So manch einer hat sich "aus Neugier" Polizeidaten besorgt

Frankenthal · Mehrere Polizisten haben sich 2009 Daten über damalige Nürburgring-Investoren aus dem Polizeicomputer besorgt. Zum Teil aus eigener Neugier, zum Teil im Auftrag eines damaligen CDU-Landtagsabgeordneten. Das kam gestern beim Prozess gegen den Eifeler CDU-Landtagsabgeordneten Michael Billen und seine Tochter in Frankenthal heraus.

Frankenthal. Im Mainzer Innenministerium wurde man offenbar reichlich nervös, als im November 2011 unter anderem im Trierischen Volksfreund über Einträge im polizeilichen Informationssystem (Polis) berichtet wurde. Sie betrafen einen möglichen Nürburgring-Investor - unter Angabe der polizeiinternen Identifikationsnummer. Bis dahin hatte die Landesregierung immer behauptet, es lägen keine polizeilichen Erkenntnisse über die Interessenten für die Eifelrennstrecke vor. Kurz nachdem über den Polis-Eintrag berichtet worden war, wurde der damalige Leiter Polizeieinsatz des Polizeipräsidiums Rheinpfalz in Ludwigshafen ins Ministerium gebeten. Experten des Innenministeriums hatten innerhalb kurzer Zeit herausgefunden, dass Polizisten der Polizeiinspektion Landau entsprechende Daten aus Polis abgefragt hatten. Die Dienststelle, in der zu der Zeit die Tochter des Eifeler CDU-Landtagsabgeordneten Michael Billen als Polizistin arbeitete. Es habe von Anfang an der Verdacht bestanden, dass die Polizistin die Daten abgerufen und ihrem Vater gegeben habe - und dass dieser sie dann an die Presse weitergereicht habe, sagte der ehemalige Leiter Polizeieinsatz gestern beim Prozess vor dem Frankenthaler Landgericht. Beweise dafür habe es aber nicht gegeben.
Die vom Innenministerium vorgelegten Computerauswertungen führten nämlich zu drei Kollegen von Billens Tochter. Noch am gleichen Tag habe er diese in die Landauer Dienststelle "einbestellt" und vernommen, sagt der Polizist, der sich mittlerweile in Ruhestand befindet. Billens Tochter habe sich von sich aus gemeldet und ihm dann offenbart, dass sie die Kollegen angestiftet habe, die Daten aus dem Polizeicomputer zu ziehen.Der Richter fragt nach


Und zwar "aus eigener Neugier", wie sie in der Vernehmung gesagt habe. Sie habe die sechs Ausdrucke mit nach Hause genommen, ihr Vater hätte später drei "bekommen".
Immer wieder fragt der Vorsitzende Richter, Hans-Jürgen Stricker, den sehr unsicher wirkenden Polizisten, ob die Tochter Billens gesagt habe, ihr Vater hätte die Papiere bekommen oder von sich aus mitgenommen, so wie es die 33-Jährige am ersten Prozesstag ausgesagt hatte. Der Polizist blieb bei seiner Aussage. Er wehrt sich auch gegen Vorwürfe der drei vernommenen Kollegen von Billens Tochter, er habe sie unter Druck gesetzt und sie nicht richtig als Zeugen belehrt. Die Ermittlungen gegen die drei Polizisten wurden zwischenzeitlich eingestellt - ebenso wie die gegen eine heute 32-jährige Polizistin, auf die Computerexperten des Innenministeriums im Zuge ihrer Auswertungen gestoßen sind.
Die Beamtin aus Speyer hatte 2009 für ihren früheren Chef, den damals für die CDU im Landtag sitzenden Peter Dincher, eine Polis-Abfrage zu den Nürburgring-Investoren gemacht. Sie habe sich nichts dabei gedacht. Erst als sie von Dincher erfahren habe, dass das Innenministerium wegen illegaler Datenabfragen ermittele, sei ihr klar geworden, was sie getan habe. Sie habe sich dann dem Leiter Polizeieinsatz offenbart.
Dincher hat versucht, einen weiteren Kollegen zum Daten-klau zu überreden, wie er gestern vor Gericht sagte. Der Mann habe aber nicht mitgemacht. Es wurde noch gegen weitere Polizeimitarbeiter ermittelt. So hat ein Mayener Polizist im Polizeicomputer über einen Investor recherchiert, weil er ein "komisches Bauchgefühl" in Bezug auf den möglichen Geldgeber gehabt habe, sagte er gestern im Prozess. Auch eine Mitarbeiterin des Polizeipräsidiums Koblenz hat - angeblich "aus Neugier" und weil sie am Ring wohne - Daten abgefragt.

Dincher sagte, er habe die Erkenntnisse, die er aus der Datenabfrage gewonnen habe, weder weitergegeben noch innerhalb der CDU-Fraktion preisgegeben. Als die Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden, legte er sein Mandat nieder. Dincher arbeitet mittlerweile als Polizist im Saarland.
Fast hätte er seine Aussage gestern verpasst. Als er am Vormittag nicht erschien, erinnerte sein Parteifreund Billen ihn per Handy aus dem Gerichtssaal an den Termin. Mit drei Stunden Verspätung kam Dincher schließlich in Frankenthal an.
Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.

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