönlichkeit bezeichnet?
Dreyer: Er hat mich heute morgen angerufen und gesagt, dass er sich wirklich freut. Ich habe einen sehr guten Kontakt zu ihm, und der wird sich jetzt auch noch intensivieren.
Welche neuen politischen Akzente wollen Sie setzen?
Dreyer: Es wird eine Regierungserklärung geben, die auf der Koalitionsvereinbarung mit den Grünen fußen wird. Aber natürlich wird man meine Handschrift ablesen können.
Wie ist Ihr Verhältnis zu CDU-Chefin Julia Klöckner?
Dreyer: Wir kennen uns schon ewig. Ich war ja mal Bürgermeisterin in Bad Kreuznach. Sie kommt aus dem Landkreis. Wir begegnen uns freundlich. Und das sollte sich aus meiner Sicht auch nicht ändern. Ich nehme die Opposition ernst, wenn sie sachlich ihre Argumente vorträgt.
Sie haben seit fast zwei Jahrzehnten Multiple Sklerose, wollen nach eigenen Angaben nicht, dass Ihre Erkrankung tabuisiert wird. Glauben Sie, dass Sie den im Vergleich zu jetzt wohl noch größeren Anforderungen gesundheitlich gewachsen sein werden?
Dreyer: Ich muss auch schon jetzt viel Stress aushalten. Meine Erkrankung wird mir da jedenfalls nicht im Weg stehen, da bin ich mir sicher. Ich war übrigens überrascht, dass viele Rheinland-Pfälzer mich offenbar noch nie im Rollstuhl gesehen haben. Da ist mir bewusst geworden, dass ich offensiv damit umgehen muss.
Und Sie, Herr Jensen. Wenn Ihre Frau Ministerpräsidentin ist, könnten Sie sich ja eigentlich zur Ruhe setzen …
Jensen: Warum sollte ich? Ich bin hoch motiviert als Oberbürgermeister. Und das bleibe ich auch. Natürlich bin ich stolz, dass meine Frau Ministerpräsidentin wird.

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