Kriminalität Hassbotschaften an Politiker: Abgeordnete im Landtag merken, wie die Hemmschwelle für Drohungen fällt

Trier · Nicht nur Polizisten erleben Hass und Hetze. Politiker aus der Region können ebenfalls darüber berichten. Es könnte bald schwieriger werden könnte, Kommunalpolitiker oder auch Feuerwehrleute zu finden.

 Wenn aus Worten Taten werden. Foto: iStock

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An Hassbotschaften hat sich Lars Rieger gewöhnt. Die habe er bereits als ehrenamtlicher Stadtbürgermeister von Schweich erhalten, sagt der CDU-Politiker. Da die Botschaften fast immer als anonyme Briefe eingegangen seien, konnte Rieger auch gut damit umgehen: „Man ärgert sich am besten nicht lange darüber und entsorgt sie dort, wo sie hingehören: im Papierkorb.“

Was  ihn aber seitdem er seit Mai vergangenen Jahres im Landtag sitzt nachdenklich macht, ist der Hinweis, den er in der Tiefgarage des Abgeordnetenhauses zu lesen bekommt. Auf Schildern werden man darauf aufmerksam gemacht, die Radmuttern der Räder vor dem Losfahren zu kontrollieren, weil zuletzt gelockerte Radmuttern festgestellt worden seien.

Auch Landtagsneuling Karina Wächter (CDU) aus Wittlich ist nach eigenen Aussagen bereits Opfer von Hassbotschaften geworden. Während des Wahlkampfes im vergangenen Jahr habe sie nachts Anrufe erhalten, ebenso wie persönlich beleidigende E-Mails, Facebook Kommentare und auch persönliche Briefe an die private Anschrift. Die Aggressivität „vielleicht auch bedingt durch Corona und die eingeschränkten sozialen Kontakte“ habe  deutlich zugenommen, sagt sie. Stellt aber auch klar: „Die Qualität, das Ausmaß und die Intensität der Angriffe, die ich persönlich erlebt habe, stehen aber in keinem Maße dem auch nur annähernd gleich, was die Polizeifamilie derzeit erfährt.“ Wächter spielt damit auf die Hassbotschaften an, die es nach den Polizistenmorden im Netz gegeben hat und zum Teil noch immer gibt.

„Hier und in allen Fällen von Hass- und Drohbotschaften erwarte ich, dass mit allen rechtlichen Mitteln und mit der vollen Härte des Gesetzes gegen die Schreiber vorgegangen wird“, macht der CDU-Landtagsabgeordnete Gordon Schnieder aus Birresborn (Vulkaneifel). Bislang hätten ihn selbst noch keine Hass- oder Drohbotschaften erreicht. Er nehme aber „beleidigende Kommentierungen in den sozialen Medien gegenüber meiner Person deutlich wahr“, sagt er.

Landtagsabgeordneter zu Hassbotschaften: „Aggressiveres Klima“ im Internet

Auch andere Parlamentarier wie die Daunerin Astrid Schmidt (SPD) und ihr Parteikollegen Sven Teuber (Trier) und  Lothar Rommelfanger aus Konz sprechen von einem „aggressiveren Klima“ im Netz. Es beunruhige ihn, „dass das Netz und Netzwerke wie auch Messengerdienste offensichtlich weder als demokratischer, an Rechte und Pflichten geknüpfter Raum wahrgenommen werden noch davor zurückgeschreckt wird, auch in Klarnamen Hassbotschaften bis Drohungen auszudrücken“, sagt Teuber. Rommelfanger meint:  „In den sozialen Medien scheint die Hemmschwelle für die Verbreitung von Hass und Beleidigungen viel geringer zu sein.“ Dort werde die Realität oft verzerrt und „aus Minderheiten schnell scheinbare Mehrheiten“.

Seit dem Einzug einer „rechtsradikalen Partei“ in den Landtag sei das auch im Parlament ein Problem, sagt Rommelfanger. Er meint damit die AfD. Deren Fraktionschef und Landesvorsitzender Michael Frisch (Trier) sieht sich hingegen selbst als Opfer von Hass und Hetze. Wenn er sich in sozialen Medien äußere, werde er regelmäßig „in unsachlicher und beleidigender Art und Weise attackiert“, sagt Frisch und verweist auf  „klare gesetzliche Regelungen für die Verfolgung strafbarer Äußerungen in der Öffentlichkeit“. „Diese Regelungen müssen konsequent angewendet werden.“

Dem stimmen auch Politiker anderer Fraktionen zu, wie der Bitburger Michael Ludwig (CDU), der „abschreckende Verurteilungen“ für das Verbreiten von Hassbotschaften fordert. „Die Menschen verstecken sich in der Anonymität des Netzes. Das senkt die Hemmschwelle – ähnlich wie Verkleidung an Karneval“, sagt er. Auch Ludwig spürt die Respektlosigkeit und den Verlust von Anstand, auch wenn er bislang noch keine konkreten Hassbotschaften erhalten habe. Aber viele Kommentare bei Facebook seien „unterirdisch“, wenn etwa seine Partei als „Sauhaufen“ oder„Drecksäue“ beschimpft würde.

Gemeinde- und Städtebund: Auch Feuerwehrleute und Kommunalpolitiker werden bedroht

Beleidigungen und Hetze stellen nicht nur für die Abgeordneten ein Problem dar. Auch Kommunalpolitiker, Beschäftigte der Ordnungsämter oder auch Feuerwehrleute würden bedroht und eingeschüchtert, sagt Karl-Heinz Frieden, Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen Gemeinde- und Städtebundes. Dadurch bestehe die Gefahr, „dass Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ihr Amt aufgeben oder bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten, nicht mehr das erforderliche Personal für den öffentlichen Dienst gewonnen werden kann und es an Feuerwehrleuten fehlt“, so Frieden.

Das sei vor allem dann zu befürchten, wenn sich die Drohungen auch gegen deren eigene Familien richteten. Seine Forderung ist klar: „Um den Trend zunehmender Radikalisierung zu stoppen, sollten solche Angriffe konsequent zur Anzeige gebracht und dann auch verfolgt und verurteilt werden.“

Frieden appelliert aber auch an die Bürger: „Wir brauchen auch ein Aufstehen der schweigenden Mehrheit, um deutlich zu machen, dass viele gerne in einem Rechtsstaat mit einer funktionierenden Demokratie leben und dieses auch so bleiben soll.“ 

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