Streit um Justizreform lähmt die SPD

Mainz/Koblenz · Die rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten stehen am Scheideweg: Finden sie keinen Ausweg aus der für sie verheerenden Debatte über die umstrittenen Veränderungen am Oberlandesgericht (OLG) in Koblenz, droht ihnen der Verlust jeder politischen Wirksamkeit.

 Schroffe Äußerungen: Ministerpräsident Kurt Beck. TV-Foto: M. Radics

Schroffe Äußerungen: Ministerpräsident Kurt Beck. TV-Foto: M. Radics

Mainz/Koblenz. Schon jetzt ist es so, dass die Projekte der rot-grünen Landesregierung von dem erbitterten Streit um die Justizreform nahezu komplett überlagert werden. Die Pläne, dem OLG Koblenz die Eigenständigkeit zu nehmen und es teilweise nach Zweibrücken zu verlagern, haben einen Sturm der Entrüstung entfacht, der längst auch die überregionalen Medien erreicht hat.
Zu durchsichtig scheint die Strategie, die aufsässige Koblenzer Justiz über eine Strukturentscheidung zur Räson zu rufen. Zu blamabel ist die dürre Begründung, mit der die rot-grüne Landesregierung einen substanziellen Spareffekt herbeizureden versucht.
Von München bis Berlin empören sich Journalisten über den rüden Umgang von Rot-Grün mit der Justiz. Ihr Fazit: So wie das Beck-Kabinett mit den Richtern umspringt, darf niemand mit der dritten Gewalt umgehen. Der Konflikt hat mittlerweile eine Ebene und Dimension erreicht, die der rheinland-pfälzischen SPD richtig gefährlich wird. Zumal den Sozialdemokraten nicht nur aus dem Norden des Landes, sondern auch aus den eigenen Reihen ein scharfer Wind entgegenbläst.
Macht macht einsam


Der große Verlierer der Diskussion ist Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) selbst. In der öffentlichen Wahrnehmung wird er mehr und mehr zu einem absolutistischen Herrscher, dem 17 Jahre an der Macht zu Kopfe gestiegen sind. Beck wäre nicht der einzige mächtige Politiker, der am Ende an sich selbst gescheitert ist - an der wachsenden Unfähigkeit, Kritik am Hofe zu erdulden, oder anders formuliert: diese überhaupt noch ernst zu nehmen. Macht macht einsam. Und etwas von dieser Einsamkeit wird Beck in diesen Tagen spüren.
Dabei trägt das Bild vom "König Kurt" ein Stück Wahrheit in sich - und ist zugleich ein Zerrbild. Beck wird von seinen Leuten in Regierung und Staatskanzlei durchaus als angenehmer Chef beschrieben. Er ist keiner, der mit Angst regiert. Und noch immer ist er ein Ministerpräsident, den jeder auf der Straße ansprechen kann. Dazu kommen sein enormes Wissen und seine große politische Erfahrung.
In die Falle getappt


Aber all das hat ihn nicht davor bewahren können, in die politische Falle namens OLG zu tappen, die nun die letzte Phase seiner Amtszeit überschattet. Mit seinen schroffen, emotionalen Äußerungen hat er sich selbst in diese missliche Lage manövriert. Dazu kam, dass niemand das politische Schussfeld auf den Ministerpräsidenten blockiert hat.
Eigentlich hätte Justizminister Jochen Hartloff (SPD) vor seinem Regierungschef stehen müssen. Aber Hartloffs Reputation hat derart gelitten, dass auch er keinen wirksamen Schutzschirm mehr aufspannen kann. Zumal der frühere SPD-Fraktionschef als Krisenmanager eher hilflos agiert. Für ihn wird es in Zukunft schwer werden, sich den nötigen Respekt zurückzuerobern, den ein erfolgreicher Justizminister braucht. Zudem hat die innerparteiliche Akzeptanz Hartloffs merklich abgenommen.
In der SPD wird ihm nicht mehr zugetraut, die Kuh OLG vom Eis zu bekommen. Partei und Fraktion haben sich eingeschaltet. Sie wissen, was auf dem Spiel steht.
Irgendwann in der Mitte der Legislaturperiode wird Kurt Beck sich vermutlich aus dem Amt zurückziehen. Mit jeder anderen Lösung würde der alte Fahrensmann seiner Partei und vor allem seinem Nachfolger keinen Gefallen tun. Und bis zur Stabsübergabe muss der OLG-Streit nicht nur abgeräumt, sondern möglichst auch weitgehend vergessen sein. Sonst haben es Becks potenzielle Nachfolger - Innenminister Roger Lewentz oder SPD-Fraktionschef Hendrik Hering - zu schwer. Die Sozialdemokraten müssen die Justizdebatte also in andere, vor allem in konstruktivere Bahnen lenken. Sonst zerstört der Streit ihre Marke als Rheinland-Pfalz-Partei.

Fusionspläne müssen vom Tisch


Kurt Beck hat jetzt angekündigt, dass er die Einrichtung einer Schlichtungskommission prüfen will (der TV berichtete). Dabei werden Rot-Grün halbherzige Lösungen nicht helfen. Die Fusionspläne sind - wenn überhaupt - nur noch durchsetzbar, wenn ein gravierender Spareffekt auf unanfechtbare Weise nachgewiesen wird. Politisch klüger wäre ohnehin der Verzicht auf das Vorhaben. Dazu kommt: Verlangt das Oberverwaltungsgericht (OVG) die zügige Besetzung der OLG-Präsidentenstelle in Koblenz, sind sowieso alle Kostendebatten hinfällig. Spätestens im September könnte Rot-Grün also umsteuern, ohne einen politisch desaströsen Gesichtsverlust zu erleiden. Oder die rot-grüne Landesregierung definiert ergebnisoffen ein allgemeines Sparziel, das die Justiz gemeinsam mit dem Ministerium erarbeitet. Kann der Landeshaushalt ohne OLG-Fusion entlastet werden, spart die Regierung Ärger und trotzdem Geld. Einen solchen Weg geht Innenminister Lewentz bei der Polizeireform - durchaus erfolgreich. Vielleicht tüftelt die SPD auch an einer anderen Lösung. Genug Problembewusstsein ist inzwischen vorhanden. Verheerend wäre, wenn die Sozialdemokraten aus Rechthaberei an einem Weg festhalten würden, der für sie nur im Fiasko enden kann. Als Partei, die zuhört und "nah bei de Leut" ist, hätte die SPD auf längere Zeit ihre Glaubwürdigkeit verspielt.

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