Stürmische Zeiten in Spanien

Die ungestörten Urlaubsfreuden unter der spanischen Sonne sind für Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) passé: Zahlreiche Journalisten und Kamerateams trafen gestern in ihrem Ferienort nahe Alicante ein. Und statt erholsame Ausflüge im Kreise der sie begleitenden beiden Freunde, gab es telefonischen Dauerkontakt mit ihrem Ministerium und der beunruhigten Partei-Spitze.

Berlin. Die "Dienstwagenaffäre" hat die Ministerin mächtig unter Druck gesetzt. In Berlin wird bereits spekuliert, dass Schmidt damit eine mögliche erneute Berufung zur Ministerin nach der Wahl verspielt haben könnte. Von Reue, von kleinlautem Rückzug war nichts zu hören. Schmidts Sprecherin Dagmar Kaiser betonte stattdessen: Der Ministerin stehe zur "alleinigen und uneingeschränkten Nutzung" ein Fahrzeug zu. "Es ist überhaupt nicht entscheidend, ob sie einen, zwei, drei oder 20 Termine" dienstlicher Natur an ihrem Urlaubsort absolviere. Zwei Termine sind bisher bekannt. Kaiser wiederholte: "Ihr steht das einfach zu."

Das ist offenbar richtig, die entsprechenden Richtlinien zur Nutzung von Dienstwagen decken sich laut Ministerium mit Schmidts Verhalten. Als Ministerin kann sie demnach das Auto samt Fahrer jederzeit sowohl für dienstliche als auch private Zwecke nutzen. Für private Fahrten wird dann der geldwerte Vorteil versteuert. 2008 habe Schmidt 6111 Kilometer mit ihrer Limousine privat abgerechnet. Die Bundesregierung jedenfalls sieht keinen Grund, die Richtlinien nun zu ändern, so Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Jedes Haus entscheide eigenverantwortlich, wie es die Vorgaben anwende.

Doch die Frage bleibt, ob man genügend Fingerspitzengefühl beweist, wenn man ein Auto vom eigenen Fahrer für wenige Termine mit An- und Abreise insgesamt 5000 Kilometer durch Europa kutschieren lässt. Der Fahrer sei schließlich "sicherheitsgeschult", erwiderte die Sprecherin. Dass der Chauffeur auch seinen 15-jährigen Sohn mitgenommen hat, habe Schmidt aus "Fürsorgegründen" ermöglicht und sei ebenfalls rechtlich abgesichert. "Die Kosten trägt die Familie", so das Ministerium.

Ein Mietwagen für private Ausflüge



Außerdem haben Schmidts Beamte nachgerechnet und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das kritisierte Vorgehen "wirtschaftlicher" gewesen sei: Die Spritkosten für Hin- und Rückfahrt der Mercedes S-Klasse (angeblich 7,7 Liter pro 100 Kilometer) beliefen sich auf rund 500 Euro. Dies entspreche der Tagesmiete für ein vergleichbares Fahrzeug, meinte Kaiser. Allerdings fallen auch zusätzlich Kosten für die Unterbringung des Fahrers in Spanien an, zu denen das Ministerium keine Angaben machte. Für ihn ist die Fahrt eine Dienstreise. Und wenn schon penibel, muss auch der Wertverlust des Fahrzeugs eingerechnet werden.

Außerdem hat sich Schmidt vor Ort einen Mietwagen genommen, um private Ausflüge zu unternehmen. Noch etwas kommt hinzu: "Das Auto ist weg", so Kaiser. Die Schlüssel wurden dem schlafenden Fahrer nachts vom Tisch gestohlen, neben einer Uhr, einem Mobiltelefon, etwas Bargeld und einer Kreditkarte. Wäre der Wagen nicht geklaut worden, die Debatte um Schmidt und den Dienstwagen wäre vermutlich nicht entstanden. Ob sich die Limousine orten lässt, und ob darin noch wichtige Unterlagen gelegen haben, dazu wollte sich das Ministerium nicht äußern. Am Donnerstag wird Ulla Schmidt wieder in Berlin sein und eine Pressekonferenz zu den "Pflegeberufen" geben. Das wird wohl nicht das Hauptthema sein. Extra Andere urlaubende Regierungsmitglieder handeln gänzlich anders als Ulla Schmidt. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Verteidigungsminister Franz-Josef Jung und Innenminister Wolfgang Schäuble: Für sie gilt die höchste Sicherheitsstufe. Ob im Inland oder Ausland, auf ihre gepanzerten Limousinen und Personenschutz darf in der Regel nicht verzichtet werden. Das gilt besonders für Merkel und Steinmeier. Minister Jung, der im Süden urlaubt, hat zwar durchgehend Personenschutz, das Bundeskriminalamt hat jedoch grünes Licht für die Nutzung eines gemieteten Fahrzeugs gegeben. Innenminister Schäuble urlaubt auf Sylt, insofern stellt sich die Frage des Dienstwagens im Ausland nicht. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Arbeitsminister Olaf Scholz: "Der Minister hat noch keinen Urlaub gemacht", meinte eine Sprecherin von Guttenberg. Auch Scholz will nicht verreisen. Kanzleramtsminister Thomas de Maiziere, Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner und Bildungsministerin Annette Schavan: Die Drei sind im Urlaub jeweils mit dem Privatwagen unterwegs. Finanzminister Peer Steinbrück: Er ist am Sonntag aus den Ferien in südlichen Gefilden zurückgekommen und "nicht mit dem Dienstwagen unterwegs" gewesen. Familienministerin Ursula von der Leyen: Die Ministerin führt penibel Fahrtenbuch und fährt mit dem eigenen Auto in den Urlaub.

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