Sucht macht erfinderisch

Trier · Im Gefängnis sind Drogen zwar teuer. Aber wer Rauschgift haben will, bekommt es auch. Nur: Wie kommen die Drogen in den Knast?

 Diese Papierschnipsel, auf die die synthetischen Drogen aufgeträufelt wurden, sollten unbemerkt in ein rheinland-pfälzisches Gefängnis geschmuggelt werden. Foto: privat

Diese Papierschnipsel, auf die die synthetischen Drogen aufgeträufelt wurden, sollten unbemerkt in ein rheinland-pfälzisches Gefängnis geschmuggelt werden. Foto: privat

Foto: (g_pol3 )

Trier Die Zahl ist ernüchternd: Nahezu jeder zweite in Rheinland-Pfalz einsitzende Häftling hat ein Drogenproblem. Wer als Gefangener das nötige Kleingeld und die entsprechenden Verbindungen hat, kommt auch hinter Gittern an seinen Stoff. Die Versuche der Justiz, dem Drogenschmuggel im Knast einen Riegel vorzuschieben, gleichen dem Wettlauf zwischen Hase und Igel. Dem Einfallsreichtum von Schmugglern und Rauschgiftkonsumenten sind kaum Grenzen gesetzt.
Jörn Patzak, Chef der Wittlicher Justizvollzugsanstalt, zeigt ein Foto mit vier kleinen Papierstreifen, mit deren Hilfe Rauschgift in den Knast geschmuggelt werden sollte. "Da werden synthetisch hergestellte Drogen, sogenannte neue psychoaktive Substanzen, draufgeträufelt", erklärt Patzak, "getrocknet und die Schnipsel dann ins Gefängnis geschmuggelt." Dort werde das Drogenpapier geraucht, oder der Konsument lecke es ab, sagt Jörn Patzak, der sich in der Vergangenheit auch als Rauschgiftexperte einen Namen gemacht hat.
Um den Lieferanten auf die Schliche zu kommen, müssen die Justizbediensteten zunächst einmal deren Tricks und Kniffe kennen. In einigen Gefängnissen werden Rauschgiftpäckchen über die Gefängnismauern geworfen; gefunden wurden auch schon Drogen, die unter Briefmarken klebten, in Kleidung eingenäht oder in Schuhsohlen versteckt waren. Bei Häftlingen im offenen Vollzug sind sogenannte Bodypacks beliebt, in kleine Plastiktütchen verpackte Drogen, die geschluckt oder in Körperöffnungen versteckt werden.
Es werde zwar streng kontrolliert, sagt Winfried Conrad vom Landesverband der Gewerkschaft Strafvollzug. Aber trotzdem ergäben sich immer wieder genügend Versteckmöglichkeiten - "der Begrüßungskuss, das Kleinkind oder Baby auf dem Schoß des Inhaftierten", sagt Gewerkschaftsvorsitzender Conrad. Erst vor kurzen habe sich eine Kollegin der Justizvollzugsanstalt Trier dafür rechtfertigen müssen, dass sie während eines Besuchs den Windelwechsel bei einem Baby überwachen wollte. Praktiker wie die Trierer JVA-Vizechefin Astrid Spira verweisen deshalb darauf, wie wichtig sorgfältige Untersuchungen und Kontrollen seien. Dazu gehörten auch regelmäßige Durchsuchungen der Zellen - insbesondere von Drogenabhängigen, sagt der Sprecher des Mainzer Justizministeriums.
Dabei werden auch Rauschgiftspürhunde eingesetzt, allerdings - mit Ausnahme der JVA Trier - viel zu selten, beklagt die Gewerkschaft Strafvollzug. Ihre Vertreter fordern schon lange, dass auch in Rheinland-Pfalz justizeigene Drogenspürhunde zum Einsatz kommen.
Bislang greifen die Gefängnisse auf die Hunde von Polizei und Zollverwaltung zurück. Eine Praxis, die Gewerkschaftsfunktionär Winfried Conrad für nicht besonders effektiv hält: "Wenn die mit ihren Hunden auf den Hof fahren, bekommen das die Häftlinge mit, und plötzlich rauschen in überproportional vielen Zellen die Toilettenspülungen."
Vermutungen, dass es zwischen dem offenbar steigenden Drogenkonsum in den Haftanstalten und Stellenkürzungen im Vollzug eine Verbindung geben könnte, weist das Justizministerium zurück. Der fünfprozentige Personalabbau in den vergangenen sechs Jahren dürfte keine Auswirkungen auf den Rauschgiftkonsum gehabt haben, sagt ein Sprecher.

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