Sterben in der Grauzone

MAINZ. Nein zur aktiven Sterbehilfe, aber gleichzeitig auch Straffreiheit für ein Töten auf Verlangen in extremen Notsituationen: Dieses umstrittene jüngste Votum der rheinland-pfälzischen Bioethik-Kommission erntet Widerspruch.

Aktive Sterbehilfe muss weiterhin grundsätzlich strafbar sein, fordert der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP). Doch mit großer Mehrheit hat sich die Bioethik-Kommission des Landes unter seinem Vorsitz auch dafür ausgesprochen, in extremen Ausnahmefällen zur Verhinderung eines entwürdigenden Todeskampfes von einer Bestrafung aktiver Sterbehilfe abzusehen. Voraussetzung ist allerdings der ausdrücklich geäußerte Wunsch des Patienten. "Wann darf ein Mensch sterben?", lautete die provozierende Frage, mit der sich auf Einladung von Mertin Ärzte, Theologen und Juristen bei einer Diskussion in der Mainzer Staatskanzlei auseinander setzten. Im Gegensatz zur passiven Sterbehilfe, dem Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen, oder der indirekten Sterbehilfe, also einer schmerzlindernden Therapie, die jedoch oft eine Lebensverkürzung zur Folge hat, läuft die aktive Sterbehilfe auf ein gezieltes Töten eines Menschen auf dessen ausdrückliches Verlangen hinaus. Katholische und evangelische Kirche warnen vor einem ethischen Dammbruch, sollte die entschiedene Absage an aktive Sterbehilfe mit geduldeten Ausnahmefällen aufgeweicht werden. Jedes Mitwirken an einer Tötung auf Verlangen verbietet sich, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Kardinal Karl Lehmann. Zwar gibt es aus seiner Sicht durchaus eine Grenze der Verpflichtung, Leben um jeden Preis zu verlängern. Doch der ethische Unterschied zwischen Töten und Sterben-Lassen dürfe nicht eingeebnet werden. Auch Eberhard Cherdron, Präsident der Evangelischen Kirche Pfalz, fürchtet bei einer Abkehr von der strikten Ablehnung fatale Gewöhnungseffekte, die zu einer Ausweitung der Beurteilung von Extremsituationen führen könnten.Sterbehilfe für Ärzte tabu

Nach einem Beschluss der Bundesärztekammer von Anfang Mai ist für die Mediziner ärztliche Sterbehilfe weiter tabu. Es bleibe beim strikten Nein, so Professor Eggert Beleites. Auch die Mitwirkung bei einer Selbsttötung werde als "unärztlich" angesehen. Bei Sterbebegleitung könne es nur um eine Hilfe im und beim Sterben, nicht jedoch um Hilfe zum Sterben gehen. Ärzte werden nach seiner Erfahrung wohl weiterhin mit den Vorwürfen konfrontiert werden, dass sie einerseits zu viel tun und mit Technik und Medikamenten das Sterben unnötig verlängern, andererseits aber zu wenig tun, um den Tod hinaus zu schieben. Öffne man die Tür zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe auch nur einen Spalt, so könne auf Schwerstkranke unmittelbar oder mittelbar Druck ausgeübt werden, damit sie um Euthanasie bitten, warnt Karl Kutzer, früherer Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof. Dagegen mahnt der Philosoph Professor Dieter Birnbacher vor einem undifferenzierten Schwarz-Weiß-Denken. Er stellt vor allem auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ab. Auch die Medizin für unheilbar Kranke stoße an Grenzen, da sie noch lange nicht jeden Patienten schmerzfrei halten könne. Birnbacher spricht sich ausdrücklich in Extremfällen für eine das Bewusstsein ausschaltende Narkotisierung als auch den Weg des ärztlich assistierten Suizids aus, um Leiden zu begrenzen. Auf entschiedene Ablehnung ist Mertins Plädoyer für streng begrenzte Ausnahmen beim Sterbehilfe-Verbot auch bei Ministerpräsident Kurt Beck, der CDU und den Grünen gestoßen. Doch der Justizminister bleibt dabei: Das Recht des Menschen auf einen würdigen und selbst bestimmten Tod müsse von entscheidender Bedeutung sein. Er verlangt klare gesetzliche Vorgaben zu einem so bedeutungsvollen Thema wie Sterbehilfe. Vor Jahren habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei Patienten mit aussichtsloser Prognose im Endstadium ihrer Erkrankung passive und indirekte Sterbehilfe straffrei sei, so Mertin. Nach bestehender Rechtslage ist es nach seinen Angaben auch möglich, wegen eines übergesetzlichen Notstandes in extremen Ausnahmefällen bei aktiver Sterbehilfe von einer Bestrafung abzusehen.

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