SPD und CDU wollen Sperrklausel bei Kommunalwahlen wieder einführen, doch die Begeisterung hält sich in Grenzen

Trier · CDU und SPD wollen bei den rheinland-pfälzischen Kommunalwahlen wieder eine Sperrklausel einführen. Sie stoßen mit ihren Plänen auf erbitterten Widerstand bei den kleineren Parteien und Wählergruppen.

Wer Politiker der Landes-CDU auf eine mögliche Wiedereinführung der Drei-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen anspricht, den verweisen die Christdemokraten gerne auf ihr "Geschwätz von gestern": Das hat im Punkt Sperrklausel nämlich auch nach sieben Jahren noch Bestand - keine Selbstverständlichkeit für Politiker-Äußerungen. "Wir waren 2008 gegen die Abschaffung der Sperrklausel, und wir sind heute der Meinung, dass neu über die Einführung der Sperrklausel nachgedacht werden muss", sagt Anke Beilstein. Dann verweist die Landesvorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU auf eine inzwischen auch schon fünf Jahre alte Große Anfrage, die die Bedenken der Partei bestätigt habe.

In der Anfrage an die Landesregierung ging es um die Auswirkungen des Wegfalls der Drei-Prozent-Hürde. Tenor: Vor allem die beiden rechtsex?tremen Parteien NPD und DVU sowie die Linke zählten bei den Kommunalwahlen 2009 zu den Profiteuren. "Der linke und der rechte Rand wurden gestärkt", sagt Beilstein, "und die Zersplitterung hat zugenommen." Argumente, die inzwischen auch von vielen Sozialdemokraten geteilt werden.

Die anderen Parteien im Land sind allerdings strikt dagegen. "Für uns ist die Wiedereinführung der Sperrklausel bei Kommunalwahlen kein Thema", sagt Grünen-Sprecher Nils Dettki. Ähnlich sieht es auch FDP-Landeschef Volker Wissing: "Es ist gut, wenn in einem Kommunalparlament die ganze Vielfalt einer Gemeinde repräsentiert ist." In kleineren Räten müsse man ohnehin eine höhere Mindestzahl an Stimmen haben, um überhaupt einen Sitz zu erlangen, begründet Wissing, warum er eine neue Prozenthürde für verzichtbar hält.

Auch Linken-Landeschefin Katrin Werner zeigt mit dem Daumen nach unten: "Die Einführung von Sperrklauseln bei Kommunalwahlen ist demokratie-einschränkend, deshalb bin ich dagegen", sagt die Triererin. Zwar sieht auch Werner das Problem, dass immer mehr Rechtsextreme in die Parlamente einziehen. Allerdings müsse dar-auf mit Argumenten und nicht mit Prozenthürden reagiert werden.

Der Landesvorsitzende der erstmals auch in vielen Regionalparlamenten vertretenen Alternative für Deutschland (AfD), Uwe Zimmermann, hält schon die Festlegung einer bestimmten Sperrklausel für "reine Willkür". Gerade in kommunalen Parlamenten sollten alle Bürger und alle Strömungen vertreten sein.

Stephan Wefelscheid, Chef der Freien Wähler in Rheinland-Pfalz, hält eine Sperrklausel ebenfalls für ungerecht, "weil Stimmen für eine Partei, die nicht einzieht, ohne Erfolg bleiben".

SPD und CDU scheinen dennoch entschlossen, das Thema Sperrklausel wieder auf die Tagesordnung der politischen Agenda zu setzen - allerdings erst nach der nächsten Landtagswahl.

Extra


Europawahl: Zunächst gab es eine Fünf-Prozent-Hürde, dann eine Drei-Prozent-Sperrklausel. Diese wurde vom Bundesverfassungsgericht im Februar 2014 allerdings gekippt. Seitdem gibt keine Sperrklausel mehr.
Bundestagswahl: Bei der Bundestagwahl gilt die Fünf-Prozent-Hürde. Hat eine Partei drei Direktmandate erreicht, nimmt sie auch mit allen Zweitstimmen an der Sitzverteilung teil, selbst wenn es weniger als fünf Prozent waren.
Landtagswahl: Auch bei der Landtagswahl gilt die Fünf-Prozent-Hürde. Die rheinland-pfälzische Verfassung enthält sogar eine ausdrückliche Ermächtigung für den Erlass einer solchen Sperrklausel. sey

Meinung Pro
Hürden sind vernünftig

Oliver Haustein-Teßmer

Mehr Splitterparteien bedeuten nicht mehr Demokratie. Es hilft nichts, dass jeder Sonderling in den Kommunalparlamenten zu Wort, Amt und Würden kommt. Die Außenseiter können zwar reden, manche stören auch gezielt. Aber sie setzen sich selten durch - zum Glück.
Eine Sperrklausel, ob diese Hürde nun drei oder fünf Prozent der Wählerstimmen beträgt, fördert die Vernunft noch: Schon bei der Stimmabgabe müssen die Bürger kompromissbereit sein. Und die Abgeordneten entscheiden mehrheitlich, stellen Egoismen zurück. Ohne Hürden sind die Räte zwar bunter und mitunter brauner, aber nicht besser. Und die Chance zur Mitbestimmung haben alle Demokraten in Rheinland-Pfalz ohnehin: bei Referenden und weil sie einzelne Kandidaten einer Liste bevorzugen dürfen.
oht@volksfreund.de

Meinung Kontra

Hürden sind undemokratisch

Rolf Seydewitz

Stimmt, liebe Kritiker: Der Wegfall der Drei-Prozent-Hürde hat dazu geführt, dass mehr Parteien und Wählergruppierungen in den Räten sitzen. Na und?! Besser gesagt: Gut so! Je repräsentativer die politische Vertretung in einer Kommune zusammengesetzt ist, desto eher werden sich die Bürger dort wiederfinden. Und desto mehr Vertrauen werden sie in das Gremium haben. Das Leben ist längst bunter und vielschichtiger geworden; wichtig ist, dass sich dies auch in der politischen Repräsentanz widerspiegelt. Wer Hürden auftürmt, sperrt aus. Das ist einer Demokratie unwürdig. Klar sind acht oder zehn Parteien in einem Parlament mitunter eine nicht vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit. Dann müssen sich halt Mehrheiten finden. Das kann beschwerlich sein. Aber auch reizvoll.
r.seydewitz@volksfreund.de

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