Steinkohlebergbau: Schicht im Schacht nach 250 Jahren

Saarbrücken · Das "schwarze Gold" hat Zehntausenden im Saarland Lohn und Brot gesichert. Die 250-jährige Ära des Steinkohlebergbaus geht aber jetzt dem Ende entgegen. Am 30. Juni ist für immer Schluss.

Saarbrücken. Ein ganzes Industriezeitalter lässt sich nicht so schnell aus der Landschaft tilgen. Die riesigen Halden und mächtigen Fördertürme werden den Saarländern wohl noch lange erhalten bleiben - eine Erinnerung in Stein, Stahl und Beton. Am 30. Juni endet die 250-jährige Geschichte des Steinkohle-Bergbaus an der Saar. Er hat die Region und ihre Menschen stark geprägt.
"Ich sehe das mit schmerzlichen Gefühlen", sagt der Chef des Zechenkonzerns RAG, Bernd Tönjes. Wenn die Bergleute im Bergwerk Saar zur allerletzten Schicht einfahren, bedeutet das für das kleinste Flächenbundesland eine Zäsur. Steinkohle wird dann in Deutschland bis zum kompletten Ausstieg Ende 2018 nur noch in Nordrhein-Westfalen abgebaut.
Mit dem Bergbau verbindet das Saarland wirtschaftlichen Aufstieg und Wohlstand für viele Menschen, aber auch eine der schlimmsten Katastrophen der Landesgeschichte. Im Februar 1962 kam es in der Grube Luisenthal zu einer Schlagwetterexplosion. 299 Bergleute ließen unter Tage ihr Leben. Noch heute wird alljährlich an das Unglück erinnert.
Eigentlich wollte das Saarland erst 2018 Abschied von der Steinkohle nehmen. Doch dann bebte am 23. Februar 2008 die Erde — bedingt durch den Bergbau. 4,5 maßen die Geologen auf der Richterskala. Es war das stärkste Grubenbeben aller Zeiten an der Saar. Zigtausende Gebäude wurden beschädigt, wie durch ein Wunder gab es keine Verletzten. Aber die Bevölkerung, die Generationen lang mit den Folgen des Bergbaus gelebt hatte, reagierte mit Mahnwachen und wütendem Protest. Bundesweit hoben Zeitungen die Fotos der stark beschädigten St.-Blasius-Kirche in Saarwellingen auf ihre Titel.
Der damalige Ministerpräsident Peter Müller (CDU) verkündete sofort einen Abbaustopp, später wurde beschlossen, das Ende des Saar-Bergbaus auf Mitte 2012 vorzuziehen. Wie erstarrt waren die Kohle-Befürworter angesichts der Fast-Katastrophe. Für den Saar-Bergbau hob sich keine Hand mehr.
Dabei hatten zu Hochzeiten in den Saargruben fast 70 000 Menschen gearbeitet, eine riesige Anzahl für das vergleichsweise kleine Saarland. Im Jahr 1957 wurde mit 17 Millionen Tonnen der Förderrekord aufgestellt. Über 250 Jahre gerechnet "machten" die Bergleute im Saarrevier stolze 1,5 Milliarden Tonnen Steinkohle. Doch schon in den 1970er Jahren begann der langsame, aber unaufhaltsame Niedergang. Importkohle war deutlich billiger als die heimische Kohle. Die Politik — vor allem FDP und Grüne — forderte immer lauter den Ausstieg aus den milliardenschweren Subventionen.
Zuletzt arbeiteten nur noch knapp 1200 Menschen im Saar-Bergwerk der RAG. Wenn die Grube zu ist, ziehen Hunderte Bergmannsfamilien in Richtung Ibbenbüren in Nordrhein-Westfalen, um in der dortigen Zeche noch ein paar Jahre für die RAG weiterzuarbeiten. Aus den Schächten im Saarland wird noch wertvolles Gerät herausgeholt, später werden sie mit Beton verfüllt. Der Betriebsratsvorsitzende im Bergwerk Saar, Hans-Jürgen Becker, klagt: "Es bleibt die Wehmut, die Heimat zu verlassen."

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