Steuerhinterziehung auf Knopfdruck

Trier · Bislang wird es Ladeninhabern relativ einfach gemacht, mit modernen Registrierkassen Geld zu unterschlagen. Die Länder-Finanzminister wollen dem möglichst rasch einen Riegel vorschieben. Aber auch den Herstellern der Kassen geht es inzwischen an den Kragen. Dann wird es ganz schnell ziemlich teuer.

Trier. Wer Trierer Steuerfahnder auf die inzwischen zehn Jahre zurückliegenden Friseurfälle anspricht, erntet nur Kopfschütteln. Damals hatten die Finanzbehörden den Verdacht, dass Friseure mit manipulierten Kassen Gelder hinterziehen. In 13 von 600 regionalen Salons stellten die Steuerfahnder Computerdaten, Kassenbons und andere Unterlagen sicher. Ein Schuss in den Ofen, wie sich später herausstellte. In keinem einzigen Fall konnte der Einsatz des Schwindelprogramms nachgewiesen werden.
Das lag auch daran, dass das Koblenzer Landgericht die Durchsuchungsbeschlüsse im Nachhinein als rechtswidrig einstufte. Begründung: Der Erwerb eines Manipulationsprogramms begründe noch keinen Verdacht "für die tatsächliche Nutzung dieser Software zum Zwecke der Hinterziehung". Im Klartext: Wer eine manipulierbare Kasse auf der Ladentheke stehen hat, muss diese ja nicht unbedingt benutzen.
Eine Entscheidung, die für die - natürlich wenigen - schwarzen Schafe unter den Geschäftsleuten wie ein Freibrief geklungen haben mag. Kaum verwunderlich, dass sich der Ermittlungseifer der Trierer Steuerfahnder in Sachen Registrierkassen nach dem Urteil in Grenzen hielt. Zumal der Nachweis extrem schwierig ist.Eiscafébesitzer kalt erwischt


"Oft ist die Technik dem Menschen voraus", sagte schon im vergangenen Jahr der Sprecher des rheinland-pfälzischen Finanzministeriums, Horst Wenner. Wo Einnahmen spurlos storniert oder korrigiert würden, könne auch ein gewiefter Betriebsprüfer nur schwer Manipulation aufspüren.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt in einer ausführlichen Studie zum Thema Kassenbetrug auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD).
Die Techniken der Manipulierer würden "ständig weiterentwickelt und immer raffinierter ausgestaltet, um eine Entdeckung zu verhindern", heißt es in dem Bericht.
Die Aufdeckung der Betrügereien mag noch schwierig sein. Aber weil die Summen hoch sind, die dem Fiskus so jährlich durch die Lappen gehen - die Rede ist von fünf bis zehn Milliarden Euro - wollen die Finanzminister es potenziellen Steuerhinterziehern so schwer wie möglich machen. Im Juni will die Finanzministerkonferenz etwa über die Einführung einer Software beraten, die Manipulationen aufdecken soll. In einer Art "Blackbox" würden dann sämtliche Daten fälschungssicher dokumentiert. Darüber hinaus soll es gesetzlich verboten werden, Manipulationsprogramme herzustellen und zu vertreiben.
Auch das rheinland-pfälzische Finanzgericht hat erst im Januar entschieden, dass Kassenhersteller unter Umständen mit haftbar gemacht werden können, wenn mit ihren Produkten Geld hinterzogen wird. In dem konkreten Fall ging es um ein Eiscafé, dessen Inhaber vom Koblenzer Landgericht zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war, weil er über Jahre hinweg Steuern unterschlagen hatte - insgesamt rund zwei Millionen Euro.
Weil bei dem Eiscafé-Besitzer nicht genug zu holen war, wandte sich das zuständige Finanzamt an den Hersteller der Manipulationssoftware und verlangte von ihm einen Millionenbetrag. Zu Recht, entschied im Januar das rheinland-pfälzische Finanzgericht. Zudem wurde gegen den Geschäftsführer der Softwarefirma auch noch ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet.
Ein Beschluss ganz nach dem Geschmack der Trierer Steuerfahnder. "Es ist ein Riesenfortschritt, dass das Finanzgericht in Neustadt genau so entschieden hat", sagt Finanzamtschef Jürgen Kentenich. "Das bringt was", ist Kentenich von der abschreckenden Wirkung überzeugt.Extra

Bei Steuerhinterziehung drohen Haftstrafen von bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen können es bis zu zehn Jahre sein. Für die Aufdeckung und Verfolgung von Steuerstraftaten sind die Länder zuständig. In Deutschland kann eine Bestrafung durch eine Selbstanzeige vermieden werden. Wer sich selbst anzeigt, bleibt aber nur dann straffrei, wenn die Behörden von dem Fall bis zu diesem Zeitpunkt nichts wussten. Bis dahin räumt das Gesetz die Möglichkeit ein, dem Finanzamt die nicht erklärten Einkünfte nachzumelden. Dann aber vollständig. Wird bereits ermittelt, ist der Zug für den Steuersünder abgefahren. Bei einer Selbstanzeige bleiben nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz von 2011 nur noch Hinterziehungsbeträge bis 50 000 Euro pro Vorgang straffrei. Bei bis zu 100 000 Euro kann von einer Strafe dann abgesehen werden, wenn der Betroffene neben den Verzugszinsen von 0,5 Prozent pro Monat einen Zuschlag von fünf Prozent auf die hinterzogenen Steuern zahlt.

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