Ländlicher Raum Städte kämpfen mit Bierdeckeln um die Zeche

Trier · Kommunen fordern mehr Hilfe, um Altschulden abzubauen und investieren zu können. Nun schnürt der Bund ein Paket. Das soll auch strukturschwache Gemeinden in der Region Trier ankurbeln.

 Geld her: Trier fordert die Zeche für hohe Ausgaben ein.

Geld her: Trier fordert die Zeche für hohe Ausgaben ein.

Foto: Roland Morgen

Wer in der Kneipe beim Wirt anschreiben lässt, bekommt pro Getränk einen Strich auf den Bierdeckel und muss nach einem feucht-fröhlichen Abend blechen. Geht es nach den Kommunen, haben sich auf ihren Bierdeckeln schon ungeheuer viele Striche angesammelt. Sie monieren, dass Bund und Länder in der Vergangenheit soziale Abgaben auf sie abgewälzt haben, ohne die Zeche zu bezahlen. Ein Bündnis aus 70 Kommunen schickt nun Bierdeckel mit der Aufschrift „Wer bestellt, bezahlt“ an Hunderte Politiker. Darin fordern sie einen kommunalen Altschuldenfonds, um jahrzehntealte Lasten endlich abzubauen. Dazu gehört auch Trier. Doch überschuldete Kommunen sehen plötzlich auch Licht am Ende des Tunnels.

 Bundespolitiker wollen heute Pläne vorstellen, auf die sie sich in der Regierungskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ geeinigt haben. Bleibt es bei dem Papier, das dem Trierischen Volksfreund vorliegt, bahnt sich bei den Altschulden ein erster Wurf an. 17 Prozent der Kommunen in Deutschland wiesen einen hohen Bestand an Altschulden und Krediten auf, der die finanziellen Möglichkeiten nehme, „für ihre Bürgerinnen und Bürger notwendige Leistungen der Daseinsvorsorge gewährleisten zu können“, heißt es in dem Bericht. Trotz Anstrengungen seien diese Kommunen absehbar nicht hinreichend in der Lage, ihre finanzielle Situation zu verbessern. „Der Bund kann einen Beitrag leisten, wenn es einen nationalen politischen Konsens gibt, den betroffenen Kommunen einmalig gezielt zu helfen.“

Mit genauen Plänen untermauert die Politik das Vorhaben bislang nicht. Die Stadt Trier reagiert daher auf TV-Anfrage zurückhaltend. Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) begrüße, „dass es in Berlin offenbar die Einsicht gibt, dass besonders belastete Kommunen wie Trier beim Abbau der Altschulden Unterstützung brauchen“. Trier habe große Anstrengungen aus eigener Kraft unternommen, um das jährliche Defizit zu reduzieren, teilt die Stadt mit.

Im Ergebnishaushalt 2018 wurde die Stadt dafür mit einem Plus von 1,4 Millionen Euro im Haushalt belohnt. Die aktuelle und über Jahrzehnte angehäufte Schuldenlast mit Kassenkrediten von 464 Millionen Euro lasse dennoch „keinerlei finanzielle Spielräume und sei im Hinblick auf die Zinslast eine dauerhaft hohe Belastung und ein Risiko für die Stadt“.

Die Kommission nimmt aber nicht nur die Finanzen in den Blick, sondern auch benachteiligte ländliche Räume. Um abgehängte Regionen zu stärken, visiert der Bund ein gesamtdeutsches Fördersystem an. Neue Behörden sollen sich bevorzugt in strukturschwachen Gebieten ansiedeln, vorrangig in Klein- und Mittelstädten. Geld soll auch in schnelles Internet, Mobilfunknetze, den sozialen Wohnungsbau und Kitas fließen.

 All das soll Kommunen entlasten, die in Rheinland-Pfalz tief in den roten Zahlen stecken und kaum investieren können. Die Stadt Pirmasens liegt mit einer Verschuldung von 8239 Euro je Einwohner deutschlandweit an der Spitze. Auch Kaiserslautern, Zweibrücken, Ludwigshafen, der Kreis Kusel und Trier befinden sich unter den Top Ten. Das zeigt der Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung, der Zahlen von 2017 verwertet. Wo Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen nahezu schuldenfrei seien, nennt die Stiftung die Finanzlage in Rheinland-Pfalz „bedrohlich“.

Auch die kommunalen Spitzenverbände wettern. Sie sehen durch die Schulden ihre Handlungsfähigkeit beschränkt, ob beim Bau von Straßen oder Schwimmbädern. Jahrzehntelange Unterfinanzierung von Bund und Land habe manche Kommune zum „Sanierungsfall“ gemacht. „Mit der Wirtschaftskraft der Städte driften auch die Lebensverhältnisse ihrer Einwohner immer mehr auseinander“, sagt Bertelsmann-Experte René Geißler. Die Situation drohe sich zu verschärfen, wenn die Wirtschaft abdrifte. „Eine Abkühlung der Konjunktur reißt unmittelbar neue Löcher in die Haushalte und macht die vergangenen Bemühungen zunichte.“ In Rheinland-Pfalz kritisiert er, das Land habe seine Aufsichtsfunktion über die Kommunen jahrelang nicht streng genug wahrgenommen.

 grafik schulden der kommunen

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Foto: dpa

Der Vulkaneifeler CDU-Landtagsabgeordnete Gordon Schnieder kritisiert die Ampelkoalition: „Unsere Städte, Gemeinden und Kommunen gehen auf dem Zahnfleisch – die kommunalen Schuldenberge wachsen und die SPD-geführte Landesregierung schaut zu.“  Schnieder fordert ein Altschuldenprogramm des Landes – wie in Hessen oder dem Saarland. „Hessen hat darüber bereits den Turnaround geschafft“, sagt René Geißler. „Rheinland-Pfalz nicht.“

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