Regionalkonferenz in Rheinland-Pfalz um SPD-Bundesvorsitz Genossen im Land herzen die erkrankte Manuela Schwesig

Nieder-Olm/Reil/Trier · Die Sozialdemokratie braucht mehr Rheinland-Pfalz im Bund, lobhudelten Kandidaten. Den lautesten Applaus erntete wiederum keiner der Aspiranten auf den Chefsessel der Bundes-SPD.

SPD-Bundesvorsitz: So lief die Regionalkonferenz in Nieder-Olm
Foto: dpa/Andreas Arnold

Was kann die Bundes-SPD eigentlich von ihrem rheinland-pfälzischen Landesverband lernen? „1985 wurde Rudolf Scharping Vorsitzender, 1993 Kurt Beck, 2012 ich. Wir zeigen: Man kann in 24 Jahren auch mit drei Vorsitzenden auskommen“, sagte Landeschef Roger Lewentz, als er bei der sechsten Regionalkonferenz der Sozialdemokraten um ein Grußwort gebeten wurde. Generalsekretär Lars Klingbeil pflichtete ihm bei: „Ein bisschen mehr Rheinland-Pfalz würde der SPD in manchen Ecken durchaus guttun.“ Der Verschleiß im Willy-Brandt-Haus, immerhin elf Genossen versuchten sich dort seit 1985, soll mit dem neuen Auswahlverfahren beendet werden.

In Nieder-Olm lag der Fokus aber zunächst auf den kommissarischen Vorsitzenden. Ministerpräsidentin Malu Dreyer, ganz in rot, wurde von den rund 700 Genossen, mit tosendem, stehenden Applaus begrüßt. Es waren die lautesten Beifallsbekundungen des Abends. „Malu ist halt die Chefin der Herzen“, sagte ein Genosse.

Doch kaum saßen ihre Parteifreunde, bat Dreyer sie, sich erneut zu erheben. „Lasst uns gemeinsam von ganzem Herzen Kraft und Stärke an Manuela Schwesig senden“, sagte die Triererin und posierte für die wohl größte Genesungskarte der Welt. Alle Genossen formten ihre Hände zu Herzen für die erkrankte Ministerpräsidentin aus Mecklenburg-Vorpommern.

Wenig später ging es deutlich weniger harmonisch zur Sache. Obwohl alle Kandidatenpaare auf wechselseitige Attacken, die bei den Genossen auf Bundesebene schon fast zum guten Ton gehörten und letztlich Andrea Nahles aus dem Amt flüchten ließen, verzichteten, grenzten sie sich inhaltlich äußerst klar voneinander ab.

Die Linie „Raus aus der GroKo!“ fuhren neben Karl Lauterbach und Nina Scheer auch Hilde Matheis mit ihrem Partner Dierk Hirschel. „Mehr Keynes als Erhard“ forderte Hirschel, der Verdi-Chefökonom. Dazu: „Mindestlohn 12 Euro, Hartz IV überwinden! Nein zur schwarzen Null, Nein zur Schuldenbremse.“ Erzieherinnen würde er gern 15 oder 16 Prozent mehr Gehalt zahlen. „Geht aber nicht“, klagte er. „Das muss sich ändern.“ Lang anhaltender Applaus. Nina Scheer begründete ihre Position anders. Die Umweltpolitik sei mit der Union zum Scheitern verdammt. Die SPD soll sich unter ihr deutlicher profilieren. „Wir sollten nicht grüner als die Grünen sein“, sagte sie. „Dieser Satz ist Unsinn. Wir haben die Konzepte. Ausbaubegrenzungen bei erneuerbaren Energien sind schlicht verfehlt.“ Lauterbach sprang ihr bei: „Aktuell trauen uns noch 5 Prozent zu, dass wir die Probleme der Zukunft lösen können.“ Man sei dabei, „eine ganze Generation zu verlieren“.

Die zentralen Themen sehen Michael Roth und Christina Kampmann an anderer Stelle. „Wir stehen total auf Europa!“, rief Roth, Staatssekretär im Bundesaußenministerium – und wetterte gegen US-Präsident Donald Trump. Außerdem: „Wir müssen die Partei der Geschlechtergerechtigkeit sein. Wir brauchen entschiedenen Kampf gegen Sexismus und ein Paritätsgesetz auf Bundesebene.“ Auch Kampmann sprach sich klar gegen die schwarze Null im Bundeshaushalt aus.“

Die hatte gerade wenige Stunden vorher Olaf Scholz als Finanzminister stolz präsentiert. „Er kam etwas später, musste noch den Haushalt machen“, witzelte seine Partnerin Klara Geywitz. Die Positionen des Duos blieben eher im Phrasenbereich hängen. Scholz beglückte seine Genossen mit der Erkenntnis, „dass der Sozialstaat auch im 21. Jahrhundert eine Rolle spielen müsse“. Mäßiger Applaus. Ralf Stegner arbeitete sich an „den rechten Bagalunten“ ab: „Wir werden nicht aufhören, bis sie nicht mehr in den Parlamenten sitzen – denn dort gehören sie nicht hin.“

Wo Rheinland-Pfalz wirklich Vorbild für die SPD der Zukunft sein soll, wurde vor allem in der Debatte um Bildungspolitik deutlich. Stegner, gebürtiger Bad Dürkheimer, stieg mit einer Geschichte aus seiner Kindheit ein. Er musste auf Kosten der Eltern lang zum Gymnasium pendeln. Das soll aufhören: „Bildung darf nix mit dem Geldbeutel zu tun haben.“ Sprich: Alle Duos boten graduelle Abstufungen des Landesmottos: „Gebührenfreie Bildung für alle“.

Joachim Gerke, der für die SPD im Wittlicher Stadtrat sitzt, verfolgte das Rennen der Bundeskandidaten. Sein Favorit vor dem Casting in Nieder-Olm: Das Duo Roth/Kampmann. „Beide sind immer noch das Team meines Herzens, wirkten aber leider zu geübt. Die Spontanität fehlte. Trotzdem traue ich beiden zu, mit ihrer Frische richtig gut die Jugend anzusprechen.“ Daneben zählte Gerke Lauterbach/Schweer und Walter-Borjans/Eskens zu den Kandidaten, denen er seine Stimmen geben könnte. Olaf Scholz - der namhafteste Aspirant auf den SPD-Bundesthron - komme für ihn nicht infrage. „Er steht zur Großen Koalition, trägt sie förmlich in sich“, sagte Gerke. Dennoch könne der Promi-Bonus den Bundesfinanzminister am Ende zum Sieg führen. „Bei all den Regionalkonferenzen sind am Ende vielleicht 10 000 bis 12 000 Besucher. Über den Vorsitz stimmen aber mehr als 400 000 Mitglieder ab.“

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