Geld Ein Riss geht durch das Land: Wann kippen die Ausbaubeiträge für Straßen?

Trier/Mainz · Hohe Kosten können Anlieger in existenzielle Nöte stürzen, sagen Kritiker. Das Land lehnt ab, das System abzuschaffen. Doch die Gegner machen Dampf.

 Das kann teuer werden: Eine Straße wird ausgebaut.	 Foto: Christoph Soeder/dpa

Das kann teuer werden: Eine Straße wird ausgebaut. Foto: Christoph Soeder/dpa

Foto: dpa/Christoph Soeder

Von Florian Schlecht

Der rheinland-pfälzische Steuerzahlerbund rechnet damit, dass schon bald die kommunalen Straßenausbaubeiträge kippen, die Anlieger mit Zehntausenden Euro belasten können. „Wir gehen davon aus, dass die Beiträge noch vor der Landtagswahl 2021 fallen werden“, sagt Geschäftsführer René Quante. Er sehe „keine wahrscheinliche Koalitionsvariante, die ohne eine Abschaffung zustande käme“.

Unter den Landesparteien sprechen sich inzwischen CDU, FDP, AfD und die Linke dafür aus, Anlieger zu entlasten und Beiträge aus der Landeskasse zu zahlen. Einziger Bremsklotz sei die SPD, moniert Quante, der die Beiträge „ungerecht und unsozial nennt“. In Bundesländern, in denen Wahlen anstehen, habe sich aber gezeigt, dass Straßenausbaubeiträge „wie Dominosteine kippen“. Bayern schaffte sie im vergangenen Jahr ab, im Februar erst erklärte die rot-rot-regierte Regierung in Brandenburg, die Ausbaubeiträge noch vor der Landtagswahl im September kippen zu wollen.

In Rheinland-Pfalz wächst dagegen aus den Kommunen der Druck auf die Landesregierung. Trier und Koblenz haben Resolutionen an das Land verabschiedet, die Beiträge zu kippen. Jüngst zogen Saarburg und Reinsfeld nach, Konz könnte folgen. In Trier hat sich eine Bürgerinitiative gegen die Straßenausbaubeiträge gegründet, die nach eigenen Angaben zur landesweiten Bewegung wachsen will. Der Zewener Udo Fischer rechnet mit bis zu 20 000 Euro, die jeden betroffenen Anlieger im Ort ein geplanter Straßenausbau kosten könnte. „Da fühlt sich mancher Rentner, der etwas Geld für die Altersvorsorge gespart hat, erschlagen“, kritisiert er.

Die CDU schlägt vor, jährlich 75 Millionen Euro im Landeshaushalt einzustellen, um die Beiträge zu bezahlen. Einen Gesetzesentwurf will die Fraktion im Mainzer Landtag noch in diesem Monat einbringen, kündigt der Abgeordnete Gordon Schnieder an. Der Vulkaneifeler sagt: „Viele Straßen kommen jetzt in die Sanierung, was richtig ins Geld geht. Da in anderen Ländern die Beiträge bröseln und kippen, wäre es sozial gerecht, sie auch in Rheinland-Pfalz abzuschaffen.“

Innenminister Roger Lewentz (SPD) hatte die Ausbaubeiträge zuletzt als gerecht bezeichnet. Sie belasteten diejenigen, „die einen direkten Vorteil durch die Wertsteigerung ihres Grundstücks haben“, sagte er.

Der rheinland-pfälzische Städte- und Gemeindebund warnt davor, „ein bewährtes System über Bord zu werfen“. Geschäftsführer Karl-Heinz Frieden spricht von einem „dreistelligen Millionenbetrag“, den das Land wahrscheinlich stemmen müsste, um das 20 000 Kilometer lange kommunale Straßennetz zu unterhalten. Ihm fehle das Vertrauen in ein solches Modell. „Ich fürchte, das Land könnte die Kommunen dann am Bändel durch die Manege ziehen“, sagt der Mann aus Nittel (Kreis Trier-Saarburg).

Zugleich sorgt die Debatte über das mögliche Aus der Beiträge für verunsicherte Bürger und Kommunen. Landesweit melden sich Bürgermeister zu Wort, die erwägen, den Ausbau von kommunalen Straßen zunächst auf Eis zu legen, bis sie Gewissheit über die Zukunft der Beiträge haben. Bürger seien verunsichert. Karl-Heinz Frieden bestätigt, „dass in einigen Fällen Maßnahmen zurückgestellt werden“.

Ein Riss geht durch das Land

Sollen Anlieger in ihrer Kommune für Straßenausbau zahlen? Vor der Kommunalwahl ploppt die Frage in Rheinland-Pfalz auf.

Von Florian Schlecht

Trier/Mainz. Udo Fischer fürchtet bereits die Rechnung, die irgendwann in seinen Briefkasten flattern soll. Der Trierer, der im Stadtteil Zewen wohnt, muss sich am Ausbau einer kommunalen Straße beteiligen. Der 71-Jährige erwartet, dass jeder betroffene Anlieger zwischen 15 000 und 20 000 Euro zahlen muss. „Es gibt Rentner, die eine solche Summe völlig überfordert. Manche müssen das Geld dann von den Kindern erbitten oder einen Kredit aufnehmen. Das ist doch ungerecht.“

Fischer ärgert sich besonders, weil auch Busse auf besagter Lindscheid- und Turmstraße fahren. „Das ist der Grund, warum die Straße in einem desolaten Zustand ist“, grantelt er. Die Stadt, das geht aus einer Antwort an die Bürgerbeauftragte Barbara Schleicher-Rothmund hervor, verweist dagegen auf das Alter der Straße von stolzen 55 Jahren. Nun gehört Fischer zu den Gründern einer Bürgerinitiative, die sich zu einer landesweiten Bewegung ausweiten könnte. Die Bürger sprechen sich dafür aus, kommunale Straßenausbaubeiträge abzuschaffen. Auf der Facebook-Seite der Bewegung tragen sich auch Anlieger aus anderen Regionen ein. Ein Mann aus Newel (Kreis Trier-Saarburg) schreibt, dass Anwohner bei einem Straßenausbau im Ort 1,4 Millionen Euro zahlen sollen. Über wiederkehrende Beiträge, die im Gegensatz zu einer einmaligen Zahlung die Kosten über einen längeren Zeitraum strecken, rechnet der Facebook-Nutzer mit 100 Euro pro Monat – und das über fünf Jahre. Das als gerechtes System zu bezeichnen, sei „Ausdruck riesiger Scheuklappen“.

Innenminister Roger Lewentz (SPD) hält aber an den Beiträgen fest. Seine Argumente, die er jüngst im Mainzer Landtag vorbrachte: Wo die Straße ausgebaut werde, profitierten letztlich auch die Anlieger von einer Wertsteigerung ihres Grundstücks. Im Einzelfall könnten hohe Beiträge durch Ratenzahlung oder Stundung abgefedert werden. Und: Kommunen könnten Härtefälle über wiederkehrende Beiträge mildern. Anders als beim Facebook-Schreiber in Newel schilderte Lewentz den Fall einer Frau aus Kruft (Kreis Mayen-Koblenz), wo der lokale Straßenausbau für ein 600 Quadratmeter großes Grundstück 55 Euro pro Jahr koste. „Das bringt keinen an den Ruin“, sagte Lewentz.

Die Gegner der Ausbaubeiträge vertreten eine andere Meinung. Der CDU-Landtagsabgeordnete Gordon Schnieder hat auf seinen Reisen durchs Land von Fällen gehört, wo Rentner auf einen Schlag um die 20 000 Euro auf den Tisch blättern müssten. „Hinter solchen Geschichten steckt sozialer Druck“, sagt der Vulkaneifeler. Landesweit habe man nun Resolutionsentwürfe an die Gemeinden verschickt, die der Landesregierung Druck machen sollen, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen und die Kosten aus der Landeskasse zu begleichen.

Doch welche Beträge werden veranschlagt? Steuerzahlerbund und AfD rechnen jährlich mit 50 Millionen Euro, die CDU mit 75 Millionen Euro, der Städte- und Gemeindebund mit weit mehr als 100 Millionen Euro. Und auch untereinander sind sich die Parteien nicht einig. Die SPD bekam jüngst Gegenwind von den Koblenzer Genossen, die die Resolution unterstützten. Wo die Landes-FDP die Beiträge abschaffen will, fühlt sich die Fraktion im Mainzer Landtag der Koalition mit SPD und Grünen verpflichtet.

Und ein Gegner des CDU-Vorstoßes kommt prompt aus der CDU. Karl-Heinz Frieden, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, warnt vor einem Rohrkrepierer. Dem Land vertraue er nicht, wenn es darum gehe, die Summe zu stemmen; zu oft habe es sich aus Vereinbarungen mit klammen Kommunen wieder rausgezogen, krittelt Frieden. Er nimmt auch an, dass Wünsche nach Straßenausbau zunehmen, wenn die Beiträge kippen. „Am Ende gibt es einen Wettlauf der Kommunen“, warnt er.

In Zewen verfolgt Udo Fischer die Debatte gebannt. „Die Beiträge sind ungerecht“, wiederholt er, schöpft angesichts der vielen Fragezeichen im Land aber keine Hoffnung, von einer Abschaffung zu profitieren. „Für uns Zewener könnte es dann schon zu spät sein.“

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